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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Forschungen
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FORSCHUNGEN — BÜCHERSCHAU

381

auch nur einigermaßen mit der Ikonographie der
damaligen Kunst befaßt, dann hätte ein so gro-
ßer Irrtum und damit eine so beschämende Ver-
kennung des Meisters des Herrenberger Altars
nie vorkommen können.
Wenn eine Anzahl Autoren wie Donner v. Rich-
ter, Stange, Findeisen dazu eine falsche Deutung des
Mahles an sich geben, wird diese dem Abendmahls-
charakter natürlich auch nicht gerecht, ebenso-
wenig wie dem Verratscharakter der Bildszene.
»Seit dem 16. Jahrhundert stehen«, wie Künstle
in seiner Ikonographie (I, 423) schreibt, »fast
alle Darstellungen des heiligen Abendmahls in
der äußeren Anordnung mehr oder minder unter
dem Einfluß von Lionardos Schöpfung (in Mai-
land), aber die Erkenntnis, daß die Verratsankün-
digung nicht geeignet ist, das geheimnisvolle Mahl
am Vorabend der Passion in seinem Wesen zu
kennzeichnen, bricht sich immer mehr Bahn«.
Sicher ist, hätte Ratgeb keine innere Ehrfurcht
vor seinem Gegenstände gehabt, so hätte er nicht
diese innere Hoheit, diesen unnennbaren Adel über
die K r eu zigu ngsgruppe auszugießen vermocht.
Weiter ist der innere Abstand der einzelnen Fi-
guren, wie Dr. Förderer hervorhebt, so groß, daß
auf Rechnung technischen Unvermögens der
»schneuzende Apostel« zu setzen ist, auf das Un-
geschick einer Gehilfenhand, auf deren Konto ge-
rade bei der Abendmahlszene so manch andere
Physiognomie geht. Wenn zudem die Auftrag-
geber, die frommen Stiftsherren, so zufrieden wa-
ren mit dem Altar, dann sahen sie sicher in dem
fraglichen Apostel keine Trivialität, sondern das,
was man eben sehen muß, will man dem erhabe-
nen Vorgänge gerecht werden : eine mißlungene
Geste des Erschreckens und Erstaunens.
Von Interesse ist auch, daß die Umrahmungen
der einzelnen Tafeln mit Schrif ttexten ver-
schiedenen Autoren wie Schoenberger und Stange
Anlaß gaben, Ratgeb als in besonderem Maße
bibelkundig hinzustellen und aus ihnen sein wich-
tigstes Streben abzuleiten, das Wort der Bibel mög-
lichst prächtig zu illustrieren. Dr. Förderer tritt
auch dieser protestantisch orientierten Auffassung
entgegen mit dem Hinweis auf M. Schuette : »Text
und Anhaltspunkte für die Ausführung
gaben immer die Auftraggeber, wobei die
ausführenden Künstler, meistens des Lateins un-
kundig, die für sie manchmal unleserlichen Worte
und Stellen verschrieben haben, wie das auch beim
Herrenberger Altar der Fall ist. Allerdings ist es
auch oft vorgekommen, daß die Auftraggeber die
Bibelstellen, die sie sehr oft aus dem Gedächtnis
zitierten, ungenau Wiedergaben, wofür auch unser
Altar Zeugnis ablegt. Wie allgemein üblich es in
jener Zeit war, christliche Kunstgegenstände mit
Bibelworten zu schmücken, lehrt uns ein Gang
durch jede Gemäldegalerie.«
Der Aufsatz kommt zum Schlüsse, daß Ratgeb
noch ganz im alten Glauben verwurzelt war,
»dessen Geheimnisse er voll durchlebt, in dessen
Stoff er ganz aufgegangen ist und in dessen über-
zeugender Wiedergabe er sich nicht genug tun
kann. Von einer burlesken, trivialen Behandlung
der biblischen und legendarischen Geschichten
kann keine Rede sein. In einem monumentalen
Stil verherrlicht unser Meister die Lehren seiner
Kirche in freier, poetisch-epischen Art. Mit wild-
feuriger Kraft und tiefstem Erlebnis geht er an
die Aufgabe seines Werkes. Ratgeb hat im Her-
renberger Altar ein Monumentalwerk geschaffen,
das sowohl wegen der tiefen Erfassung des Ge-

