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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Forschungen
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FORSCHUNGEN — BÜCHERSCHAU

3i8


SCHEETELSTEIN EINER RUNDBOGENÖFFNUNG AUS POLLING
2. HÄLFTE DES 12. JAHRHUNDERTS
BAYER. NATIONALMUSEUM, MÜNCHEN

ergab, und daß dann der eine Apostel-
fürst den anderen für Rom nachzog.
Also läßt sich erschließen, daß bei der
Schlußredaktion Chelidonius das ent-
scheidende Wort zufiel, indem Dürer
die Ausgabe für die Gedichte mög-
lichst passend herrichtete und eine
klaffende Lücke schloß, so gut es die
Umstände noch erlauben wollten.
Rudolf Berliner
DAS »GÖTZENBILD«
VON POLLING1)
TAr. Sepp teilt in seinem Werke »Die
Religion der alten Deutschen« mit,
daß das sogenannte «Götzenbild« des
Klosters Polling eine, mit einem lan-
gen Zopfe umkränzte weibliche Ge-
stalt darstellt, neben der sich zwei
Kindsköpfe befinden, und erklärt die-
ses Steinbild als ein Nornenbildnis,
das mißverstandenerweise als Nonne
mit zwei Kindern aufgefaßt wurde.
Im Werke »Wald- und Baumkult in
Beziehung zur Volksmedizin Ober-
bayerns« von Höfler (München 1892)
wird dieses angebliche Nornenbild
ebenfalls erwähnt. In der Folge findet
man es in vielen volks- und sagen-
kundlichen Werken geradezu als klas-
sisches Beispiel einer Darstellung der germani-
schen Schicksalsgöttinnen, wobei für gewöhnlich
das Werk von Dr. Sepp als Beleg zitiert wird.
Der vielumworbene rätselhafte Pollinger Stein
befindet sich gegenwärtig im Bayerischen National-
museum zu München und wurde im Katalog über
die Bildwerke dieser Anstalt, herausgegeben von
Philipp M. Halm und Georg Lill, ausführlich be-
schrieben. Dort ist bereits festgestellt, daß dieses
oft erwähnte Steinbild ein Nornenbild absolut nicht
sein kann. Diese Klarlegung war unbedingt not-
wendig, denn es ist geradezu unbegreiflich, wie
man drei ausgesprochene Männerköpfe als Nornen-
bild erklären konnte. Dr.Sepp dürfte diese Plastik
kaum gesehen und für seine Studien wohl nur eine
volksarchäologische Mitteilung von irgendeiner
Seite benützt haben.
Das Steinbild von Polling ist eine tiefdurch-
dachte Zusammenstellung von drei Männerköpfen,
die nach antikem Vorbilde eine äußerst interessante
Verschmelzung von Symbolik und Gebärdensprache
bezweckt. Diese, übrigens auch künstlerisch voll-
endete Plastik dürfte vielleicht als Schmuckwerk
eines romanischen Giebels oder eines Portalschluß-
steines aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
gedient haben. In der Mitte tritt ein Kopf mit lan-
gem Barte hervor. Links davon sieht man gleich an-
schließend einen ernst blickenden, förmlich durch-
geistigten bartlosen Kopf und rechts einen aus-
gesprochenen Trutzkopf. Jedenfalls gehören diese
drei Köpfe ikonographisch zusammen. Ihre Deu-
tung wird schon durch den Umstand bedeutend
erschwert, daß man ihren ursprünglichen Stand-
ort nicht kennt. Es sei daher nur eine Annahme zu
einer möglichen Deutung versucht. Da der rechte
Kopf, wie gesagt, ein Trutzkopf (in Deutschland
auch unter dem Namen Lollus, Löll, Lollekerl,

1) Vgl. »Abgötter in.christlichen Kirchen«. Novemberheft
1928, 42 f.

Gaper, Gabbeck, Schnaphans usw. als Wahrzeichen
profaner Bauten bekannt) ist, also Abwehrzauber
bezweckt, ist es möglich, daß der linke schön ge-
formte Kopf einen Genius, also einen Schutzgeist
versinnbildlicht, so daß die beiden Köpfe auf Schutz
und Trutz hinweisen könnten. Solche Zusammen-
stellungen findet man mitunter an mittelalterlichen
Kirchenbauten, allerdings in deutlich lösbarer Dar-
stellung. Hier ist eben nur das Trutzsymbol ar-
chäologisch sichergestellt. Von dieser Vorausset-
zung ausgehend, ist man versucht, weiters anzu-
nehmen, daß der mittlere hervorstechende Kopf
mit dem ehrwürdigen Barte Gott-Vater repräsen-
tieren könnte. Dieser gewagte Deutungsversuch
läßt die Möglichkeit zu, daß das Steinbild mit sei-
ner symbolischen Sprache die Westseite der alten
Pollinger Klosterkirche geziert haben dürfte. Auf
alle Fälle ist es aber verfehlt, die drei Köpfe als
Götzenbilder zu erklären, da schon der Trutzkopf
allein im Geiste des Mittelalters gegen eine solche
Deutung spricht. Anton Mailly
Bucherschau
Tarnst Moessel, Die Proportion in Antike
Uund Mittelalter. München, C. H. Becksche
Verlagsbuchhandlung, 1926.
Der bekannte Münchner Professor der Bau-
kunst gibt hier die Resultate von Vorarbeiten,
die mehr als zwanzig Jahre zurückliegen und die
er in seiner 1915 der Technischen Hochschule
München vorgelegten Doktorarbeit zuerst mitteilte,
ohne sie jedoch wegen der Ungunst der Zeiten
veröffentlichen zu können. In einer Sitzung der
kunstwissenschaftlichen Gesellschaft zu München
am 14. Mai 1920 entwickelte er dann nochmals
seine Entdeckungen, die, als sie im Münchner
Jahrbuch der bildenden Kunst vom Jahre 1920
im Auszuge wiedergegeben wurden, in weitesten
 
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