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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Rückert, Georg: Die Stifterfiguren in Polling
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Morper, Johann Joseph: Der Bamberger St. Georg des Johann Ferdinand Tietz
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0134

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ii2 DER BAMBERGER ST. GEORG DES JOHANN FERDINAND TIETZ
Tugenden den vollendetsten Ausdruck seines religiösen Empfindens gefunden hat. Dies
verleiht ihnen auch die monumentale Größe, die sie über Stil und Zeit hinaushebt und ihren
bleibenden Wert ausmacht.

DER BAMBERGER ST. GEORG DES JOHANN FERDINAND TIETZ
Von JOSEF MORPER
A m 27. Februar 1784 riß in Bamberg eisführendes Hochwasser die über den rechten
Regnitzarm an der Stelle der heutigen Kettenbrücke in vier Bögen gespannte Sees-
brücke bis auf die Pfeilerfüße hinweg. Durch diese Hochwasserkatastrophe ist Bamberg
eines Werkes beraubt worden, dessen Vernichtung die Kunstgeschichte der neueren Zeit
als einen ihrer empfindlichsten Verluste bucht. Denn dieser in seiner Bogenführung wun-
dervoll geschmeidige Brückenbau durfte nicht nur mit Recht Deutschlands schönste Ro-
kokobrücke heißen, er trug auch als besonderen Schmuck den hl. Georg des Johann Fer-
dinand Tietz, eine Reiterstatue, die mit Falconets Denkmal Peters des Großen in Peters-
burg (1766—78) die beste europäische der Zeit gewesen war.
Wie alles wahrhaft Große, das von Naturgewalten zerstört wird, von der Volksphantasie
ins mythisch Große erhoben wird, so hat auch die Phantasie des Bamberger Volkes diese
durch Eisstoß zugrunde gegangene Statue von den Zauberfäden des Sagenhaften allmählich
einspinnen lassen und sie nach und nach zu etwas so unvergleichlich Herrlichem verklärt,
wie nicht anders die Mailänder den zertrümmerten Reiterkoloß des Lionardo da Vinci.
Aber glücklicherweise braucht es gar nicht um dieses verlorene Kunstwerk eines solch
idealisierenden Wundermantels, denn seine einstige Wirklichkeit ist sozusagen in nuce
noch aufgespeichert in dem eigenhändigen Bozzetto des Johann Ferdinand Tietz, den heute
die Bamberger Städtische Galerie unter ihre Hauptstücke zählt. Er ist in neuester Zeit
durch den Konservator Saffer frisch gefaßt worden, freilich nicht völlig getreu im Sinne
der etwas weniger grellen, alten Bemalung und stellt den zu einer endgültigen Formung
herausgehobenen Abschnitt des bildhauerlichen Schaffens dar, aus dem dann der Arbeits-
prozeß in die Übertragung in das bestellerseits geforderte Format unmittelbar einmündet.
Die Geschichte dieses Bozzettos, die hier zu gesonderter Betrachtung kurz herausgestellt
sei, ist aufs innigste verbunden mit der Geschichte der Brücke selbst.
Die Seesbrücke war das Werk erster Architekten: Balthasar Neumanns und Michael
Küechels, und ihre schöpferischen Anteile daran verteilten sich so, daß die Grundidee und
das Technische auf die Rechnung des ersteren zu schreiben war, der letztere aber das
Künstlerische und Dekorative, die letzte Bearbeitung der Planvorschläge in seinen Händen
hatte. Von diesen Entwurfsarbeiten sind mehrere noch da (im Staatsarchiv Bamberg),
auch jene ist darunter, die der Ausführung zugrunde gelegt wurde, die fürstbischöflich ge-
nehmigte vom 26. März 1752 (Abb. S. 113). In dieser Zeichnung ordnet Küechel, der mehr
eine dekorative als raumschöpferische Begabung war, die Georgsstatue — die schon in den
ersten Entwürfen auftritt, also wohl ein Teil des Bauprogramms gewesen sein dürfte — auf
dem mittleren der drei Pfeiler an, im Konfront mit einer Kreuzigungsgruppe. Auf die übrigen
Pfeiler stellt er Vasen mit spielenden Kindern, in kluger Abgestuftheit zu mittleren Akzen-
ten. Bei der Georgsstatue buchtet sich die Brückenbrüstung zur Aufnahme des an seiner
Stirnseite mit dem fürstbischöflichen Wappen geschmückten Sockels nischenartig aus. Ihr
hochgeschweifter Bord formt sich rechts und links zu einer Art von Lehne, in die
Frauen die Symbole halten, lagernd einschmiegen. Das Roß selbst ist sprengend darge-
stellt, jäh entsetzt auffahrend vor dem gräßlichen Drachen, gegen dessen Feuer schnau-
benden Rachen der Heilige eben das Schwert zückt. Indem diese Handlung senkrecht zur
Brückenachse vollzogen wird, würde, wenn der Vorschlag so in die Wirklichkeit umge-
setzt worden wäre, für den Begeher der Brücke immer die volle Breitseite von Pferd und
Reiter optisch bestimmend gewesen sein, für die transitorische Erfassung des Werkes ohne
Zweifel die geschickteste Lösung. Diese Idee ist aber nicht Küechels Eigentum. Er
knüpft dabei vielmehr an das System der Langen Brücke in Berlin an mit dem Schlüter-
schen Reiterstandbild des 1688 verstorbenen Großen Kurfürsten. Dieses hatte er auf seiner
großen Reise durch Bayern, Österreich-Ungarn, Böhmen, Sachsen, Preußen und Thüringen
1737 kennengelernt und darüber in seinem Tagebuch vermerkt, daß „erstlich sehenswürdig
 
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