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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 9
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Seifert, Alwin: Gedanken über bodenständige Gartenkunst
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Grünplanung und Sondergärten auf der Ausstellung "Wohnung und Werkraum" in Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0140

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Man kann.behaupten, daß der bewußten Gartensehöpfungen
früherer Kunstzeitalter zu wenige waren, als daß an
ihnen die Entwicklung bis zu dem eben bezeichneten
Ziel hätte sortschreiten können; das spätere neunzehnte
Jahrhundert scheidet für unsere Betrachtungen überhaupt
aus, und wir selbst slehen noch in den Anfängen einer
neuen Entwicklung, die, ohne einen Richtungsweiser, sehr
in Gefahr ist, zwischen Gegenpolen modischer Strömungen
hin und her geworfen zu werden. Ihr eine große Linie
zu weisen, den Weg vom Generellen zum Typischen,
von der Allerweltsform zur innerlichsten Blüte abkürzen
zu helfen, ist das Ziel meiner Überlegungen.
Zu bodenständiger Gartenkunst führt sinnvolle Anwen-
dung der gleichen Leitworte, wie sie die neue Baukunst
für sich in Anspruch nimmt: Wirtschaftlichkeit, Sachlich-
keit, Normung; plan- und verstandesmäßig und streng
wissenschaftlich läßt sich die erste Forderung erfüllen:
„Bodenständig ist im Gart en jede Pflanze,
die auf dem angestammten Boden bestes
Gedeihen findet.”
An Einfühlungsfähigkeit und Willen zugleich aber wen-
det sich der zweite Satz:
„ Bodenständig ist jener Garten, der aus
einersolchenAuslesebodenständigerPflan-
zen besteht, daß er in natürlichem und
künstlerischem Einklang mit seiner Umge-
bung sleht.”
Mit diesen beiden Sätzen stelle ich ein Programm auf,
das als das einzig richtige anzusehen ich kein Recht habe;
doch kann ich ihm Beachtung verschaffen, wenn es mir
gelingt nachzuweisen, daß der so umrissene bodenständige
Garten der wirtschaftlichste ist und der erfolgsicherste.
Die Gesamtzahl der uns zur Verfügung slehenden Garten-
pflanzen ist unübersehbar groß. Kein Gewerbezweig ver-
fügt über eine solche Fülle des Werkstoffs als die Land-
schaftsgärtnerei; keiner aber hat ihn so ungeordnet, so
wenig auf Verwendbarkeit gelichtet. Das Baugewerbe
kennt Eigenschaften und Verwertungsgrenzen seiner Roh-
stoffe genau und ist daran alle neu entstandenen Baustoffe
scharf und übersichtlich zu prüfen. Die Landwirtschaft
hat alle Ralsen ihrer Kulturpflanzen in wissenschaftlich
mustergültiger Weise durchgeprobt und kann für jeden
Landstrich die geeigneten Sorten Getreide, Kartoffeln,
Rüben und Futtergräser bestimmen. Selbst der Obstbau
ist in einzelnen Gegenden so durchgeschult, daß jedem
Züchter angegeben werden kann, von welchen Sorten er
sichere Erträge bekommt. Gewisse empirisch gewonnene
Grundlagen hat wohl jeder gut geleitete Erwerbsgarten-

baubetrieb, der sich mit ihrer Hilfe Stetigkeit des Erfolgs
sichert. Die Landschaftsgärtnerei hat, genau genommen,
nichts Derartiges, oder wenigstens nicht viel mehr als die
mühsam und verlustreich gewonnene Erfahrung des ein-
zelnen Gärtners, die mit ihm ins Grab sinkt. Die Hundert-
tausende von Pflanzen, die Jahr um Jahr in unseren
Gärten zugrunde gehen oder freudlos dahinkümmern,
nur weil nicht die rechte Art an den rechten Ort ge-
pflanzt war, sie bedeuten einen so großen Verlust an
Volksgut und mehr noch an Gartenfreude, daß man
darin eine Harke Hemmung in der weiteren Ausbreitung
lebendiger Gartenkultur sehen muß.
Wenn Gartenpflege Gemeingut werden soll, muß sie ein-
fach sein und sicher. Das ist sie natürlich, wenn sie sich
auf die gangbarsten, überall erprobten Gewächse beschränkt;
die volle, dem Wesen des Begriffs „Garten” entsprechende
Auswertung des gesamten angebotenen Werkstoffs ist nur
möglich, wenn dem Fachmann und Liebhaber „Normen-
listen” zur Verfügung slehen, die ihm knapp, aber ein-
wandfrei angeben, was alles er mit sicherer Aussicht auf
Erfolg in seinem Garten und gerade in seinem besser
als irgendwo anders ziehen kann. Freilich enthalten unsere
Stauden- und Gehölzbücher Angaben über Boden- und
Standortsansprüche, aber den Anforderungen einer ver-
antwortlich geführten Praxis genügen sie nicht. Die
klimatischen und Bodenverhältnisse der deutsehen Gärten
sind so vielfältig und verschieden, daß jede Kulturanweisung,
jede irgendwo gemachte Erfahrung nur für ein beschränktes
Gebiet Gültigkeit hat. Es paßt nicht in unser Jahr-
hundert der Planwirtschaft, daß in einem Wissenszweig
von solcher Bedeutung, wie es der Gartenbau ist, jeder
Fachmann und jeder Laie genauere Kenntnis des Werk-
stoffs sich nur durch eigene vieljährige Erfahrung erwerben
kann, ohne sie je völlig erschöpfen zu können. Rascher
Fortsehritt ist nur möglich, wo das gesamte Wissen, die
ganze Erfahrung aller Vorgänger klar und übersichtlich
jedermann zur Verfügung steht. Und wir haben Wege
uns dieses Wissen geordnet zu verschaffen, ohne daß wir
erst für jede Gartenpflanze langjährige Versuchsreihen
anstellen müßten.
Zur Gewinnung solcher Normenlisten ist erforderlich
die genaue Bestimmung der Wachstumsmöglichkeiten in
jeder einzelnen Gartenlage und die ebenso genaue Fest-
legungder Wachstumsbedingungen aller Gartenpflanzen.
Jeder Garten gehört auf Grund seiner örtlichen Lage zu
einem Klimagebiet mit genau bekannten Sommer- und
Wintertemperaturen, Niederschlagsmengen, Windrichtun-
gen. (Fortsetzung folgt)

Grünplanung und Sondergärten
auf der Auskeilung „Wohnung und Werkraum" in Breslau

Der Gedanke, im Ollen eine Ausstellung „Wohnung und
Werkraum” durchzuführen, beschäftigte die Architekten-
welt schon seit mehreren Jahren, konnte aber auf Grund
wirtschaftlicher und örtlicher Schwierigkeiten erst in diesem
Sommer zur Ausführung gelangen. Fall schien es, als ob der
lange und strenge Winter auch für 1929 das Zustandekommen
und die Fertigstellung der Ausstellung vereiteln würde. Die
von allen beteiligten Stellen eingesetzte Energie hat sie

aber doch zur Vollendung gebracht. Am 15. Juni konnte
sie in Gegenwart des Reichsministers von Guerard und
Wohlfahrtsministers Hirtsiefer in der Jahrhunderthalle er-
öffnet werden (Lageplan Seite 133).
Betont muß werden, daß die Ausstellung nicht etwa eine
provinzielle oder lokale Ausstellung war, sondern sie gab
auf allen Gebieten dem Bau- und Verwaltungsfachmann,
dem Handwerker, dem Landmann, dem Gartenfachmann,

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