52
ABGÖTTER AN CHRISTLICHEN KIRCHEN
beweist, daß
dort die Be-
deutung dieses
Kopfes im
Volke erhalten
geblieben ist.
Ober dem
Trutzkopf ist
ein aufsprin-
gender heraldi-
scher Löwe als
Wächter, dann
ein bärtiger
Mann mit dem
Stab, vielleicht ein Heiliger, ein Glaubensverkünder, ein
Apostel, der im Glauben das Wappen des Stifters oder
Förderers der Kirche beschirmt, und darüber steht ein
heraldischer Panther, der auf den Sieg Christi über den
Teufel hinweist1)- Die Erklärung dieser Bilder von Prof.
Jung (290) ist auf alle Fälle unrichtig: er hält die Reliefs
aus gotischer Zeit für unholde Mächte, Dämonen und die
Figur sogar für Wuotan, weil der Monolith, der »lange
Stein«, in der Kirchhofmauer vermuten läßt, daß an dieser
Stelle ein heidnisches Heiligtum gewesen wäre. Das mag
ja richtig sein, aber derlei archäologische Spekulationen
für Plastiken an einer gotischen Kirche zu benützen, haben
für die ernste Forschung keinen Wert2). Auch erscheint
es gänzlich ausgeschlossen, daß in jenen Zeiten die Kirche
und der Stifter geduldet hätten, neben dem Wappen einen
Wuotan auszuhauens).
An der Gesimskante des alten »Pilgrimhauses« zu Möd-
ling (N.-ö. i ist ein primitiv bearbeiteter rundlicher Stein,
an dem die Augen, die Nase und der Mund eines »Eck-
steines« zu erkennen sind**)- Viel Kopfzerbrechen gibt
STEINKÖPFE AUS OBERKIRCHEN UND
WELSCHINGEN
KOPF VON LANGENSTEIN
schon seit über hundert Jahren der sagenhafte »Teufelskopf«
an der, dem Pilgrimhause
angebauten Ägidikirche in Mödling (Abb. S. 53). Trotzdem die Kirche mit ihrem Kopfe
aus dem 15. Jahrhundert stammt, bestrebt man sich noch immer, den Kopf als Templer-
idol (!) zu erklärens). Dieser Kopf ist die einzige Plastik des gekehlten Gesimses der
Kirche. Er hat einen breiten Mund unter buschigem Schnurrbart, auffallend große
Ohren und scheinbar Schlangenhaare. Unter buschigen Brauen sind ausdruckslose, schläf-
rige Augen, die Nase ist knollig entwickelt6). Es unterliegt wohl keinem Zweifel, diesen
mysteriösen Kopf als einen Trutzkopf zu erklären. Rechts am Gesims neben dem »Teufels-
kopf« sind geometrische Figuren eingemeißelt, die man von der Gasse aus nicht recht
bestimmen kann, aber wahrscheinlich ein Steinmetzzeichen verewigen.
’) Apostelbilder mit dem Wanderstab findet man auch in Schöngrabern und in Wultendorf (N.-ö.),
letztere jetzt im Niederösterr. Landesmuseum in Wien. — ’) Prof. Jung beruft sich dabei auf das
Werk »Heidnische Altertümer in Oberhessen« von Wilhelm Kolbe (36), das ich nicht kenne, das aber
scheinbar in der Tendenz der Forschungen Prof. Jungs verfaßt sein dürfte. — 3) Im späteren Mittel-
alter war das Volk nicht nur streng gläubig, sondern hielt noch viel an dem ererbten »Zauberglau-
ben« '■»Aberglauben«), Wuoton war damals, falls man ihn als germanische Gottheit noch beachtete,
ein Dämon, ein Teufel. — 4) Ein ähnlicher primitiver Kopf ist auch oberhalb des Erkerdaches des
alten Herzogshauses in Mödling. Vgl. Mailly, Niederösterr. Sagen, Nr. 221. — s) Mödling gilt in der
Volksüberlieferung als hervorragender Templersitz; in Wirklichkeit hatte der Orden daselbst weder
Häuser noch Güter. Es handelt sich um eine nachgewiesene Verwechslung der Templeisen aus dem
14. Jahrhundert, die hier (Burg Liechtenstein und in Mödling selbst) geweilt haben, mit dem Temp-
lerorden. — 6) Ähnliche Köpfe findet man übrigens oft an gotischen Kirchen meist als plastisch her-
vortretenden figuralen Schmuck der Gesimsornamentik und erinnern an die Menschen- und Löwen-
köpfe des Kranzgesimsfrieses antiker Tempel.
