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Die Gartenkunst — 42.1929

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Derreth, Otto: Die neue Wohnung und ihre Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0035

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Villengarten in Berlin-Dahlem. Entwurf L. Späth, Gartengestaltung, Berlin-Baumschulenweg, bearbeitet von Derreth-Nicki.

Die neue Wohnung und ihr Garten

Wenn man die Bestrebungen, die sich in den letzten Jahren
in der Baukunst immer mehr ausgebreitet haben, betrachtet,
und zum Vergleich daneben diejenigen der Gartenkunst
stellt, so möchte man kaum glauben, daß beide so nah
verwandte, sseh gegenseitig ergänzende Kunstgebiete lind.
Auf der einen Seite ein klares Erkennen der unserer Zeit
gestellten Aufgaben und ein zielbewußtes Fortsehreiten zu
deren Lösung. Auf der anderen Seite ein Festhalten
an überlebtem repräsentativen Formalismus und ein Sich-
verlieren in übersfeigertem Naturempfinden. Vereinzelt
nur die Versuche, den An-
schluß an die vorausgeeilte
Schwesterkunst zu finden.
Über die Bedeutung der
Umwälzung in der jungen
Architektur braucht hier
nicht gesprochen zu werden.
Sie ist jedem Einsichtigen
klar. Seit die Architektur
neue Aufgaben zu erfüllen
hat, hat sie auch die neuen
Formen dafür gefunden.
Die hochentwickelte Tech-
nik hat ihr ungeahnte Mög-
lichkeiten dazu erschlossen.
Sie erstrebt Schönheit in Ein-
fachheit und Zweckmäßig-
keit. Sie ist der Schritt-
macher. Nach ihren künst-
lerischenGesetzenbestimmt
sie alle ihr verwandten Ge-
biete. Auch die Garten-
kunst.
Hier zeigt sich jedoch ein
wesentlich anderes Bild.
Angeregt durch eine weit-
verbreitete , schöngeistig-
schwärmerische Gartenlite-
ratur hat sich ein Kultus
der Pflanze entwickelt, der,
wie erfreulich er als solcher

auch sein mag, doch für die Gestaltung des Gartens
eine Gefahr geworden ist.
Er führt dazu, die Pflanze nur noch mit den Augen des
Natur- und Blumenfreundes zu sehen. Sie ist nicht mehr
Objekt, dienstbar gemacht den raumkünstlerischen Ideen
des Gartengestalters, im Gegenteil. Ihr werden die Ideen
untertan gemacht, ihr zuliebe werden die verschieden-
artigsten Möglichkeiten gesucht und gefunden, ja, oft sind
sie gar nicht durch die jeweils gegebenen Situationen be-
dingt. Es sei hier nur das Kapitel der Stauden- und
Steingärten erwähnt mit all
ihren Abarten, Verirrungen
und Grotesken, wie sie in
den letzten Jahren in Blüte
gekommen sind. Was hierin
im Verein mit ebensolchen
„Landl chaftsgärten” ent-
standen ist, ist nichts ande-
res, als was vor 20 Jahren
dem Gartengestalter die
Kritik und den Vorrang des
Architekten eingebracht
hat. Das Kleid hat sich etwas
geändert, das Wesen ist das-
selbe geblieben.
Man mag hier einwenden,
daß sich in unserem Zeit-
alter der Maschine die Men-
schen mehr als sonst in die
Natur flüchten, um einen
seelischen Ausgleich zum
äußeren Daseinskampf zu
finden. Das darf jedoch
nicht soweit führen, die
raumgestaltenden Gesetze,
denen der Garten ebenso
wie das Haus unterworfen,
unberücksichtigt zu lasien
und sich ins Romantisch-
Kleinliche zu verlieren, den
Garten zu einem Sammel-

Sanatoriumsgarten Dr. St. in N. Entwurf L. Späth, Gartengestaltung,
Berlin-Baumschulenweg, bearbeitet von Derreth-Hammerbacher.


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