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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus dem Ausland
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Personalnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0249

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BERICHTE AUS DEM AUSLAND — PERSONALNACHRICHTEN

221

einem ganz neuen, unmittelbaren Naturerleben,
eine eigene organische Entwicklung an — nun aber
so impulsiv, daß es so scheinen konnte, als würde
böhmische Kunst die der binnendeutschen Land-
schaften überflügeln. Zwei sehr bedeutende Schnitz-
werke aus dieser wichtigen Periode wurden auf
der Ausstellung ein erstes Mal zugänglich gemacht:
eine stehende Muttergottes, ehemals im Kloster
Saras, heute im Hauptaltar der Brüxer Dekanat-
kirche, und eine sitzende Muttergottes aus der
Pfarrkirche von Hochpetsch. Die erstere scheint
in der gedämpften seitlichen Schwingung noch
einer älteren Auffassung entwachsen zu sein.
(Unsere Abb. S. 223, die einzig erreichbare, gibt
leider eine ganz verzerrende Schrägansicht.) In
ganz unverantwortlicher Weise wurde dieses zarte
Gebilde in neuester Zeit mit einer hellen Gold-
fassung überzogen — »staffiert«, wie man in Böh-
men sagt — die wie blankes Messing schillert und
alle feineren Differenzierungen tötet. Um so
packender daneben die noch nicht restaurierte
Muttergottes von Hochpetsch (Abb. S. 222). Un-
verschleiert spricht aus ihr jenes neue Begreifen
des Natürlichen, das aus dem Beieinander von
Mutter und Kind ein neckisches Ziel formt.
Was man aus dem frühen 15. Jahrhundert zeigte,
wird die Forschung weniger befruchten. Immer-
hin sollen Figuren wie die stehende Muttergottes
von Retschitz, die Heiligen Petrus und Paulus und
Ossek nicht unerwähnt bleiben. Tatsächlich aber
scheint in dieser Zeit, deren Stilform man auf
»böhmisch« taufen wollte, Böhmen doch seine füh-
rende Stellung schon aufgegeben zu haben. Diese
war erwachsen aus einer einmaligen, vorüber-
geh enden Konstellation. Vollendsimspäten 15. Jahr-
hundert sind die einheimische Malerei und Plastik
nur Echo, und nicht immer gutes Echo, der großen
binnendeutschen Werkstätten. Erst im beginnen-
den 16. Jahrhundert tauchen unter den heimischen
Kräften Persönlichkeiten auf, die eine über den
lokalen Rahmen hinausgehende Beachtung ver-
dienen. So der Monogrammist »J. W.«, der aus
der nächsten Umgebung von Lukas Cranach kommt,
auf der Ausstellung vor allem vertreten durch
den großen Marienaltar aus Seelau (bei Kaaden).
Manchmal, wie auf einer Tafel mit der Darstellung
des heiligen Wenzel (aus der Prager Staatsgalerie-
vgl. Abb. S. 220) steigert sich bei J. W. die vertrie-
bene Farbigkeit bis zu einer zarten Empfindsam-
keit, wie sie Cranach selbst nicht kennt. Neben
J. W. behauptet sich als Bildhauer Ulrich Creutz
in Kaaden. Auch er ist zugewandert. Hat er doch
wahrscheinlich auf seiner Wanderzeit an dem be-
kannten Sakramentshaus der Georgskirche in Nörd-
lingen mitgearbeitet. Leider konnte das Haupt-
werk des Ulrich Creutz, die Lobkowitztumba in
der Franziskanerkirche zu Kaaden, nur in Photo-
graphien vorgelegt werden. Neben Creutz über-
wiegt dieTätigkeitsächsischer Bildhauer, von denen
vor allem Christoph Walter hervorgehoben werden
muß, dessen Sandsteinkruzifixus von 1544 aus
dem Friedhof in Joachimsthal wirklich mit zu den
qualitätvollsten »nachgotischen« Steinmetzarbeiten
zählt.
Die wagemutigen Veranstalter der Ausstellung
haben das Verdienst, für ein Gebiet, dessen kunst-
geschichtliche Bedeutung ganz undurchsichtig war,
Klarheit geschaffen zu haben. Wichtiger aber noch,
daß es ihnen gelungen ist, einen Ausschnitt künst-
lerischer Vergangenheit dem Empfinden der heute
lebenden Bevölkerung wieder zuzuführen.
Carl Theodor Müller


SCHWARZE MUTTERGOTTES, 2. HÄLFTE DES
14.JAHRH. - BRÜX, KAPUZINERKIRCHE

Personalnachrichten
T) e r 1 i n. Hier verstarb im Alter von 63 Jahren
der bekannte Bildnismaler Rudolf Schulte im
Hofe. Der sympathische Künstler war Westfale
von Geburt. Eine große Anzahl bekannter Per-
sönlichkeiten wurde durch ihn im Bilde festge-
halten: seine streng gefügte, dabei tonige Mal-
weise zeugte von einem in sich gefestigten Kön-
nen, das weit über allem Durchschnitt stand. Süd-
deutsche Schulung und norddeutsche Art ver-
banden sich in seiner Kunst zu einem harmoni-
schen Ganzen. In der Hauptstadt seiner Heimat-
provinz, in Münster i. W., hat man ihm jetzt eine
würdige Gedächtnisausstellung gewidmet.— Fer-
ner verlor die Berliner Kunstkritik eine ihrer
stärksten Stützen und eine bewundernswert auf-
rechte Persönlichkeit in Fritz Stahl. Dieser oft
so tief bohrende Geist und Schriftsteller war in
vielem gleichsam zum künstlerischen Gewissen der
Reichshauptstadt geworden. Immer wieder pre-
digte er das Handwerk im höchsten künstlerischen
Sinne. Besondere Vorliebe hatte er für die Archi-
tektur. Aus dieser Neigung, die von Verständnis
für das Wesentliche begleitet war, entstand manch
erlesene Schrift, wie etwa die Bücher über Pots-
dam, Danzig oder Paris. Eine Art Vermächtnis
ist sein großer Band »Weg zur Kunst« geworden
(Berlin, Verlag Mosse). Früh schon fand er tref-
fende Worte über das Verhältnis von Kirche und
 
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