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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Grundsätzliches
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RUNDSCHAU: GRUNDSÄTZLICHES

53

Rundschau
Grundsätzliches
DIE CHRISTLICHE KUNST IN
DER WERKSTATT
TAie Lesung zweier Schriften veranlassen
mich zur Niederschrift: Es ist dies das
Februarheft 1927 der »Christlichen Kunst«
mit den OstdeutschenWerkstätten zu Neiße
und die Arbeit von J. Kreitmaier S. J. im
Märzheft 27 der »Stimmen der Zeit«.
Eigentlich möchte ich die Leser bitten,
diese wertvollen Bemerkungen zu lesen. In
diesem Zusammenhang finde ich die Praxis
um so deutlicher, wie sie nun einmal ist,
und die guten Anregungen, die man daraus
gewinnen kann. Die Idee zwingt sich dem
Werkstoff auf und der Werkstoff stellt ge-
wisse Bedingungen an den Künstler. Be-
gleiten Sie mich in eine Werkstatt, die sich
zur Aufgabe machte, den keramischen
Werkstoff zur Besserung des Geschmackes
in Devotionalien zu verwenden. Es ist ein
Künstler, der ein ganz zurückgezogenes
Leben führt und nur dann zu modellieren
beginnt, wenn er Trost und Stärkung aus
dem Tabernakel empfunden und man ihm
den Gehorsam auferlegt hat. Aus einem
mächtigen Lehmklotz modellierte er ein
sitzendes Jesuskind. Nach einiger Zeit stand
eine lieblich lächelnde Figur vor dem Be-
schauer. Die Hände waren einladend ein
wenig vorgestreckt, ein zartes Lächeln lag
auf dem Antlitz, die Locken umspielten den


Kopf und von den Lippen schienen die
Worte zu tönen: »Kommet her, die ihr
mühselig und beladen seid, ich will euch
erquicken.« Die Arbeit wanderte in die Werkstätte.
Ein Fachschulabsolvent goß die Figur ab, Stück für
Stück, bis zuletzt ein Gipsmantel die Arbeitsform
umschloß. Nachdem diese getrocknet war, wurde
sie mit Ton ausgeformt und die Vervielfältigung be-
gann. Um aber sich einer allgemeinen Wirkung zu
versichern, wurden verschiedene Brenn- und Masse-
verfahren angewandt. In weißer Terrakotta, in
roter Terrakotta, auch glasiert mit Unterglasur-
malerei. Am ehesten entsprach die einfachste Art
als Terrakotta. Da stand nun das Jesuskind
unter Blumen im Garten und aus dem roten
Scherben leuchtete liebliche Milde. Ein Kapuziner-
pater sah das Werk und meinte, es sei tiefrcligiöse
Kunst; es passe nicht in einen Laden oder eine
Ausstellung. Es wäre etwas ganz für sich. Ein guter
Augustinerbruder nahm eine Figur mit. Er ging
damit um, wie es ihm in seiner Natürlichkeit gut
dünkte. Er bemalte das Ganze mit Ölfarbe und
brachte es in einen Kindergarten. Die Arbeitsform
wanderte auf den Boden. Noch einmal wurde sie
heruntergeholt. Liebevoll überarbeitete sie der
Künstler. Diesmal hoffte man durch Anwendung
von Engoben (= Übergußglasur) die Lösung gut zu
treffen. Die zarten Engoben brannten sich gut. Die
Figur war sehr anziehend. Die schwarze Dornen-
krone und das zarte Kind bildeten einen eigenarti-
gen Kontrast: Ich bin nicht von dieser Welt. Ein
jeder, der es sah, war angezogen, welcher Religion
er auch angehörte. Der sittlich hohe Ernst der Idee
leuchtete hervor. Das schönste Exemplar wurde
einem Geistlichen geschenkt. Dieser bewahrte es

DER SOG. TEUFELSKOPF« AM GESIMS DER SPITAL-
KIRCHE ZU MÖDLING. PHOT. H. KLAUS
bei sich und schien es zu verschließen. Vielleicht
hatte er mehr Rücksicht und kannte das Volk.
Denn dieses verstand es nicht. In einer anderen
Pfarrei nahmen die Ministranten die weiße Terra-
kottafigur mit dem goldumsäumten Gewand und
stellten sie oben zu den Schallöchern des Kirch-
turmes heraus. Das zweite Stück des Künstlers
war eine Mater dolorosa. Den technischen Ver-
hältnissen war mehr entsprochen. Die Stilisierung
des Gewandes brachte das Königliche mehr her-
vor im Anschluß , an das ein wenig geneigte, ver-
hüllte Haupt und den zum Gebete zusammengelegten
Händen. Der Ausdruck war rührend und anziehend,
eine schmerzbewegte Mutter unter dem Kreuze.
Das zarte Spiel der lieblichen Einladung war ver-
schwunden, ernst und geschlossen war das Bild-
werk, herb, milde und keusch. Es wurde diesmal
außer in Terrakotta in Böttchersteinzeug geformt.
Eine einfache, gottliebende Seele erhielt die Figur
zum Geschenk. Sie stellte die Mater dolorosa
unauffällig bei sich auf. Ganz für sich konnte sie
sie betrachten, unbemerkt von anderen. Aber ein
Franziskaner entdeckte das Werk doch einmal.
Er hatte eine sichtliche Freude. Ein anderes Exem-
plar, Terrakotta mit weiß durchschimmernder Matt-
glasur, wurde im Garten unter Blumen auf eine
Holzsäule gestellt. Man konnte davor seine Tag-
zeiten gut beten, denn die Figur lud zur inneren
Sammlung ein. Im Herbst wurden alle Blumen
abgeerntet. Das Gartentor stand auf. Ein Knabe
ging hinein, hob das Bildwerk der lieben Mutter-
gottes von der Säule und nahm es mit. Er frug
 
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