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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Lill, Georg: Werke von Bildhauer Wilhelm F.C. Ohly
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Habicht, Victor Curt: Vierthalers Majolikaplastiken an der St. Antoniuskirche in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0302

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VIERTHALERS MAJOLIKAPLASTIKEN IN HANNOVER

und Bäumen heraus. Er umfaßt in seiner christlichen Liebe Mensch wie Vogel, Leben
wie Bruder Tod, der richtige Tröster im Leid, der die Dualität des Lebens doch in der
Einheit des ewigen Ursprunges umspannnt. Ein noch älterer Prototyp der Auferstehung
aus Nacht zum Licht ist Jonas, der drei Tage im Bauche des Walfisches saß, um dann
das Wort Gottes mit neuem Mut zu verkünden. In beiden Arbeiten kann man sehen,
wie neue künstlerische Formung ein schon fast abgegriffenes künstlerisches Bild mit
neuer Spannung und damit neuer religiöser Eindruckskraft erfüllen kann.
Daß Ohly den natürlichen Takt besitzt, nicht zu weit von der durch Jahrhunderte
geformten, sozusagen kultisch gewordenen Vorstellung abzurücken, zeigen zwei so signi-
fikante Vorstellungen wie Kruzifix und Muttergottes (Abb. S. 269). LTnzweifel-
haft bleibt bei beiden der Eindruck des persönlichen Erlebens und persönlichen Durch-
formens, und doch reiht sich der erhabene Ernst des Kruzifixus und die kindlich-heitere
Linienbewegtheit der Jungfrau-Mutter alten Schöpfungen an. Für den Frankfurter Dom
bereitet Ohly einen Kreuzweg in Bronze vor, eine der schwierigsten Aufgabestellungen
der kirchlichen Andachtspflege (Abb. S. 267). Wie wenige der üblichen banalen Kreuz-
weglösungen zeigen nur eine Spur von dem innern künstlerisch-religiösen Problem: der
räumlichen Einordnung und der inneren Erhebung für die Privatandacht, also der inneren
Spannung zwischen liturgisch-monumentalen und persönlich-stimmungshaften Zielsetzung.
Eine Probestation in Bronze mag zeigen, wie Ohly sich diese Lösung, die er fühlt, in der
doppelt schwierigen Aufstellung in einer alten, mit Kunstwerken überfüllten Kirche denkt.

VIERTHALERS MAJOLIKAPLASTIKEN
AN DER ST.ANTONIUSKIRCHE IN HANNOVER
Von CURT HABICHT
’C's gibt eine »Schönheit« der sog. Wirklichkeit, die aber von den meisten Heiligen als
Werk des Teufels angesehen, von den geistig Höherstehenden jedenfalls für nichts
Besseres wert gehalten worden ist, als um überwunden zu werden. Das Reich des Geistes
kann nicht von dieser Welt sein und es ist — wenn es überhaupt einen Sinn haben
soll —- Feind der Natur. Diese Zusammenhänge hat die christlich-germanische Welt-
anschauung stets erkannt und die religiös stärksten Zeiten, wie die des früheren Mittel-
alters (n.und 12. Jahrhundert) oder die der Mystik (um 1300) haben diese Einsicht
gelebt und in einer Kunst gestaltet; deren hohen geistigen Wert und aus einem gewal-
tigen religiösen Erleben entfachte Gestaltungskraft wir heute nicht nur wieder verstehen,
sondern in hohem Maße auch schätzen. Es ist bekannt genug, welche Gründe diese Ein-
sicht verschüttet hatten, vor allem nämlich die Überschätzung der angeblich kanonischen
antiken bzw. südlichen Kunst. Daß es außer dieser sinnenfrohen, den Sinnen schmei-
chelnden, idealisierenden Kunst auch noch gleichberechtigte, andere Ausdrucksarten gibt,
weiß heute beinahe jeder Gebildete. Merkwürdigerweise bestehen aber in der Praxis
noch immer Widerstände. Daß die Kirche, die in Kunstdingen einst unbedingt oder sogar
ganz ausschließlich führend war, sich vor dieser Übermächtigung durch den Südgeist und
einseitige humanistische Ideen frei zu machen sucht, ist ein verheißungsvolles Zeichen.
Man kann ja wohl auch sagen, daß das immer stärkere Schwinden des Bewußtseins für
Art und Wesen des »Heiligen« mit durch die künstlerisch minderwertigen, letzten Aus-
läufer des humanistischen Ideals, die bis in unsere Tage gebräuchlichen, absolut kit-
schigen und süßlichen Heiligendarstellungen mitveranlaßt worden ist. Die Besserung
auf diesem Felde hängt andrerseits mit dem stark anwachsenden Bedürfnis nach echter
Religiosität, vor allem aber mit der durch die Kunstgeschichtswissenschaft geklärten
Einsicht eines Teils der modernen Künstler in die Bedeutung und Gestaltungsart geistig-
religiös hochstehender Kunstwerke — also vor allem der nordisch-mittelalterlichen —
zusammen.
Einen Niederschlag dieser Umstellungen, Einsichten usw. kann man u. a. darin er-
blicken, daß Prof. L. Vierthaler-Hannover für die neu errichtete Franziskanerkirche in
Hannover neben fast bernwardinisch anmutenden, ein Drittel lebensgroßen Bronze-Evan-
gelisten zwei sehr ausdrucksstarke Majolikaplastiken des hl. Antonius und hl. Franz
schaffen konnte, die zwar die Billigung seiner Auftraggeber fanden, aber zugleich heftig
 
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