ABGÖTTER AN CHRISTLICHEN KIRCHEN
beweist, daß
dort die Be-
deutung dieses
Kopfes im
Volke erhalten
geblieben ist.
Ober dem
Trutzkopf ist
ein aufsprin-
gender heraldi-
scher Löwe als
Wächter, dann
ein bärtiger
Mann mit dem
Stab, vielleicht ein Heiliger, ein Glaubensverkünder, ein
Apostel, der im Glauben das Wappen des Stifters oder
Förderers der Kirche beschirmt, und darüber steht ein
heraldischer Panther, der auf den Sieg Christi über den
Teufel hinweist1)- Die Erklärung dieser Bilder von Prof.
Jung (290) ist auf alle Fälle unrichtig: er hält die Reliefs
aus gotischer Zeit für unholde Mächte, Dämonen und die
Figur sogar für Wuotan, weil der Monolith, der »lange
Stein«, in der Kirchhofmauer vermuten läßt, daß an dieser
Stelle ein heidnisches Heiligtum gewesen wäre. Das mag
ja richtig sein, aber derlei archäologische Spekulationen
für Plastiken an einer gotischen Kirche zu benützen, haben
für die ernste Forschung keinen Wert2). Auch erscheint
es gänzlich ausgeschlossen, daß in jenen Zeiten die Kirche
und der Stifter geduldet hätten, neben dem Wappen einen
Wuotan auszuhauens).
An der Gesimskante des alten »Pilgrimhauses« zu Möd-
ling (N.-ö. i ist ein primitiv bearbeiteter rundlicher Stein,
an dem die Augen, die Nase und der Mund eines »Eck-
steines« zu erkennen sind**)- Viel Kopfzerbrechen gibt
STEINKÖPFE AUS OBERKIRCHEN UND
WELSCHINGEN
KOPF VON LANGENSTEIN
schon seit über hundert Jahren der sagenhafte »Teufelskopf«
an der, dem Pilgrimhause
angebauten Ägidikirche in Mödling (Abb. S. 53). Trotzdem die Kirche mit ihrem Kopfe
aus dem 15. Jahrhundert stammt, bestrebt man sich noch immer, den Kopf als Templer-
idol (!) zu erklärens). Dieser Kopf ist die einzige Plastik des gekehlten Gesimses der
Kirche. Er hat einen breiten Mund unter buschigem Schnurrbart, auffallend große
Ohren und scheinbar Schlangenhaare. Unter buschigen Brauen sind ausdruckslose, schläf-
rige Augen, die Nase ist knollig entwickelt6). Es unterliegt wohl keinem Zweifel, diesen
mysteriösen Kopf als einen Trutzkopf zu erklären. Rechts am Gesims neben dem »Teufels-
kopf« sind geometrische Figuren eingemeißelt, die man von der Gasse aus nicht recht
bestimmen kann, aber wahrscheinlich ein Steinmetzzeichen verewigen.
’) Apostelbilder mit dem Wanderstab findet man auch in Schöngrabern und in Wultendorf (N.-ö.),
letztere jetzt im Niederösterr. Landesmuseum in Wien. — ’) Prof. Jung beruft sich dabei auf das
Werk »Heidnische Altertümer in Oberhessen« von Wilhelm Kolbe (36), das ich nicht kenne, das aber
scheinbar in der Tendenz der Forschungen Prof. Jungs verfaßt sein dürfte. — 3) Im späteren Mittel-
alter war das Volk nicht nur streng gläubig, sondern hielt noch viel an dem ererbten »Zauberglau-
ben« '■»Aberglauben«), Wuoton war damals, falls man ihn als germanische Gottheit noch beachtete,
ein Dämon, ein Teufel. — 4) Ein ähnlicher primitiver Kopf ist auch oberhalb des Erkerdaches des
alten Herzogshauses in Mödling. Vgl. Mailly, Niederösterr. Sagen, Nr. 221. — s) Mödling gilt in der
Volksüberlieferung als hervorragender Templersitz; in Wirklichkeit hatte der Orden daselbst weder
Häuser noch Güter. Es handelt sich um eine nachgewiesene Verwechslung der Templeisen aus dem
14. Jahrhundert, die hier (Burg Liechtenstein und in Mödling selbst) geweilt haben, mit dem Temp-
lerorden. — 6) Ähnliche Köpfe findet man übrigens oft an gotischen Kirchen meist als plastisch her-
vortretenden figuralen Schmuck der Gesimsornamentik und erinnern an die Menschen- und Löwen-
köpfe des Kranzgesimsfrieses antiker Tempel.