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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Getzeny, Heinrich; Pfeffer, Albert [Mitarb.]: Die moderne religiöse Kunst in Württemberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0153

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DIE MODERNE RELIGIÖSE KUNST IN WÜRTTEMBERG
Von HEINRICH GETZENY

II Württemberg, zusammenfallend mit der Diözese Rottenburg, das Kernland des schwä-
* ' bischen Stammes, hatte allezeit einen beträchtlichen Anteil an der Pflege der religiösen
und im besonderen der kirchlichen Kunst. Für das 19. Jahrhundert sei nur erinnert an
Prälat Schwarz, für das beginnende 20. an den weit über die Grenzen der Diözese
hinaus berühmten Bischof Paul Wilhelm von Keppler. Allerdings hat das Land durch
diese lebendige Anteilnahme an religiös-künstlerischen Fragen auch die Schwäche der
kirchlichen Kunst im vergangenen Jahrhundert in erheblichem Maße mitmachen müssen.
Der Purismus des 19. Jahrhunderts hat hier mit einer furchtbaren Gründlichkeit unter den
Denkmälern der Barockkunst aufgeräumt. Wie häufig in Süddeutschland hatten auch in
Oberschwaben viele ursprünglich gotische Kirchen im 18. Jahrhundert eine barocke Innen-
ausstattung erhalten. Es gibt deren wenige, die nicht im 19. Jahrhundert dieses Schmuckes
wieder beraubt und mit »stilechter« Schreinergotik oder gar Schreinerrenaissance von
unbeschreiblicher Plumpheit und Schwerfälligkeit ausgestattet worden wären. Selbst
Kirchen von reiner Barockarchitektur, wie z. B. die Deutschordenskirche in Neckarsulm,
haben auf diese Weise eine »kirchlichere« Renaissanceausstattung erhalten. Ja es hätte
nicht viel gefehlt, dann wäre ein Juwel schwäbischer Kirchenkunst, die Stiftskirche von
Ellwangen, die in ihrer harmonischen Verbindung von ernster romanischer Außenarchi-
tektur und lichter barocker Innenausstattung ein schlagendes Beispiel dafür ist, daß Stil
immer zu Stil paßt, im Innern restlos zerstört und in eine finstere, dunkelrot ausgemalte
Höhle verwandelt worden. Besonders verhängnisvoll hat in dieser Hinsicht die ehemalige
»Altarfabrik« Metz in Gebrazhofen/Leutkirch gewirkt, deren Erzeugnisse einen im ganzen
Oberland verfolgen. Die zahlreichen Kirchenbauten, die unter dem verewigten Bischof
Keppler aufgeführt wurden, sind fast samt und sonders in der damals einzig vorhandenen,
gotisierenden Stilrichtung gehalten. Der Stuttgarter Cades, der den Hauptteil dieser
Kirchen gebaut hat, ist ein besonders bezeichnendes Beispiel für diesen Stil. Doch sind
die Kirchen von Cades, auch wenn sie uns heute nicht mehr befriedigen, sauber und
sorgfältig und mit gutem Sinn für bauliche Konstruktion ausgeführt. Unter denen, die
die Innenausstattung der Kirchen besorgten, sei genannt der vielfach begabte Pro-
fessor Theodor Schnell aus Ravensburg, der eine Reihe von Altären geschaffen hat.
Seine Arbeiten gehören zum Besten, was diese nach der Vergangenheit gerichtete Kunst
schaffen konnte. Unter den Malern hat sich der von Oberzell bei Ravensburg stammende,
nach München übersiedelte Professor Gebhard Fugei unter Kämpfen durchgesetzt.
Rascher und leichter als anderswo vermochte in Württemberg die neue Kunst durch-
zudringen. Es mag das vielleicht daher rühren, daß die meisten Kirchenbauten nach dem
Kriege in der Diaspora auszuführen waren, wo sich nicht eine vorhandene Tradition
großer kirchenkünstlerischer Vergangenheit hemmend dem Neuen entgegenstellte, sondern
wo man unbekümmert Neues schaffen durfte. Nicht zuletzt aber ist der rasche Sieg der
neuen Kunst dem jetzigen hochw. Bischof der Diözese, Dr. Joh. Baptist Sp rol 1, zu danken,
der mit feinem Verständnis dem Neuen gegenübersteht und die guten Kräfte, die in der
jungen Kunst ans Licht drängen, durch Ermunterung und Anerkennung fördert. So geht
ein frischer Zug durch das künstlerische Schaffen der Diözese und sie vermag heute
schon auf manches bedeutsame Werk hinzuweisen.
I. Die Kirchenbaukunst
Von ALBERT PFEFFER
TNie Diözese Rottenburg konnte im verflossenen Jahre die Jahrhundertfeier ihres Bestehens
festlich begehen. Das Diözesanjubiläum wurde zur äußeren Veranlassung, in einer
größeren Ausstellung den Stand der religiösen Kunst innerhalb der Diözese zu zeigen. Die
Kunstentwicklung während des verflossenen Jahrhunderts zur Darstellung zu bringen, wie
es anläßlich des Jubiläums nahegelegen wäre, lag nicht in den Absichten der Veranstalter
der Ausstellung. Denn retrospektive Ausstellungen, so wertvoll und interessant sie auch
sein mögen, sind nicht in der Lage, das Kunstschaffen der Gegenwart in dem Maß zu
Die christliche Kunst. XXV. Februar. 5 17
 
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