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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus Deutschland
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BERICHTE AUS DEUTSCHLAND

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L. CHANG: ANBETENDE ENGEL. WEIHNACHTSKARTE IN LINOLEUMSCHNITT

P. Damasus Zähringer über »Das Gottsuchen
des modernen Menschen«. Der gleiche Redner be-
handelte am 10. November vor dem Hochamt
»Christus als Gottmensch«, nach dem Hochamte:
»Die Kirche«. Diese Themen unterbauten Fun-
damente des Glaubens, soweit sie im Sturm und
Drang der Kriegs- und Nachkriegszeit Not gelitten,
aber in einer Weise, die fesselte, die etwas an sich
trug vom lebendigen Pulsschlag der Zeit, die sich
an die Zonen kritischen Denkens wandte, an den
Verstand und die Vernunft gereifter Männer. Das
seelische Echo blieb nicht aus.
Weil andern Tags Sonntag war, erschien P. An-
selm Manser, eine der edelsten Priester- und
Gelehrtenerscheinungen des Konvents am Redner-
pulte, und sprach über den »Sonntag als Tag
Christi und der Kirche«. An diesem Sonntag wurde
das Fest des hl. Martinus gefeiert, des Patrons
der Abtei und der Beuroner Kongregation. Die
Liturgie dieses Tages führt in Beuron in alle
Höhen und Tiefen des seelischen Spannungsbogens.
Was lag da näher, als vor dem Amte durch P. An-
selm eine Einführung in die Festtagsliturgie zu
geben? Das um so mehr, als am gleichen Sonn-
tage eine Gelübdeablegung erfolgte.
Die weiteren Vorträge behandelten »Rhythmus
zwischen Liturgie und Leben«, die Heiligenver-
ehrung, schließlich zwei Themen mit direkter Be-
ziehung auf die Kunst: »Seele und Kunst« von
P. Willibrord Verkade und die »Krisis in der mo-
dernen Kunst« von Pfarrer Pfeffer-Lautlingen.
In P. Willibrord Verkade besitzt Beuron eine
Persönlichkeit, die wie geschaffen war, den Cice-
rone und Vertrauensmann zu spielen, und zwar
mit Beziehung zum Kloster, wie als Fachmann
in bezug auf praktische Kunstbetätigung, auf das
ganze Milieu eines Kunstbeflissenen unserer Tage.
Das zeigte sich namentlich bei den Aussprachen.
Pfarrer Pfeffer aber erwies sich in dem Vor-
trag wie schon durch die Stuttgarter Ausstel-
lung als eine Vorstandspersönlichkeit, die »noch
mehr als sein hochverdienter Vorgänger, Professor
Dr.Rohr, die Strömedesneuenkünstlerischen
Sehens und Empfindens, modernen Kunst-
wollens und -formens in das teilweise

versandete Bett
christlich er Kunst
der Neuzeit zu lei-
ten bestrebt ist«.
Pfarrer Pfeffer ver-
bindet in der Tat
gründliche kunsthi-
storische Schulung
mit einem aufge-
schlossenen Wesen
gegenüber der kirch-
lichen Gegenwarts-
kunst, und er geht
mit dem Künstler von
heute, sofern dieser
irgend den Zweck re-
ligiöser Kunst wahrt:
Stufenleiter zu Gott
zu sein, sofern die
Kunst sich also auch
orientiert am prakti-
schen seelsorger-
lichen und liturgi-
schenBedürfnisse.
Als wertvollstes
Ergebnis der Tagung
ist der Wunsch der
Beteiligten nach einer Wiederholung solcher Ein-
kehrtage zu buchen. Den Sprecher der Künstler
in dieser Beziehung machte Regierungsbaumei-
ster Architekt Herkommer, der auch sonst
eine Anzahl von Wünschen zum Ausdruck brachte.
Diese Wünsche gipfelten im Bestreben, ernst
gerichteter Gegenwartskunst die Wege vorab zum
Klerus zu ebnen, und zwar auch mit Hilfe des
Diözesankunstvereins. Von diesem wurde ge-
wünscht, er möge seine Blickrichtung mehr der
Gegenwart zuwenden und die bisherige ausge-
sprochene historische Einstellung aufgeben. Wie
schon der Vereinsvorsitzende hervorhob, dürfen
wir das herrliche Erbe der Vergangenheit nicht
vernachlässigen. Das bedeutet aber nicht, daß sich
die Aufgabe des Diözesankunstvereins erschöpfen
soll in der pietätvollen Pflege, Erhaltung und Er-
neuerung des überkommenen Kunstguts, sondern
daß er gegenüber der Gegenwart eine positive
Stellung einnimmt, daß er sie also b e j ah t in ihren
Werten und Forderungen. Das Ziel ist freilich
nicht auf einmal zu erreichen. Die Schulung des
Klerus für die Aufgaben auf diesem Gebiete wurde
bisher schon nachdrücklich betätigt.
Schließlich trat auch noch die Persönlichkeit
des Diözesanbischofs Dr. Sproll ins Blickfeld. Die
Tagung wurde ganz im Einvernehmen mit ihm
veranstaltet. Durch den Vorsitzenden des Diözesan-
kunstvereins ließ er der Versammlung Gruß und
Segen übermitteln, förderte sie auch praktisch:
Architekt Herkommer brachte noch besonders
den Dank zum Ausdruck für den unvoreingenom-
menen Standpunkt des Bischofs gegenüber der
religiösen Kunst der Gegenwart.
Der Tag verklang jeweils in der Komplet mit
ihrem herzbewegenden Ernste in der abgedunkelten
Kirche. In dieser Schlußstunde des Tages emp-
fand der Künstler so recht die Gottesverantwortung
seiner Erdenaufgabe. Es überkam ihn die Vor-
ahnung jener Stunde, da er mit seinem Talente
sich vor dem Ewigen verantworten soll.
Die Komplet war so stets ein Höhepunkt der
Einkehrtage. Da fühlte man sich nicht mehr als
Gast des Klosters; da stand man mit dem Kon-
vente wie in Erwartung des Richters, der so oder
 
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