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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Hoffmann, Richard: Neuzeitliche Friedhofkunst
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Rungg, Joseph: Zur Frage der Raumgestaltung: aus dem Schaffen des Architekten Prof. Dr. Fritz Müller, Innsbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0104

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ZUR FRAGE DER RAUMGESTALTUNG

weisen auf die dem Typus des Voralpengebietes trefflich angepaßten und vorzüglich in
die Landschaft gestellten Friedhofkapellen zu Ruhpolding von Architekt Willy Erb ( ver-
vergleiche Zeitschrift für christliche Kunst, XXL Jahrgang 1924/25, Heft 11) und in Reit
im Winkel von Architekt Bruno Biehler (vergleiche Jahresmappe der Christlichen Kunst
1927). Besonders reizvoll sind ferner die Kriegergedächtniskapelle in Hindelang von
Architekt Thomas Wex, Augsburg (abgebildet in der gleichen Jahresmappe 1927) und
die anmutig herbe, das Wesen von Tirol so innig treffende Kriegergedächtniskapelle auf
dem Berge Isel bei Innsbruck von Professor Holzmeister. Einige wieder ganz anders
gelöste, an den Charakter Frankens sich anlehnende Kriegergedächtniskapellen gehen auf
die Entwürfe des Landbauamtes Würzburg bzw. von Öberbauamtmann Peter Vollert-
Würzburg und auf die ausführenden Bildhauer Schiestl, Sonnleitner, Rother* Heuler zu-
rück, so in Oberpleichfeld, Sulzfeld a. M., Sommerach, Rieden, Frickenhausen usf.

ZUR FRAGE DER RAUMGESTALTUNG
Aus dem Schaffen des Architekten Prof. Dr. Fritz Müller, Innsbruck
Von JOSEPH RUNGG
TAie Raumkunst ist viel schwieriger zu meistern als andere Zweige der Kunst. Starres
Material, von verschiedenen Gesetzen im Zusammenfügen beherrscht, muß in künst-
lerische Form gegossen werden. Über den praktischen Zweck, die eiserne Notwendigkeit
ist, soll ein Kleid gestülpt werden, das in feiner Form und Empfindung zum Beschauer
spricht. Betrachten wir zwei Raumgestaltungen, in ihrer Aufgabe so verschieden und
ihrem Wesen nach doch innig miteinander verwandt: das Kriegerdenkmal von Brixlegg
und der Raum des Tiroler Ehrenbuches! Verschieden ist der Zweck dieser Räumlich-
keiten, verbindend das ganze Erfassen einer jeden dieser Aufgaben nach ihrer Wesen-
heit und das Aufschließen über das Formgewöhnliche hinweg zu einer Ausdeutung, die
jedesmal die Beschauer noch vollends in ihren Bann gezogen hat.
Zunächst das Kriegerdenkmal in Brixlegg, Unterinntal. Eine Anhöhe, die weit
Inntalab und Inntalauf und rings in die Täler schaut, und eine verfallene Kapelle, — das
waren die Voraussetzungen. Die Kapelle auf dieser Anhöhe, dem sogenannten Mühlbichl,
stammte aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Vor der Kapelle war ein kleiner Platz
mit zwei Kastanienbäumen, von dem man eine herrliche Aussicht über den stattlichen
Markt Brixlegg mit seinen ihn umschließenden Dörfern genießen konnte. Die Kapelle
wurde hergerichtet durch Mauern, der obere Kapellenplatz vom Denkmalplatz getrennt.
Die vorhandene kreuzförmige Lichtung wurde als Denkmalplatz angelegt. In der Platz-
mauer ist für jeden der Gefallenen ein Klotz für Kranz und Licht eingelassen und darüber-
sein Name in Metallbuchstaben geschrieben. An die gegen das Tal abfallende Stelle
wurde das eigentliche Mal gesetzt: St. Georg, eine künstlerisch groß erfaßte Arbeit des
Schwazer Bildhauers Karl Severin Unterberger, und darüber die Totenleuchte.
Allerseelen. Trüb hängt der Himmel über uns. Wir treten in das Kreisrund der Denk-
malsmauern, rings um uns 50 Kränze und 50 Lichter und uns gegenüber das Mal mit
der aufzuckenden Flamme der Totenleuchte. Das Formgewohnte, die große Tafel mit
den vielen Namen, die in ihrer Unübersichtlichkeit nicht gelesen werden, und so manches
andere, fehlt; aber das Wesen dieser Totenehrung ist in seinen Wurzeln und in seinem
ganzen Weg erfaßt und teilt sich mit und dauert fort, abgemildert durch die Weite der
großen Gotteswelt rings um uns.
Dann das Tiroler Ehrenbuch. Das Land Tirol hat seinen Gefallenen ein beson-
deres Denkmal gesetzt, das Buch vom Leben und Sterben der 40000 Tiroler Helden.
Dieses Werk sollte aus Anlaß seiner Vollendung gezeigt werden. Der Raum, wo es auf-
gestellt ist, war eine Reitschule. Alle Vorschriften, die beabsichtigt waren, um dem
Raum die Weihe zu wahren, waren überflüssig, so tiefwirkend war die künstlerische
Umgestaltung zum Weiheraum. Still und ehrfürchtig vor dem Sterben dieser Toten für
die Heimat schob sich während der Ausstellung Tag für Tag der Menschenstrom an den
Büchern vorbei.
Nicht die Farbe des Todes, nicht das Dunkel, sondern das geheimnisvolle Licht der
Unsterblichkeit, gespendet von Christus, sollte hier versinnbildet werden.
 
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