NEUE KUNSTWERKE
59
HIRTE, HOLZ. 0,85 m
HIRTE. 0,90 m
AUS DER KIRCHENKRIPPE DER ST.-ANNA-KIRCHE IN ESSEN-WEST
VON KURT SCHWIPPERT-DÜSSELDORF
und der Hirten ist ein fortschreitendes Sichbeugen
vor dem Kind (Abb. S. 58—59)- Alle Gebärden und
Linien laufen kraftvoll und zwingend dahin. Durch
die Einfachheit der Form und die Tektonik der
Bewegung ist diese »christozentrische« Idee der
Krippe eindeutig auch für die fernerstehenden Be-
schauer.
Wer heute Holz schnitzt, kommt nicht an einer
Auseinandersetzung mit einem so Großen wie Bar-
lach vorbei. Das gilt zunächst für die blockhafte
Form und vor allem für die innere Bewegung der
Figuren. Schwippert bleibt auch völlig im Block
mit jeder Gestalt. Er läßt seine Figuren von einem
geschlossenen, eindeutigen Kontur umschlossen
sein. So gewinnen auch seine Plastiken die innere
Größe, die allein einem Werk monumentalen Cha-
rakter gibt. Alle kleinen Züge müssen verschwin-
den; die weiten gespannten Flächen schneiden sich
in klaren Linien; jede Fläche ist nur belebt durch
die Schnittbildungen des Messers.
Von allen individuellen Zügen sind die Gestalten
frei, von allen Nebensächlichkeiten und unwesent-
lichen Merkmalen. Der junge Künstler hat die
Hauptzüge einer jeden Gestalt scharf beobachtet
und typisch in der eindeutigen Gebärde und Mimik
auf eine knappe Form verdichtet. Hier wie in vie-
len Arbeiten unserer Zeit lebt etwas auf von der
äußeren wie inneren Geschlossenheit romanischer
Plastik. In der überindividuellen Gestaltgebung
formt sich das keimende neue Gemeinschaftsbe-
wußtsein, neue kirchliche Gesinnung.
Noch ist der Abstand zwischen Künstler und
Gemeinde auch hier deutlich genug in heftigen
Auseinandersetzungen zutage getreten. Immer
entfacht die ungewohnte Schöpfung einen Streit
der Meinungen. Wie immer versuchen interessierte
Kreise eine geistige Abtreibung. Wie immer wird
auch hier der Künstler recht behalten, weil er wahr
und echt in seinem Werk ist. Diese Krippe ist ein
bedeutsamer Beitrag zur kirchlichen Kunst der
Gegenwart und ein Auftakt zur religiösen Erneue-
rung der Krippenkunst. a. Hoff
ZU UNSEREN KRIPPENBILDERN
Tm vorigen Jahrgang hat Prälat Dr. Michael
-*■ Hartig, der bekannte Erneuerer der Idee der
Krippenkunst in unseren Tagen, in einem eigenen
Sonderheft mit vielen Abbildungen über die »Krip-
penkunst in unserer Zeit« gesprochen. (XXIV. Jahr-
gang [1927/28], Heft 2, S. 33 ff.) Was wir heute
bringen, soll nur ein Nachtrag sein, der wieder
aufs neue in den Vorweihnachtstagen das Inter-
esse auf dies eminent künstlerische und religiöse
Problem richtet. Auch in unseren Abbildungen
sehen wir die Strömungen, wie sie vorläufig noch
nebeneinander laufen, häufig auch im Kampfe um
Überkommenes und Werdendes hart aufeinander-
stoßen, aber schließlich doch den neuen christ-
lichen Stil der Zukunft bringen werden. Hermann
Inhetvin in Geldern geht in seiner mächtigen.
Altarkrippe in der Josefskirche zu Krefeld
(Abb. S. 54) von der stimmungsvollen, maleri-
schen Gruppierung des Spätmittelalters aus. Die
gefühlsmäßige Einfühlung, das Erzählende, die
Legende ist die Quelle seiner religiösen Darstel-
lung. Und doch wird man auch hier in der Steige-
rung des Ausdrucks (vgl. hl. Joseph, die Gebärde
der Mutter Gottes) nicht den Pulsschlag der neuen
Zeit übersehen dürfen. Die treu-schlichte Art der
bürgerlichen Hauskrippe, wie sie das 19. Jahrhun-
dert unter dem Einfluß der Romantiker und Naza-
rener geprägt, finden wir als Grundtypus in der Auf-
machung und der Schnitzerei von Peter Valentin.
