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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus dem Ausland
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0310

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276

BERICHTE AUS DEM AUSLAND

»Les Cahiers Catholiques« ins Leben gerufenen
Journees d’Art Religieux abgehalten. Bezeich-
nend für diese Tagungen religiöser Kunst ist
das Zusammenwirken der Künste: Außer der
bildenden Kunst auch Musik, Theater und Li-
teratur. Man ist in Deutschland an solches
Zusammengehen weniger gewohnt, und doch hat
es zweifellos seine innere Berechtigung, beson-
ders in der christlichen Kunst, deren gedankliche
Beseelung die verschiedenen Künste doch inner-
lich zur Einheit formt. Können und sollen sie
nicht voneinander Anregung empfangen, Anre-
gungen ausstrahlen?
Das Programm der Tagung war außerordent-
lich reich. Eröffnet wurde sie am Sonntag, den
13. Januar durch einen liturgischen Tag, den
Konvent und Oblaten der Benediktinerabtei Ste. Ma-
rie de Paris in der Kirche Saint-Leon abhielten.
Diesem Choraltag, wenn ich ihn so nennen darf,
entsprach am folgenden Sonntag eine Messe in
mehrstimmiger Musik, die von der Schola
St. Etienne d’Auxerre in der Kirche Ste. Clo-
tilde gegeben wurde und ein Festkonzert des-
selben burgundischen Kirchenchors am Nach-
mittag. Einen sehr interessanten Überblick über
die Entfaltung der polyphonen Kirchenmusik
vom 14. bis zum 18. Jahrhundert bot eine von den
Chanteurs de la Sainte Chapelle in chronologi-
scher Folge vorgetragene Reihe von Komposi-
tionen großer Meister. Fünf dramatische Auf-
führungen gaben mehreren Theatergruppen
Gelegenheit, Werke der neuerdings so schöpferi-
schen dramatischen Kunst des katholischen
Frankreich vorzuführen. Zwei Konferenzreihen
waren auf die Gedanken »DieKunst und die To-
ten«, Kunst und Moral« eingestellt, eine dritte
bot namhaften Schriftstellern Gelegenheit, die
nach dem Krieg so zahlreich emporgeschossenen
katholischen Buchr eihen vorzuführen; die letzte
war dem Zentenar des berühmten Konvertiten
und Schriftstellers Ernest H e 11 o gewidmet. Auch
der Film, dem man in Frankreich von katholi-
scher Seite vielleicht mehr Aufmerksamkeit wid-
met als irgendwo, fehlte nicht in dem reichen
Programm der Tagung.
Die bildende Kunst kam hauptsächlich durch die
Ausstellung religiöser Kunst zur Geltung,
die in der Salle d’Horticulture der Rue de Grenelle
einen für Ausstellungszwecke geschaffenen wür-
digen Rahmen gefunden hatte. Die Architektur
war durch eine Reihe von Entwürfen zu Kir-
chenbauten vertreten. Hier überwog die Anleh-
nung an ältere Formen, zum Teil mit gutem Ge-
schmack verjüngt. Aber auch ganz neue Lösun-
gen gab es, besonders von den beiden Architek-
ten Maurice Storez und Edouard Monestes. Sto-
rez baut augenblicklich in Zusammenarbeit mit
dem bekannten Benediktinerarchitekten Dom
Beilot (Oosterhout) eine große Kirche für Co-
mines, von der einige Skizzen ausgestellt waren.
Monestes gab auch eine Konferenz über den
Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten
Kirchen, die mit zahlreichen Lichtbildern belegt
war. Ich muß freilich gestehen — mit der Re-
serve, die ein Urteil nach flüchtig geschauten
Lichtbildern aufzwingt — daß ich nicht viel Er-
freuliches in dieser Reihe sah. Die meisten Bau-
ten bewegten sich im alten Geleise, mit der
einen oder anderen originellen, nicht immer glück-
lichen Einzelheit. Es schien mir, als fehle die
große Linie, als dränge sich das Ornament oft
zu sehr vor. Nicht übersehen werden darf frei-

