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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 11
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Seifert, Alwin: Gedanken über bodenständige Gartenkunst [1]
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Die Möglichkeit der Verwendung von Pflanzungen beim Bau
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0186

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Gehört die in vorstehenden Beispielen kurz umrißene
äußerlich-formale Angleichung eines Gartens an seine
Umgebung noch zu den allgemein künstlerischen Voraus-
setzungen eines guten Gartenbildes, so erschöpft sielt der
Begriff „bodenständige Gartenkunst” ersl in der letzten
Auslese nach dem innerlichen Gehalt unserer Garten-
pflanzen, in erster Linie der Gehölze, an gemütischen
und geistigen Werten. Unter gemütlichem oder seelischem
Wert eines Baumes oder Strauches möchte ich das ge-
fühlsmäßig empfundene Vorstellungsbild verstanden wis-
sen eines feinnervigen Beobachters, der diese Pflanzen
von vielen Orten her, vor allem aber im ursprünglichen
Heimatgebiet genau kennt. Die Welt „Fichte” kann

nicht erfaßen, wer den Baum nur aus Gärten oder schul-
mäßig aufgepflanzten Forsten kennt; der Begrisf „Tanne”
wird nur erlebt in den Vogesen, im Schwarzwald, im
Böhmerwald, und um das sonnenhungrig - freiheitliche
Wesen der Lärche wirklich zu ergründen, muß man ihre
lichten Haine und einsamen Vorposten in den Alpen ge-
seiten haben. Zu solchem erfühlten Bild loll der geistige
Vorstellungswert treten, entstanden aus dem rein bota-
nischen Willen um ursprüngliches Vorkommen, Grenzen
heutiger und einstiger Verbreitung, unerläßliche Wachs-
tumsbedingungen, Änpassungsbreite, Art und wechselnde
Zusammensetzung der Begleitflora an den verschiedenen
Standorten. (Schluß folgt.)

Die Möglichkeit der Verwendung von Pflanzungen beim Bau
neuzeitlicher Autoltraßen
Von Landesoberbaurat Becker-Kassel

Über die brennend gewordene Frage der Bepssanzung unserer Land-
straßen im Zeichen des Kraftwagenverkehrs habe ich zum erstenmal
im Jahre 1926 gelegentlich der Gartenbauausstellung in Dresden im
Fachausschuß für Obstbau des Reichsverbandes des Deutschen Garten-
baues referiert. Ich habe in dieser Versammlung, die sseh fast aus-
schließlich aus Obst-Fachleuten zusammensetzte, nicht den Resonanz-
boden gefunden, den ich brauchte, um das Thema so zu diskutieren,
wie es nach Maßgabe der Verhältnisse allein diskutiert werden konnte.
Schon der Gedanke, daß ein Aufgeben der Obstbaumpflanzungen an
den Landstraßen in Betracht kommen könnte, nahm die Gemüter so
gefangen, daß es nicht möglich war, die Frage zu erörtern, was ge-
schehen solle, wenn in dem einen oder anderen Falle das Aufgeben
von Obstalleen erforderlich sei und ob in allen Fällen an den heutigen
Landstraßen der Obstbau noch zu propagieren sei. Die Versammlung
konnte sseh nicht von dem Gedanken losringen, daß der Obstbau an
der Straße überhaupt gefährdet sei. Der Reichsverband hat infolge
meines Referats eine Umfrage bei Gartenbaubeamten, bei Interessenten
des Kraftverkehrs und bei Straßenbauverwaltungen gehalten und hat
das Ergebnis dieser Umfrage von Herrn Landwirtschaftsrat Illing in
Chemnitz auswerten lallen. Die Bearbeitung von Illing zieht den
Schluß, daß die Baumalleen in ihrer bisherigen Gestalt zu erhalten
seien. Das Illingsche Gutachten ist wiederum dem Fachausschuß für
Obstbau des Reichsverbandes des Deutschen Gartenbaues in seiner
Sitzung im September 1929 in Ravensburg vorgelegt worden. Ich
habe zum zweitenmal über die Angelegenheit referiert vor dem Sonder-
aussehuß für Obstbau der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft gelegent-
lich einer Tagung am 14. Oktober 1928 in Heidelberg. Der Sonder-
aussehuß der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft hat lieh zu meinem
Standpunkt bekannt, daß die Zukunft der Obstalleen an unteren Land-
straßen zum erheblichen Teil tatsächlich gefährdet sei. Es wurde in
der Diskusfion darüber verhandelt, welche Wege zu gehen seien, um