genstandes wie wegen der originellen und tem-
peramentvollen Behandlung des Gegenstandes die
größte Bewunderung aller Kenner auf sich zieht.
Obwohl im ganzen zwar ein Kind seiner Zeit, hat
der Künstler doch seinem Werke Form und In-
halt gegeben, die uns einen Mann von ungewöhn-
licher Begabung, erstaunlichem Können und seltener
Tiefe zeigen, eine Persönlichkeit, die zu den eigen-
artigsten Erscheinungen jener an Talenten nicht
armen Zeit zählt«.
Der Altar steht nicht mehr an seiner ursprüng-
lichen Stelle. Man darf sich fragen, ob ein so kost-
baresWerk an seinemkulturellenMutterbodennicht
belassen werden könnte unter allen Eigentums-
vorbehalten desStaates? In Stuttgart ist nicht Raum
genug für all das, was aus allen Landesteilen dort
zusammengetragen wird. Der Mutterboden all der
Kostbarkeiten aber verarmt. Gewiß ist die Er-
haltung der Kunstwerke oberstes Gesetz für die
staatlichen Stellen. Allein wo immer diese Erhaltung
nicht gefährdet ist, sollte ein Kunstwerk mög-
lichst da belassen werden,wo es der Stifterwillen
einst haben wollte.
Die übrigen Teile des Altares seien hier nicht
besprochen, sondern nur noch hervorgehoben, daß
auch Landeskonservator E. Paulus, unter welchem
der Ankauf für den Staat geschah, hervorhebt,
der Altar sei ausschließlich gemalt gewesen.
Im übrigen besitzt die Herrenberger Kirche
noch ein herrliches Chorgestühl aus der Hand
Schinkhardts und eine nicht minder reiche Kanzel.
Das Chorgestühl fand eine Würdigung durch Prof.
Dr. A.S to 1z in der »Rottenb. Monatschrift« 1928/29.
Die Kanzel verdiente zusammen mit den übrigen
z.T. prächtigen gotischen Kanzelwerken Schwabens
eine zusammenfassende Würdigung.
A. Pfeffer, Rottenburg

Bucherschau
SCHRIFTEN UBER KIRCHENBAU-
KUNST
TAer Verlag Friedrich Ernst Hübsch G.m.b.H.,
Berlin, Leipzig, Wien, gibt eine Serie »Neue
Werkkunst« heraus, die in sehr schmuck
ausgestatteten farbigen Leinenbänden mit Gold-
druck, die Tätigkeit bedeutender deutscher leben-
der Architekten in sich geschlossen darstellt, und
zwar so, daß einem kürzeren Essai-artigen Vor-
wort eine Fülle von Bildern, Plänen nach fertigen
oder geplanten Bauten folgen. Es ist bezeichnend
für die neue Wertung der Kirchenbaukunst, daß
in diesen Sammelbänden auch die sakralen Bau-
ten weitgehend berücksichtigt sind. Mir liegen
folgende Bände vor: German Bestelmeyer
(von Fritz Stahl), Hans Herkomm er (von
Werner Hegemann), Clemens Holzmeister
(von Armand Weiser), Michael Kurz (von
Georg Lill), Otto Schulz (von Georg Jacob
Wolf). Man sieht, die Auswahl ist bisher gar nicht
engherzig getroffen worden. Neben dem Nürn-
berger Otto Schulz, dem Meister alter Schu-
lung, der von romanischen, gotischen und barok-
ken Formen (darunter vor allem sehr fein pro-
portionierte malerische Landkirchen) ausgeht,
um schließlich doch den Übergang zu modernen
Formen zu suchen (St. Ludwigskirche zu Nürn-
berg), steht ein absoluter Neuerer Hans Her-
 
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