lich die ungeheure Not der katholischen Kirche
in Frankreich, die, fast ohne Unterstützung sei-
tens der weltlichen Behörden, für einen viel er-
heblicheren Aufgabenkomplex die Mittel aufbrin-
gen muß, als beispielsweise die Kirche in Deutsch-
land. Die kriegszerstörten Kirchen werden aller-
dings mit öffentlichen Mitteln wieder aufgebaut,
aber diese Mittel sind ungenügend, schon des-
halb, weil die ausgeworfenen Summen jahrelang
vorher festgelegt waren und durch die inzwischen
eingetretene Geldentwertung erheblich vermin-
dert wurden. Andrerseits scheint der Widerstand
in Klerus und Volk gegen neue Kunstformen in
Frankreich stärker zu sein als in Deutschland
und in der Schweiz. Immerhin gibt es in Frank-
reich eine Reihe neuzeitlich schaffender Archi-
tekten, davon zeugen mehrere Kirchenneubauten
in und um Paris, auf die ich gelegentlich zurück-
kommen werde.
Die Plastik war in der Ausstellung nicht stark
vertreten, doch war die Qualität der ausgestell-
ten Stücke durchweg gut. Ich erwähne: Eine
Madonnenstatue »Notre Dame de Liguge« von
Charles Jacob in getöntem Holz, in der französi-
sche Lieblichkeit mit archaisierender Herbheit
merkwürdig gut zusammenklangen; einen leben-
digen Kopf des hl. Vinzenz von Paul von Fran-
cis Renaud, vor dem man bedauerte, daß die groß-
zügig drapierte Ganzfigur nur in Photographie
zu sehen war; eine Reihe von entzückenden Klein-
plastiken, unter deren Schöpfern besonders Fer-
dinand Py zu nennen ist. Der verdienstvolle Pa-
riser Kunstverlag Librairie de l’Art Catholique
(Place Saint-Sulpice 6) hatte kleinere Abgüsse
seiner Plastiken moderner französischer Künstler
ausgestellt.
In der Malerei war der lebendige, frische Zug,
der durch die religiöse Kunst Frankreichs geht,
am klarsten zu erkennen. Die beiden Hauptmei-
ster waren durch je ein Werk vertreten; Maurice
Denis durch eine Himmelfahrt kleineren For-
mats, Georges Desvallieres durch einen Karton
zu einem Glasgemälde „Hl. Messe im Schützen-
graben“. Unter den übrigen fielen besonders auf:
Eine wuchtige Kreuzigungsgruppe großen For-
mats (Charles Bisson) von starkem Farbenreiz;
ferner eine Verkündigung von M. Belmo n, unter
deren herber Formung sich dem ruhig einfüh-
lenden Betrachter eine mystische Tiefe des Emp-
findens erschloß. Der Schweizer Jerem Falquet
hatte als Gast eine Reihe von Tafelbildern und
Farbenskizzen zu Kirchenfenstern ausgestellt, die
ihn als temperamentvollen Künstler von star-
ker Eigenart erkennen ließen; die Fensterskiz-
zen besonders waren von flammender Farbenglut.
Die gute Qualität mehrerer ausgeführter Glas-
gemälde junger französischer Künstlerinnen kam
durch ungeeignete Beleuchtung nicht voll zur
Geltung. Unter den zahlreich vorhandenen klei-
neren Tafelbildern schien mir manches allzu ge-
sucht, modern um jeden Preis. In der religiösen
Kunst kann ich am wenigsten verstehen, wie
man statt eines Gesichtes einen unorganischen
Farbenfleck bieten kann. Die Graphik, meist
volkstümliche, farbig getönte Buchillustration,
war durchaus ansprechend.
Das Kunstgewerbe hätte etwas reicher be-
schicken dürfen. Ein großes Vortragskreuz von
DonatThomasson führte die im unterenTeil sehr
glücklich anklingende neuzeitliche Form nicht
konsequent durch. Besser wirkten zwei moderne
Silberkelche und ein Satz Meßkännchen aus blau
 
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