Wenn wir das Problem der Straßenbepflanzung behandeln
wollen, so müßen wir rückblickend beachten, daß lieh die
derzeit übliche Bepflanzung im Laufe von Jahrhunderten
entwickelt hat, und zwar in früheren Zeiten nach dem
Bedürfnis des Verkehrs, im letzten Jahrhundert, als die
Landstraßen ihre Bedeutung verloren hatten, nach Gesichts-
punkten, die keineswegs den Intereßen des Verkehrs ent-
sprachen, denn man wird nicht behaupten können, daß
Obstbaumpflanzungen an den ößentlichen Straßen für den
rollenden Verkehr von irgendwelchem Vorteil gewesen
sind. Veranlaßung für die Obstbaumpssanzung waren viel-
mehr allgemeine wirtschaftliche Gesichtspunkte.
Mit zunehmendem Ausbau des Eisenbahnnetzes verödeten
die Landstraßen, auf ihnen spielte sich nur ein lokaler Ver-
kehr ab. Man hatte vielfach die Empfindung, daß die er-
heblichen Flächen, die als Unland dem Verkehr gewidmet
waren, nicht hinreichend wirtschaftlich genutzt würden.

den kommunalen Obstbau an den Straßen nach Möglichkeit auch fernerhin
zu erhalten. Jedoch war man sich darüber einig, daß er in seiner
bisherigen Form an vielen Stellen unserer Landstraßen nicht zu erhalten
sei. Man kann im Zweifel sein, ob es zweckmäßig ist, diese Frage über-
haupt vor Versammlungen von ausschließlich Obst-Fachleuten zu erörtern,
da allein die geistige Einstellung einer solchen Versammlung schon das
Problem grundsätzlich nach einer bestimmten Richtung, nämlich nach
der Bepssanzung mit Obstgehölzen hin, festlegt. Die Erörterung der
Bepssanzung mit Obstgehölzen kann aber naturgemäß erst dann ein-
setzen, wenn die generelle Bepflanzungsfrage bejaht ist. Im vorliegenden
Falle standen aber andere Fachorganisationen, die geeignet waren, zu
dieser Frage Stellung zu nehmen, überhaupt nicht zur Verfügung, da
die Gartenarchitekten, die, wie sich aus meinen späteren Ausführungen
ergeben wird, in dielen Fragen künftighin ein entseheidendes Wort
zu sprechen haben, bis heute sich dieser wichtigen Zukunftsaufgabe
noch nicht bewußt geworden sind. Auf der anderen Seite war es um
so mehr angebracht, die Frage gerade vor Obst-Fachkollegien zu be-
handeln, weil im Straßenobstbau bedeutende Summen investiert sind
und weil alles daran gesetzt werden muß, ehe man diese Summen
preisgibt und vor allem, ehe man die Möglichkeit der Obstproduktion
an der Straße preisgibt, zu prüfen, ob nicht die Obstproduktion an
der Straße künftighin in einer anderen Form als heute beibehalten
werden kann. Die Versuche der Obst-Fachleute, diesem Gedanken
gerecht zu werden, sind bisher mißlungen. Vor allen Dingen betrachte
ich die Ausführungen von Illing, der unter Ablehnung jeglicher neuer
Gesichtspunkte den Obstbau an der Straße in der bisherigen Weise
nicht nur weiter betreiben, sondern sogar noch intensivieren will,
für völlig abwegig. Wir slehen in bautechnischer und verkehrstechnischer.
Hinsicht vor einer vollständigen Revolutionierung unserer Landstraßen,
und diese Revolutionierung wird unbekümmert um alle sentimentalen Er-
wägungen auch unsere Bepssanzungstechnik in erheblichem Maße ändern.

So entstand der Gedanke, die bisherigen Wildbaumpssan-
zungen in Obstbaumpssanzungen umzuwandeln. Wie schon
oben erwähnt, entsprachen diese Pssanzungen den Bedürf-
nissen des rollenden Verkehrs keineswegs und auch in
früheren Zeiten wurde namentlich seitens der Landwirt-
schaft und auch seitens der Militärverwaltung über die
Unzweckmäßigkeit der Obstbaumbepssanzung geklagt, weil
sie mit ihren sperrigen Bäumen den Verkehr behinderte.
Man behielt sie bei, weil die wirtschaftlichen Belange der
Obstbaumpflanzung damals wichtiger erschienen als die
Belange der Beschwerdeführer. Es ist nicht zu bestreiten,
daß die bisher geübten Bepflanzungen ein wesentliches
Motiv in unseren Landschaftsbildern geworden sind, und
daß weite Kreise der Bevölkerung an den ihnen liebge-
wordenen Landschaftsbildern und sonstigen angenehmen
Vorteilen, die ihnen die Obstbaumpssanzungen bieten, fest-
halten wollen. Man darf jedoch diese Frage nicht allein aus
 
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