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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 4
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Valentien, Otto: Hängende Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0064

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Dachgärten in Villefranche

Orangenterrassen bei Beaulieu


Hängende Gärten
(Hierzu j Reiseskizzen des Verladers)
Im Saftgrün der Toskanischen Ebene flehen die Weiden-
büsche wie Flammen, goldgelb und rot in der Sonne
aufleuchtend.
Ehe wir das Meer erreichen, drängen sseh die Apuani-
schen Alpen, die vorher nur fern als blaue Wand die
Ebene abschlossen, an die Küste. Hinter Spezia, malerisch
an einem Einschnitt des Meeres gelegen, enthüllt sseh
unserm Blick das blaue Meer. Die Berge wachsen steil
heraus, kaum Raum gewährend für die Wohnstätten der
Menschen. Immer wieder muß der Zug durch den Berg.
Fast hundert Tunnels auf der Fahrt nach Genua.
Die Häuser kleben an den Hängen, davor die Gärten,
auf hohe Mauern gestützt, manchmal auf Betonpfeilern
vorgebaut. Jedes kleine Fleckchen Erde ist ausgenutzt, an
den Bergeinschnitten und Flußläufen liegen die größeren
Ortschaften. Mehrstöckige Häuser an schmalen Gassen.
Die Berge nackt, keine Erde auf dem harten, schlecht
verwitternden Gestein. Nur Kiefern, klein und struppig,
und dorniges Strauchwerk halten sseh in den Ritzen der
zerklüfteten Hänge. Aber unten am Fuße der Berge sehen wir
fruchtbare Gärten, die sseh wie Kränze um die Orte legen.
Unter unerhörten Schwierigkeiten und mit geradezu phan-
tastischen Mitteln werden die Abhänge der Berge terras-
siert und bewohnbar gemacht, die Gärten oft viadukt-
artig durch Betonpfeiler gestützt. Material und Erde wer-
den in halsbrecherischer Weise aufgebracht.
Und nach Jahren fast tropischen Wachstums ragen Pal-
men in den tiefblauen Himmel; Mimosen und Eucalyptus-
bäume flehen neben fruchtbehangenen Orangen und Zi-
tronen. Das Silbergrau der Olive breitet einen neutralen
Unterton unter das dunkle volle Grün der meist immer-
grünen Gewächse. Die Küstenstriche Italiens und Frank-
reichs, die man heute mit dem klingenden Namen „Ri-
viera” bezeichnet, waren einst kahle, unfruchtbare Ufer.
Erst der unermüdliche Fleiß der Menschen hat durch die
Bearbeitung des Bodens und die Einführung südlicher
Gewächse die Bedingungen geschaffen, unter denen sseh
hier ein großer, immer blühender Garten entwickeln
konnte. In großen Behältern wird das Wasser von den
Bergen gesammelt, damit in den regenarmen Sommer-
monaten, in denen die Sonne die südlichen Hänge ausbrennt,
auch dieses so wichtige Lebenselement nicht fehlt.
Wie in anderen Ländern, so ist auch in der Riviera am
Ende des verflossenen Jahrhunderts im Hausbau und in der
Anlage der Gärten viel gesiindigt worden. Aber während
sseh die nordischen Völker von den Mißverständnissen
gestriger Baukunst freigemacht haben, wird hier im alten
Stil weitergebaut. Die hervorragenden alten Vorbilder sind
für den modernen Architekten nicht da. Diese alten, köst-
lich klaren Bauten, die wie gewachsen in der Landschaft
stehen, werden immer seltener. Ihr ganzer Schmuck liegt
in den wohlausgewogenen Verhältnissen der Flächen und
Körper, in den so selbstverständlich aus dem Organismus
herausentwickelten Tür- und Fensteröffnungen. Zu den
meist hell getünchten Wänden grüne oder graue Fenster-
läden. Die Schönheit dieser Bauten liegt im Fehlen jeg-
lichen Schmuckes. Und wie herrlich in dieser Einfachheit
die alten Tonvasen in den ummauerten Höfen. Auf den
 
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