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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus dem Ausland
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Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0348

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3i4

BERICHTE AUS DEM AUSLAND — FORSCHUNGEN

verrät im Künstler — Pietro Canonica ist sein
Name — eine feinfühlige Hand.
Im neuen Geist geschaffen ist das Werk nicht.
Ist das ein Vorteil? Nach meiner Ansicht kaum.
Wäre es etwa ein Verstoß gegen das Bauwerk
gewesen? Vertrugen die barocken Grabdenk-
mäler eines Gregor XIII., Urban VIII., Ale-
xander VIII. keine neue Ausdrucksweise? Wie
war es dann möglich, daß sich die Petersbasilika
dem wuchtigen Monument Canovas für Kle-
mens XIII. öffnete? Und selbst das letzte Papst-
monument, das in nächster Nähe gleich unter
dem folgenden Pfeilerbogen sich erhebt, das für
Papst Pius X., ist weit moderner empfunden.
Und hat die Idee, die neue und großartige Idee des
»Friedenspapstes« nicht gerade nach einer neuen
Form gerufen? Doch lassen wir diese Fragen.
Hier läßt sich noch nicht darüber disputieren.
Römervolk und Römerkünstler sind noch — und
geschichtlich wie psychologisch läßt sich das
leicht verstehen — ganz im Alten befangen. Die
Vorbedingungen für eine innere Umwandlung
sind noch nicht gegeben. Darum dürfen wir auch
nicht allzu streng urteilen.
Betrachten wir also das Werk, das übrigens
in den italienischen Zeitungen über alle Maßen
gelobt wurde, wie es sich uns vorstellt. Betrach-
ten wir es im Raumganzen. Wir stellen uns am
besten vor der nächsten Kapelle auf und be-
trachten, unsern Blick am Denkmal Pius X. vor-
bei unter dem Pfeilerbogen durch auf das Mo-
nument werfend, die neue Schöpfung. Abgesehen
von der unbefriedigenden Basislösung — der Mo-
numentsockel steht kalt und verbindungslos
neben den Pilastersockeln und gleicht eher einem
Verlegenheitsklötzchen als einem untern Monu-
mentabschluß — erscheint die weiße Papstfigur
nicht nur verlassen, sondern auch befangen und
klein. Sie verliert neben den allzu großen Putten
viel, sehr viel, mehr als auf der Abbildung zu
ersehen ist. Was die Verkleinerung und Isolie-
rung noch fühlbarer macht, ist der dunkle Hin-
tergrund des Bronzereliefs, das weder den Ein-
druck einer schließenden und geschlossenen Rück-
wand, noch den einer sich weitenden Fernper-
spektive vermittelt. Für sich betrachtet, ist das
Relief sehr taktvoll und sparsam mit Gold model-
liert, macht aber von Ferne den Eindruck einer
gähnenden Leere. Auch verliert die ganze Ka-
pellenwand die Massigkeit und Geschlossenheit.
Die Behandlung der Madonna zeigt wenig Inti-
mes und nichts Originelles. Eine bessere Ver-
bindung und einheitlichere Ausführung in nur
Marmor hätte sicher eine wirkungsvollere, origi-
nellere Lösung gebracht. So blieb mehr Raum
für spielende Arbeit der Intarsienumrahmung.
Frisch geschnitten und am besten schließend ist
der Wappenschild auf dem Marmorgrund der
alten Kapellenwand.
Was den Wert des Werkes ausmachen wird,
das ist die liebevolle Behandlung des herrlichen
Papstkopfes, ausdrucksvoll, ohne ein bißchen sen-
timental zu sein. Und darin offenbart sich noch
am ehesten modernes Empfinden: in psycholo-
gischer Vertiefung. Freilich, was das Denkmal
Pius X. an neuen Kräften versprochen hat, hat
es noch nicht gebracht.
Möge es dennoch, wie Seine Heiligkeit Pius XI.
bei der Enthüllung betonte, eine memoria und
ein monimentum sein, eine Erinnerung, ein Zu-
rückrufen der großen Gedanken, der großen Liebe
und der großen Taten des großen Friedenspap-

