Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 42.1929

DOI Heft:
Sonderheft Bremen
DOI Artikel:
Roselius, Christian Heinrich: Geschichtliche Entwicklung des Bremer Bürgergartens
DOI Artikel:
Behrendt, Walter Curt: Die Form unserer Zeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0235

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wie teilweise anderwärts eine Folgeerscheinung des Krieges
mit seinen Ernährungsnöten, sie sind hier vielmehr schon
seit Jahrzehnten beliebt und werden noch neben den
eigentlichen Hausgärten eifrigst gepssegt.
Auch neben den vorhandenen alten Landgütern sind in
den letzten Jahrzehnten neue entstanden, in ihnen ist,
wenn die Größe es zuläßt, eine englische Stilpartie nicht
verpönt. Aber die Blumen kommen in Rosen- und
Staudengärten, die sseh teilweise den Landhäusern anglie-
dern und teilweise an rechter Stelle in den Park einge-
bettet sind, zu ihrem Recht.

Die auf Seite 14 bis 16 wiedergegebenen Ansichten aus
solchen neuern Gärten lallen erkennen, daß man in Bremen
nicht auf diesem Gebiete hinter andern Städten zurück-
steht; sie lallen im Gegenteil erkennen, daß lieh in der
Bremer Bürgerschaft — vielleicht in gewissem Gegensatz
zur Einstellung der Vorfahren, soweit man darauf aus
den geschichtlichen Belegen schließen darf — nicht nur
eine rege Gartenliebhaberei, sondern ein tiefes Verständ-
nis für Gartenkultur und künstlerische Gartengestaltung
entwickelt hat und ortsansässige Kräfte zu dessen Be-
friedigung zur Verfügung flehen.

Die Form unserer Zeit

Von Ministerialrat Dr. Ing. W. C. Behrendt, Berlin.

Auch diejenigen unter meinen Zuhörern, die sich öfter
in Paris aufgehalten haben, werden vermutlich die
Place de Breteuil nicht einmal dem Namen nach kennen.
Dieser Platz, der nicht zu den bekannten oder gar be-
rühmten Pariser Plätzen zählt, stellt einen modernen
Sternplatz dar, mit den gewohnten Fehlern und Un-
gereimtheiten eines solchen. Aber er bildet gleichwohl
einen städtebaulich sehr interessanten und anziehenden
Punkt: hier schneiden sich nämlich mit mehreren anderen
unbedeutenden Straßen zwei große Avenuen, in deren
Schnittpunkt sich ein über-
raschender und ungemein fes-
selnder Ausblick auf zwei der
berühmtesten Bauwerke von
Paris bietet. Von diesem
Blickpunkt gesehen, erschei-
nen Invalidendom und
Eiffelturm auf einer Seh-
ebene (Abb. S. 17/18). Invali-
dendom und Eiffelturm: An-
tithese zweier Stilrichtungen,
zwei Pole der modernen Stil-
entwicklung, in deren Ver-
lauf die Form unserer Zeit
zur Wirklichkeit geboren
wird.
Der Invalidendom, —voll-
endet um 1700 — Frühwerk
und Meisterschöpfung Jean
Hardouin Mansarts, vollen-
detes Musterbeispiel klasfizi-
stischen Baugeistes: auf brei-
tem, massigen Unterbau von
würfelförmiger Gestalt steigt
ein hoher, schlanker Tambour
auf, über den sich eine ele-
gante Kuppel von strengem
Umriß wölbt. Ein klarer, ein-
facher Aufbau von edlem
Gleichmaß, gegliedert und
geschmückt mit einem Detail,
das dem überlieferten Bestand
antiker Kunstformen entlehnt
ist: mit Säulen aller histori-

schen Ordnungen, mit Pilastern und Giebeln, Gebälken
und Simsen. Ein Bauwerk echt klassizistischen Geistes und
echter Ausdruck der Gesellschaft, für die er erbaut ist. Der
Klassizismus schafft die architektonische Folie für jene Ge-
sellschaft, in deren geistigem Mittelpunkt der Absolutismus
fleht, die Idee der Selbstherrschaft mit ihren zentralisieren-
den Tendenzen. Denken Sie, um sich den gesellschaftlichen
Untergrund zu vergegenwärtigen, auf dem die klasfizisti-
sche Baukunst entstanden und gewachsen ist, an eine An-
lage, wie Schloß und Park von Versailles. Mit seiner
repräsentativen Architektur,
mit seinen Axenbeziehungen,
den Alleen und Plätzen seiner
Gärten, mit seinen Perspek-
tiven und Points de vue ist
diese Anlage ein überzeu-
gendes Symbol jener Gesell-
schaft.
Mit Anlagen dieser Art hat
der Klassizismus die Welt er-
obert und mit Kunstmitteln,
wie sie hier im großen Stil
zur Anwendung gebracht sind,
hat er in der Folge immer
wieder als Vorbild trium-
phiert : in der Architektur, im
Städtebau und in der Garten-
kunst, — und zwar lange
noch, nachdem die Gesell-
schaft, zu der er gehört, in den
Stürmen der französischen
Revolution zu Grunde ge-
gangen war, nachdem die
soziologischen Bindungen, mit
denen er verknüpft ist, längst
zerrissen waren. Seine ästhe-
tischen Ideale, von den Aka-
demien gehütet, in Gesetz
und Regel gebracht und zu
unfehlbarem Dogma erhoben,
üben, von Generation auf
Generation vererbt, noch bis
in die Gegenwart hinein
ihre Herrschaft. Schon längst


Invalidendom zu Paris

Gartenkunst, Sonderheft Bremen

2
 
Annotationen