Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 42.1929

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Hallbaum, Franz: Gedanken über Gartenkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0027

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GARTEN-GESTALTUNG

Gedanken über Gartenkunst

I. Gartenkunst und Kunstgeschichte.
Künstler unterer Tage äußern sich nicht seiten skeptisch
über Kunstgeschichte. Sie lehnen das Wissen vom Wesen
und Wandel der Formen ab, als Fessel für ihre Phantasie
und den eigenen Formwillen. Gerade heute mag man
einen solchen Standpunkt erklärlich finden. Das 19. Jahr-
hundert hatte eine falsche Nutzanwendung aus der Kunst-
geschichte gezogen: es war zum Kopisten vergangener
Stile geworden. Seit 1900 aber regt sich auf allen Ge-
bieten künstlerischen Schaffens der Wille zu neuer Form.
Man empfindet daher ein gewisies Reslentiment gegen
die Kunstgeschichte, denn sie hält die Erinnerung an die
„erledigten Stile” wach.
Auch für die Gartenkunst setzt um die Jahrhundertwende
ein neuer Abschnitt ein: die Neuschöpfung des architek-
tonischen Gartens. Jeder unvoreingenommene Beobachter
wird aber zugeben müsten, daß dieser Aufstieg sich in
WechselWirkung mit der Kunstgeschichte angebahnt hat.
Um 1890 kommt die Wissenschaft zu einer positiven
Wertung des Barock, nicht zum minderten auch seiner
Gartenschöpfungen (Wölfflin, Gurlittu. a.). Und fall: gleich-
zeitig ertönt aus dem Lager der Architekten der Ruf nach
dem architektonischen Garten. Mit historischen Beispielen
argumentieren sie und suchen ihren Forderungen für die
Bedürfnisle unserer Zeit Nachdruck zu verleihen. Als
Frucht solcher Bemühungen entliehen der neue Gesellschafts-

park, der Volks- und Sportpark und der neue Bürger-
garten an Haus und Villa.
Das nun ist richtige Nutzanwendung der Kunstgeschichte:
Man erkennt und erfaßt die Prinzipien früherer Garten-
gestaltung, man wendet sie sinnvoll an auf die neuen
Bedürfnisle unserer Zeit. Nicht als Nachahmer treten
unsere Künstler auf wie im 19. Jahrhundert (Linderhof,
Herrenchiemsee), sondern als Schöpfer eines Neuen, Ori-
ginalen. In diesem Sinne müsten wir unsere Leistungen
auf dem Gebiete des Grünflächenwesens werten, mag das
Gestaltungsprinzip auch aus der Vergangenheit übernommen
sein. Nur in Hinblick auf solche Prinzipien gilt der
Satz: es ist alles schon einmal dagewesen. In ihrer sinn-
vollen Übernahme offenbart sich das echte Leben in der
Tradition.
Ich meine allo, gerade der moderne Gartenkünstler kann
ohne Einsicht in die Vergangenheit seiner Kunst nicht
auskommen. Nicht nur aus Gründen seiner künstlerischen
Bildung, sondern auch ganz praktisch in Fällen, wo er
altehrwürdige Denkmäler der Gartenkunst zu behüten
hat. Er muß wissen, in welchem Geiste iie angelegt
wurden, wenn es gilt, sie aus Verwilderung zu neuer
künstlerischer Form erstehen zu lallen.
Es ist daher müßig, auf unserem Gebiete über „Nutzen
und Nachteile der Historie” zu streiten. — Allgemein
gesagt aber: auch der gegenwartsfroheste Mensch wird in


Blick über Planschteich und Volkswiese, Volks- und Waldpark Wuhlheide zu Berlin-Treptow. Gartenarchitekt: E. Harrich.

Gartenkunst, 42. Jahrgang, Nr. 2, Februar 1929.

JLO
 
Annotationen