stes. Dann wird es auch eine Mahnung, ein An-
sporn zu gleichem Friedensapostolat bei uns und
anderen.
La pace — la pace!
S. Anselm D. Thaddäus Zing O. S. B.
TURINER MUSEUM FÜR CHRIST-
LICHE KUNST
Tn Turin wird ein neues Museum für christliche
Kunst geschaffen, in dem alle Kunstwerke Auf-
nahme finden sollen, die dem Gebiete der christ-
lichen Archäologie und der Entwicklungsgeschichte
der sakralen Kunst in der neueren Zeit angehören.
Fritz Rose
Forschungen
ZU DÜRERS KLEINER PASSION
TAaß Johannes (18, 13—25) abweichend von den
Synoptikern den Zug mit dem gefangenen Jesus
bei Annas, dem Hohepriester des vergangenen
Jahres, zu einem ersten Verhör haltmachen läßt,
brachte nicht nur Exegeten in Verlegenheiten,
nicht minder auch die Künstler, die die Passions-
geschichte zu erzählen unternahmen. Denn nun
wiederholt sich zweimal die Szene vor einem Hohe-
priester, wenn auch mit der Gegensätzlichkeit, daß
das eine Mal der Thronende passiver Zuschauer
bleibt und die Handlung sich darin erschöpft, daß ein
Soldat zum Backenstreich ausholt (Abb. S. 316), und
daß das andere Mal der Gefangene und seine Beglei-
ter das stumme Publikum bilden bei dem Ausbruch
desKaiphas, der sein Kleid zerreißt (Matthäus 26,65;
Marcus 14, 63 (Abb. 317). Es leuchtet ohne weiteres
ein, wieviel an dramatischer Spannung durch Ver-
einigung der beiden Szenen gewonnen werden
konnte; sie bildet daher die Regel und nur mangelnde
Präzision der Bilderklärung kann diese Darstellung
als »Christus vorKaiphas« bezeichnen. Es sind die
beiden Verhöre vor den Hohepriestern zusammen-
geschossen zu dem einen vor »dem« Hohepriester.
Es kann1) eben hier einer der Fälle vorliegen, in
denen die Kunst sich nicht scheute, sich selbst-
herrlich über das theologisch Richtige hinwegzu-
setzen, für die die Darstellung der Inkarnation in
Gestalt eines von Gottvater ausgehenden Kindes
wegen des groben Verstoßes gegen das Dogma
immer das krasseste Beispiel bleiben wird.
Für die Meditation mußten die beiden Szenen
als gefühlsmäßig scharf unterschiedene Stationen
des Passionsweges auseinanderfallen: bei Annas
das Erleiden roher Mißhandlung ohne Berührung
des inneren Grundes der Passion, bei Kaiphas aber
das Bekennen der Gottessohnschaft mit seinen
Folgen — das beides konnte bei eingehender Be-

*) Es muß aber nicht immer sein. Wie von fast allen Szenen,
so fehlt eine pragmatische Ikonographie auch von dieser. Zu
beachten bleibt, daß etwa die Schilderung des Pseudo-Bona-
ventura, des Joh. de Caulibus (um 1300) die beiden Hohepriester
zusammen auftreten zu lassen scheint — zu vergleichen wäre
Giottos Arenafresko —, daß aber ein Ludolph von Sachsen
("t 1377) die Annasszene ausführlich schildert (Kap. 59/60),
und daß die versuchte Umdeutung des Johanneischen Be-
richtes durch den Jesuiten Johannes Maldonatus (In quattuor
evangelistas commentarii [1. Aufl. 1596], 2. Auf!., Mainz 1624,
Sp. 600f.) sich auf keine Lehrautorität oder keinen Vorgänger
beruft. Sie fand aber Beifall, z. B. den des Pictor christianus
eruditus des Joh. Interian de Ayala (Madrid 1730, S. 146).
Vgl. .die Verwerfung unter ausführlicher Erwägung des Für und
Wider in Franc. Quaresmus, Historica . . . terrae sanctae eluci-
datio, II, Antwerpen 1639, S. i/iff.
 
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