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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Moufang, Wilhelm: Moderne Glasmalerei
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Berichte aus Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0380

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344 BERICHTE AUS DEUTSCHLAND
Vergleicht man, was in anderen Ländern auf diesem Gebiete geschieht, so wird man zu dem
Schluß gelangen, daß gerade in Deutschland die Aufgaben und Probleme dieses Gebietes
besonders energisch und freudig aufgegriffen worden sind. Eine zielbewußte Schar von
Künstlern ist in den verschiedensten Gauen am Werke, dem Glas in seiner Veredelung in
der kirchlichen Kunst einen erweiterten Geltungsbereich zu schaffen. Bleibt das künstlerische,
von reinem Wollen getragene Bemühen manchmal auch noch in einer Teilvollendung vor
dem erstrebten Ziele stecken, so ist doch kein Zweifel, daß wir mit aller Macht und nicht
ohne begründete Hoffnung einem einheitlichen Stile des Gotteshauses als einem Kunstwerke
zustreben, an dessen Vollendung viele Hände und Herzen mitbauen.

Rundschau

Berichte aus Deutschland
AUS DER DIÖZESE ROTTENBURG
ir leben in Zeiten, die an die Baufreudigkeit
nach dem Dreißigjährigen Kriege erinnern.
Aller Zeitenschwere, aller Geldknappheit und
-teuerung, allen Vermögensverlustes ungeachtet,
befruchtet katholischer Opfersinn auch im Schwa-
benlande das künstlerische Schaffen in einerWeise,
an welche in der Vorkriegszeit niemand geglaubt
hätte. Diese Baufreudigkeit fördert vorab unsere
junge Architektengeneration in ihren hochgesteck-
ten Zielen. Große Gemeindehäuser kommen
den Diasporagemeinden zu Stuttgart, Nekarsulm
oder Ebingen zugute, letzteres ist allerdings erst
im Werden. Große karitative Anstalten
wuchsen in Wangen i. A., Schw. Gmünd oder
Rosenharz bei Bodnegg empor, Projekte, die bis
an eine Million Baukosten herangehen und von
ungewöhnlichem Wagemut zeugen. Seit 1925/26
aber entstanden neue Kirchen zu Heilbronn,
Oberndorf a. N., Stuttgart (St. Fidelis), Degerloch,
Vaihingen, Ulm (Susokirche), Baienfurt, Fried-
richshafen, Geislingen, OA. Ballingen, neuestens in
Neuenbürg im Schwarzwalde. Im Bau ist die St.-
Georgs-Kirche in Stuttgart. Für die neue katholische
Kirche in Freudenstadt läutet das Bittglöcklein im
Lande. Jede dieser Kirchen dient nicht nur un-
mittelbar ihrem seelsorgerlichen Zwecke, sie ist
auch Ausdruck der religiösen Triebkräfte der Diö-
zese; sie beschwingt das Hochgefühl, das in jeder
weitausschauenden Tat liegt und bereitet den Boden
für neues Wagen zur Lösung drängender Gegen-
wartsaufgaben. Jedes Raumschaffen für katholisch-
kulturelle Zwecke ist aber zugleich wieder eine
Befruchtung der zeitgenössischen künstleri-
schen Talente. Jedes Raumschaffen macht künst-
lerische Quelladern frei und läßt eine Fülle von
Aufgabenstellungen hingehen auch über die Kräfte
auf kunstgewerblichem Gebiete. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus ist die Baufreudigkeit nicht min-
der wichtig. Starke kunstfördernde Einzelkräfte
und -mächte gibt es seit der Barockzeit keine oder
wenig mehr. Heute werden mit der Markspende
des kleinen Mannes oder noch geringeren, aber
vom Herrgott gesegneten Gaben hohe Aufgaben
gelöst und so das Interesse des katholischen Ge-
samtvolkes für praktisches Kunstschaffen geweckt.
Denn jeder, der sich der Kirchennot irgendeiner
Gemeinde der Diözese zugänglich gezeigt und seine
Mark opferte, ist einbezogen in den Gedanken der
Allgemeinverpflichtung unseren Künstlern gegen-
über. Mancher schaut sich auch das Bild einer

Kirche ganz anders an beim Gedanken: ja, da
hast du jene Gabe gegeben, die dich momentan
gar nicht leicht ankam. Der Spender empfindet so
einen Bruchteil der Erfüllung jenes kosmischen
Gesetzes, das mit seinen positiven Werten an jede
gute Tat gebunden ist.
Was größere Aufgaben auf dem Gebiet der
Kirchenrestaurationen betrifft, so ist hier in erster
Linie die Rottweiler Kapellenkirche zu nennen.
Dieser Kirche sichert ihre Portalplastik längst
einen Namen in der Kunstgeschichte. Nun wurde
auch die Raumseele des Innern freigemacht von
Verunstaltungen einer Zeit, welche die im Barock
gelöste, schwungvoll und kraftbewußt aufstrebende
architektonische Bewegung nicht verstand. Nun
empfindet man wieder die Kühnheit der auf die
weißen Säulen gestellten Flachgewölbe. Der Mün-
chener Kunstmaler A. Baur hat mit einem pietät-
vollen Sinne sondergleichen die köstlichen Arbeiten
des jungen Joseph F i r t m a i e r an den Gewölben
wie am Hochaltar und einem Seitenaltar freigelegt.
Dieser Schüler Asams-München hat mit
25 Jahren diese virtuosen Schöpfungen geschaffen.
Die neue Kirche zu Neuenbürg von Her-
kommer im württ. Schwarzwalde ist vorab ge-
kennzeichnet durch eine frappante, packende Schau-
wirkung des Äußeren. Der Künstler wählte für
Turm und Schiff dasselbe Motiv der jäh und kühn
aufsteigenden Schauseite und des rückwärts ab-
fallenden Daches. Dadurch entsteht ein stark be-
tonter Höhendrang der Schaufront, zumal von dem
Turm aus noch ein großes Kruzifix scharf nach
oben stößt. Dieses Kirchenäußere ist ein Sursum
Corda gegenüber Menschen, die vor Geschäftig-
keit ihren Herrgott aus dem Auge verlieren. Diese
Baufügung läßt zweimal einen spitzen Winkel
in den Raum stoßen, und zwar mit um so stärkerer
Wirkung, als sich diese aufstrebenden Mauerzüge
vom Hintergrund des waldigen Berghanges ab-
heben und so in ihrer Silhouette von keiner kon-
kurrierenden architektonischen Gegenlinie gestört
wird. Fünf scharf betonte Senkrechten markieren
ebenso viele Fenster an der Stirnseite des
Schiffes.
Hart am Bogenansatze läuft ein Band über die
Außenseite von Schiff und Turm, beide verbindend.
Nahe der oberen Firstlinie gliedert ein Motiv von
aneinander gereihten Halbkreisbögen dieStirnfläche.
Diese Baufügung ist nicht nur reines Spiel
schöpferischer Phantasie. Sie wurde auch veran-
laßt durch die räumliche Enge des Bau-
platzes, auf welchem noch das Pfarrhaus steht.
An der Rückseite der Kirche wird zudem die Wild-
bader Straße vorbeiführen. Herkommer hatte hier
besondere Schwierigkeiten zu überwinden, auch
 
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