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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus dem Ausland
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0110

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BERICHTE AUS DEM AUSLAND

die insgesamt 6 Millionen Lire betrugen, mußte
das Kloster aufbringen, während die Stadt Assisi
ihren guten Willen dadurch bewies, daß sie den
Bauplatz hergab. Am letzten Tage des Anno Santo
Francescano, am 4. Oktober 1927, fand im Parla-
torio des Klosters eine feierliche Sitzung statt, in
welcher der Unterrichtsminister Fedele im Namen
der Regierung den versammelten Patres und dem
General des Ordens der Minori Conventionali die
Klostergebäude übergab. Sofort danach erschien
der Kardinalpatriarch von Venedig mit zahlrei-
chem Gefolge, betrat die Basilika durch den Kreuz-
gang Sixtus IV. und segnete das Haus. Darauf
wurde die letzte feierliche Messe des Franziskaner-
jahres abgehalten.
Sowohl in der Basilika wie in den Kloster-
gebäuden setzte nun eine rege Bautätigkeit ein.
Die Kapelle Johannis des Täufers in der
Unterkirche wurde unter Leitung des Oberinten-
danten der Kunstdenkmäler Umbriens, Prof. Ber-
tini-Calosso, im mittelalterlichen Stile wiederher-
gestellt, die dort befindliche Orgel anderweitig
untergebracht und die Kapelle mit dem mystischen
Charakter der übrigen Kapellen in Einklang ge-
bracht. Die wichtigste Wiederherstellungsarbeit
jedoch war die Befreiung des Grabes des heili-
gen Ordensstifters von allen störenden Zutaten
späterer Zeiten. In einer Weise, die dem Geiste
des »Bettlers von Assisi« entspricht, zeigt sich nun
der Steinsarg, tief unter dem Hochaltar der Un-
terkirche, in der Krypta, die Frate Elia, der Voll-
strecker des letzten Willens des Heiligen, in dem
lebendigen Fels hatte ausschachten lassen. Ein
mächtiger Felspfeiler, der das Gewicht des auf
ihm ruhenden Hochaltars zu tragen hat, umfängt
den mit Rosen bedeckten, in seiner grandiosen Ein-
fachheit tief ergreifenden Sarkophag. An dieser
heiligen Stätte empfindet wohl jeder Besucher den
ganzen Zauber jener Mystik, der ihn in den schwer
lastenden Gewölben der Unterkirche umfängt. Nach
einem formenstrengen Entwurf des Architekten
Ugo Tarchi wird demnächst an die Stelle der neu-
klassizistischen dorischen Stelen und Stuckdeko-
rationen eine frühgotische Architektur treten, deren
Stil dem Geiste und der Zeit des heiligen Franz
entspricht.
Noch weit mehr gab es in den sechzig Jahre
lang durch das Waisenhaus und seine Insassen
benutzten Klosterräumen zu tun. Die einzelnen
Gemächer und Säle sind wieder ihrer ursprüng-
lichen Bestimmung zugeführt worden. Hier bleibt
noch viel zu tun, bis nach den langen Jahren der
Vernachlässigung und Profanation alles wieder in
Ordnung gebracht ist. Die wundervollen Arkaden
mit dem unvergleichlichen Blick auf das weite,
grüne Tibertal sind jetzt, nachdem die Patres eine
störende Zwischenmauer beseitigt haben, wieder
in ihrer ganzen ungeheuren Ausdehnung zu über-
blicken. Im Grossen Kreuzgang hatte die
liebe Schuljugend die Fresken des Adone dei Doni,
der man diesen Raum als Spielplatz überlassen
hatte, so lange als Zielscheibe beim Ballspiel be-
nutzt. bis die Farbe in großen Stücken herunter-
fiel. Erst als das Unheil geschehen war, brachte
die Leitung des Waisenhauses zum Schutze vor
weiteren Zerstörungen Drahtnetze an. Heute sind
diese Fresken traurige Ruinen und bedürfen drin-
gend einer sachkundigen Wiederherstellung.
Das große Refektorium Sixtus IV. vereinigt
jetzt wieder die fünfzehn Patres und die etwa
hundertzwanzig Missionsschüler zu gemeinsamer
Mahlzeit. Der Schreiber dieser Zeilen hatte die

