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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Dieckmann, Aloys: Von zeitgenössischer Münsterscher Bildhauerkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0296

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264 VON ZEITGENÖSSISCHER MÜNSTERSCHER BILDHAUERKUNST


verdienteste Aufmerksamkeit und ließ er-
kennen, daß hier ein Künstler am Werke
war, der eigenwillig neue Wege zu gehen
sich anschickte. Und darin erlebte man
keine Enttäuschung! Der Kontrast in
dem wilden, der Gnade sich entgegen-
stemmenden, aufbegehrenden erschütter-
ten Menschen und die ganze Lieblichkeit
und Milde des sich ihm entgegenneigen-
den göttlichen Kindes kamen in wunder-
voller Gegensätzlichkeit in der Gruppe
zur Darstellung und wurden zu einer ver-
sinnbildlichenden Darstellung des ganzen
Zeitgeistes schlechthin (Abb. S. 264).
Tiefer und tragischer noch erscheint die
Spannung in den folgenden Gestaltungen
desselben Stoffes, reifer auch durch die
stärkere Herausarbeitung des inneren,
geistigen Kampfes in Christoph. Titanen-
hafter ja auch der Mensch von heute,
der über Luft und Erde hinausstrebt,
aber der Stimme des göttlichen Kindes
nur schwer Gehör schenkt! Wie das hier

HEINRICH BÄUMER-MÜNSTER:
MARIÄ VERKÜNDIGUNG. EICHENHOLZ
sein und Erschüttertsein des Christopher in

alles zu einem Spiel zusammenklingt:
die Anmut, Einfalt und Würde des gött-
lichen Kindes, der Trotz, das Ergriffen-
seiner ganzen Haltung und Gestaltung, in

dem Rhythmus auch der wogenden, aufgeregten Linien und dem bewegten Wechsel

von Licht und Schatten, das gibt der ganzen Gruppe ein
reizvolles, ausdrucksstarkes Leben.
So ist Bäumers Sinn immer wieder hingerichtet auf
die künstlerische Verherrlichung ernstester religiöser
Themen und Mysterien. Das Geheimnis der Christnacht,
Christus am Kreuze, das Herz-Jesu, die Immaculata und
Mater Dei, die großen Heiligen des Kirchenjahres: ein
tiefes Bedauern erfaßt einen immer wieder um die Tragik
des christlichen Künstlers von heute, wenn man sieht,
was unsere Künstler zu schaffen vermögen, und welch
ungeheure Summen auch heute noch für süßliche Kitsch-
ware aufgewendet werden. Schon öfters schüttelte man
den Kopf auch vor Bäumers Kruzifixen und ging von
da zum Laden mit Dutzendware. Und doch gehören
gerade die Kruzifixe unseres Künstlers zum Besten, was
zeitgenössische religiöse Kunst zu leisten vermag. Das
Bild des vor kurzem fertig gewordenen großen Kruzi-
fixes für das Priesterexerzitantenhaus der Diözese Osna-
brück bildet den Schlußstein in dieser Reihe (Abb. S. 262
und 263). Es mag dem Leser und dem Betrachter des
Bildes überlassen bleiben, daran die Absichten und die
Gedanken des Künstlers zu erkennen. Man darf bei der
Betrachtung Bäumerscher Kunst eines nicht aus dem Auge
verlieren, wenn man völlig ihm gerecht werden will: Er
steht mit beiden Füßen auf dem Boden seiner westfäli-
schen Heimat, mit ganzer Seele mitten im Volke. Auch als
Künstler ist er dieser seiner Heimat auf das Engste verbun-
den geblieben. Und so werden in seinen Gestalten, die
er immer wieder als Vorstudien und Versuche für seine
Apostel, Hirten, göttlichen und heiligen Figuren formt,

HEINRICH BÄUMER-MÜNSTER:
ST. CHRISTOPHORUS. EICHENHOLZ
 
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