8*
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HIRTE, HOLZ. 0,85 m
HIRTE. 0,90 m
AUS DER KIRCHENKRIPPE DER ST.-ANNA-KIRCHE IN ESSEN-WEST
VON KURT SCHWIPPERT-DÜSSELDORF
und der Hirten ist ein fortschreitendes Sichbeugen
vor dem Kind (Abb. S. 58—59)- Alle Gebärden und
Linien laufen kraftvoll und zwingend dahin. Durch
die Einfachheit der Form und die Tektonik der
Bewegung ist diese »christozentrische« Idee der
Krippe eindeutig auch für die fernerstehenden Be-
schauer.
Wer heute Holz schnitzt, kommt nicht an einer
Auseinandersetzung mit einem so Großen wie Bar-
lach vorbei. Das gilt zunächst für die blockhafte
Form und vor allem für die innere Bewegung der
Figuren. Schwippert bleibt auch völlig im Block
mit jeder Gestalt. Er läßt seine Figuren von einem
geschlossenen, eindeutigen Kontur umschlossen
sein. So gewinnen auch seine Plastiken die innere
Größe, die allein einem Werk monumentalen Cha-
rakter gibt. Alle kleinen Züge müssen verschwin-
den; die weiten gespannten Flächen schneiden sich
in klaren Linien; jede Fläche ist nur belebt durch
die Schnittbildungen des Messers.
Von allen individuellen Zügen sind die Gestalten
frei, von allen Nebensächlichkeiten und unwesent-
lichen Merkmalen. Der junge Künstler hat die
Hauptzüge einer jeden Gestalt scharf beobachtet
und typisch in der eindeutigen Gebärde und Mimik
auf eine knappe Form verdichtet. Hier wie in vie-
len Arbeiten unserer Zeit lebt etwas auf von der
äußeren wie inneren Geschlossenheit romanischer
Plastik. In der überindividuellen Gestaltgebung
formt sich das keimende neue Gemeinschaftsbe-
wußtsein, neue kirchliche Gesinnung.
Noch ist der Abstand zwischen Künstler und
Gemeinde auch hier deutlich genug in heftigen
Auseinandersetzungen zutage getreten. Immer
entfacht die ungewohnte Schöpfung einen Streit
der Meinungen. Wie immer versuchen interessierte
Kreise eine geistige Abtreibung. Wie immer wird
auch hier der Künstler recht behalten, weil er wahr
und echt in seinem Werk ist. Diese Krippe ist ein
bedeutsamer Beitrag zur kirchlichen Kunst der
Gegenwart und ein Auftakt zur religiösen Erneue-
rung der Krippenkunst. a. Hoff
ZU UNSEREN KRIPPENBILDERN
Tm vorigen Jahrgang hat Prälat Dr. Michael
-*■ Hartig, der bekannte Erneuerer der Idee der
Krippenkunst in unseren Tagen, in einem eigenen
Sonderheft mit vielen Abbildungen über die »Krip-
penkunst in unserer Zeit« gesprochen. (XXIV. Jahr-
gang [1927/28], Heft 2, S. 33 ff.) Was wir heute
bringen, soll nur ein Nachtrag sein, der wieder
aufs neue in den Vorweihnachtstagen das Inter-
esse auf dies eminent künstlerische und religiöse
Problem richtet. Auch in unseren Abbildungen
sehen wir die Strömungen, wie sie vorläufig noch
nebeneinander laufen, häufig auch im Kampfe um
Überkommenes und Werdendes hart aufeinander-
stoßen, aber schließlich doch den neuen christ-
lichen Stil der Zukunft bringen werden. Hermann
Inhetvin in Geldern geht in seiner mächtigen.
Altarkrippe in der Josefskirche zu Krefeld
(Abb. S. 54) von der stimmungsvollen, maleri-
schen Gruppierung des Spätmittelalters aus. Die
gefühlsmäßige Einfühlung, das Erzählende, die
Legende ist die Quelle seiner religiösen Darstel-
lung. Und doch wird man auch hier in der Steige-
rung des Ausdrucks (vgl. hl. Joseph, die Gebärde
der Mutter Gottes) nicht den Pulsschlag der neuen
Zeit übersehen dürfen. Die treu-schlichte Art der
bürgerlichen Hauskrippe, wie sie das 19. Jahrhun-
dert unter dem Einfluß der Romantiker und Naza-
rener geprägt, finden wir als Grundtypus in der Auf-
machung und der Schnitzerei von Peter Valentin.
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