Ehre und die Freude, an einem Abend der Gast
des Klosters zu sein und hier mit den Patres und
ihren Schülern das Brot des heiligen Franz essen
zu dürfen. In diesem prächtigen, nun wiederher-
gestellten Raum, in dem einst Päpste, Kardinäle,
weltliche Fürsten, Dichter und Denker als Gäste
des Klosters geweilt haben, einen Abend in an-
regender Unterhaltung mit den Söhnen des sera-
phischen Patriarchen verbracht zu haben, wird ihm
immer eine schöne Erinnerung sein.
Ein alter Plan der Patres hat nun seine Ver-
wirklichung gefunden, die Gründung eines Insti-
tutes für die Missionstätigkeit des Franzis-
kanerordens. Die Missionsschüler, die sich schon
im Alter von 11 bis 13 Jahren einstellen, haben
natürlich noch keine klassischen Studien gemacht.
Darum wurde im Kloster ein Gymnasium einge-
richtet, wo diese bis zum 17. Jahre unterrichtet
werden. Die Schüler sind in Kameradschaften ein-
geteilt, deren jede einen eigenen Schlafraum hat.
Das alte Dormitorium mit dem letzten Abendmahl
des Adone dei Doni dient jetzt als Aula. Auf die
vorbereitenden Studien folgt ein Jahr Noviziat und
darauf der Profeß. Danach erst beginnen die eigent-
lichen geistlichen Studien. Um der großen Aufgabe
in vollem Umfange gerecht zu werden, bedürfen
die Patres ihrer Bibliothek und ihres Archivs, die
ihnen bisher mit Unrecht von der Stadt Assisi vor-
enthalten werden. Die Klosterbibliothek, die
zugleich mit dem Archiv zur Zeit der Aufhebung
in die Pflege, nicht aber in den Besitz der Stadt
Assisi überging, ist ungewöhnlich reich an alten
Handschriften und alten Drucken. Schon am Ende
des 14. Jahrhunderts stand sie an dritter Stelle
unter den großen Bibliotheken Europas; die erste
Stelle nahm damals die Bücherei der Sorbonne in
Paris ein, an zweiter Stelle stand die Bibliothek
zu Avignon und an dritter die zu Assisi. Neben
vielem anderen gehört dazu eine berühmte große
Bibel mit Glossaren in 16 Bänden, eine reiche
Sammlung päpstlicher Bullen, die von Papst Ho-
norius III. bis zu Benedikt XIV, reichen und in
zwölf dicken Bänden gesammelt sind. Außerordent-
lich reichhaltig ist auch die musikalisches amm-
1 u n g. Mit der gregorianischen Monodie beginnend,
führt diese bis zur flämischen Polyplionie, dann zu
Palestrina und bis in die Zeit der Aufhebung des
Klosters. Damals wurde die Bibliothek widerrecht-
lich aus den Räumen des Klosters entfernt und,
wie oben bemerkt, der Stadt zur Verwaltung über-
geben. Es ist selbstverständlich, daß die Bücherei
und das Archiv wieder in ihre alten Räume zu-
rückkehren müssen, weil die Besitzverhältnisse ganz
klar liegen. Dann wird wieder, wie einst in der
Blütezeit des Klosters, ein reger geistiger Aus-
tausch mit den Gelehrten aus aller Herren Län-
dern beginnen. Schon jetzt aber erfreuen sich die
Wissenschaften hier einer hingehenden Pflege, und
wo anders könnten sich wohl die jungen Mis-
sionare besser und würdiger auf ihren schweren
und Entsagung fordernden Beruf vorbereiten, als
am Grabe des heiligen Franz? Walter Bombe
EINE KIRCHE DES 8 JAHRHUNDERTS
IN ANCONA
“Dei den Wiederherstellungsarbeiten in der alten
romanischen Kirche Sta. MariadellaPiazza
in Ancona an der Adria sind in einer Tiefe von
zweieinhalb Metern unter dem Niveau der Basis
die Überreste einer alten Kirche freigelegt worden,
 
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