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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 12
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Seifert, Alwin: Gedanken über bodenständige Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0199

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Gedanken über bodenständige Gartenkunst
Von Alwin Seifert, Architekt BDA, München.

(Schluß)

Dieses Willen und Fühlen müßte sich auf die ganze an
einem Gartenort heimliche Flora erstrecken, und wenn
man es ganz ernst nimmt, dürfte man überhaupt nur mit
solchem Rüstzeug versehen es wagen, irgendwo in einer
Landschaft einen größeren Garten oder gar einen Park an-
zulegen. Denn jedes Stück Land ist das Ergebnis einer
vieltausendjährigen Entwicklung unter ehernen Gesetzen;
sein augenblicklicher Zustand ist ein Gleichgewicht viel-
fältiger Beziehungen, das sofort gestört wird, sobald der
Boden unter andersartige Kulturbedingungen kommt, ohne
daß sofort zu ersehen wäre, nach welcher Richtung hin
das Gleichgewicht sich verschiebt. Ist es nicht Vermessenheit,
mit Schulwillen und selbstherrlichen Gestaltungsvorstellun-
gen auf solchem Fleck Erde einen Garten zu setzen und
zu meinen, man könnte Bestand und statt des natürlichen
ein künstliches und künstlerisches Gleichgewicht erringen?
In seinen Glashäusern geht dem Gärtner leicht das Be-
wußtsein der Begrenztheit seiner Möglichkeiten gegenüber
der großen Meisterin Natur verloren, das Landwirt und
Forstmann noch haben. Zur Einstellung dieser letzteren
muß auch die bodenständige Gartenkunst lieh bekennen.
Sie soll ihren Ausgang nehmen von der ursprünglich an
einem Gartenplatz vorhandenen Flora, muß aus ihr je
nach der Aufgabe, die erfüllt werden soll, die passenden
Leitpflanzen herauswählen, zu ihnen die ökologisch und
ssorengeschichtlich richtigen Begleiter hinzunehmen und
das so gewonnene Gerüst ausfüllen aus den Beständen
der Normenlisten, soweit sie der Auslese nach den oben
ausgeführten Grundsätzen standhalten und schließlich auch
dem Gefühlswert der angestammten Leitpflanzen sich ein-
fügen. All dieses Füllwerk muß des gleichen Geistes sein
wie die eingeborene Pflanzengesellschaft, muß gerade der
besonderen Eigenart des Landschaftsbildes entgegenkom-
men und es in seiner Eigentümlichkeit noch steigern, nicht
aber zum Landesüblichen verwässern. Ein Beispiel möge
das Wie dieser Arbeitsweise erläutern.
Nach dem in einem früheren Abschnitt erwähnten Ver-
schwinden der Eichenwälder auf den Schotterterrassen des
Alpenvorlandes ist heute die Fichte vom Gebirge bis zu
den Grenzen der eiszeitlichen Ablagerungen überall
heimisch und könnte als Leitpflanze etwa einer Park-
anlage in diesem Gebiet verwendet werden mit der
Sicherheit, daß die auf ihr aufgebaute gartenkünstlerische
Schöpfung sich harmonisch in die Landschaft einfügt.
Das Bild ihrer vollkommensten Schönheit zeigt die Fichte
auf kurzgrasigen bergigen Matten, aus denen vereinzelte
Felsen von Kalkstein oder Nagelfluh hervortreten; locker
gehäuft, bis zum Boden dicht benadelt steht sie dort in
mannigfachen Wuchsformen, begleitet von Jungpflanzen
ihrer Art, die vom Vieh verbissen wie geschoren aus-
sehen, von Zwergwachholder und niedrigem Sauerdorn,
von Büschen der Alpen- und der Hechtrose. An andern
Orten treten je nach Bodenform und -art, Untergrund
und Feuchtigkeit zu ihr Rotbuche und Geisblatt oder
Wachholder und Birke oder Sanddorn und Fohre oder
Lärchen, Legföhren und Almrausch oder Birken, Krumm-
holz und Hakenkiefern. Es leuchtet ein, daß die folge-

richtige Ausarbeitung dieser Themata zu Werken grund-
verschiedener Art führen muß; doch wie ein Orgelpunkt
zieht sich der Grundton „Fichte” durch alle Melodien
und Variationen und hält sie zusammen mit der um-
gebenden Natur. In allen diesen Kompositionen läßt
sich die Fichte aus dem freien, ungebundenen Stand über-
führen in die haushohe Wand und in Hecken jeder
Größe, nicht aber in die Allee; hierzu eignen sich in
ihrer Nachbarschaft am ehesten Lärchen und Birken.
Hecken aus Rotbuchen und Legföhren verbinden sich gut
mit ihr. Von Blumen verträgt sie in ihrer Nachbar-
schaft nur gewisse Wildstauden: Primula elatior, farinosa;
Gentiana verna, Clusii, lutea; Aconitum Napellus; Senecio
alpinus; Veratrum album; vorzüglich viele Klein- und
Spaliersträucher: Polygala Chamaebuxus, Vaccinium, Rho-
dodendron, Arctostaphyllos, Cotoneaster, Daphne. Zu
allen straff geformten Gartenteilen und allen Blumen-
beeten müssen von ihr aus überleiten Hecken aus Fichte
oder Rotbuche.
Da die Fichte dort, wo sie heimisch ist, schöner ist als
jeder andere Nadelbaum, sind in ihrem Gebiet alle Koni-
feren entbehrlich mit Ausnahme einiger weniger, die das
Thema Fichte in künstlerisch erträglichen Grenzen ab-
wandeln und ergänzen: Picea excelsa f. alpestris, omorica,
nigra, orientalis, und auch diese letztere könnte wohl
durch Vermehrung einheimischer feinnadeliger Spielarten
der Fichte selbst ersetzt werden, die zudem den Vorteil
vollkommenster Winterhärte besäßen.
Art und Grenzen der Zuordnung anderer Begleitpflanzen
sind durch mancherlei gefühlsmäßig erschlossene oder
wissenschaftlich erhärtete Gesetze bestimmt.
Taxus braucht als Vermittler zur Fichtennachbarschaft
die Rotbuche; er tritt in unserem Gebiet auf als Unter-
holz im Fichten-Buchen-Mischwald und nur in einem
nördlich und südlich scharf begrenzten Streifen am Alpen-
fuß. Er kann über diesen wohl hinausgebracht werden,
aber nicht ohne schwerste Gefährdung durch Ausnahme-
winter wie den letzten; innerhalb des natürlichen Ver-
breitungsgebietes sind Eiben völlig unversehrt geblieben
an Stellen, die der Wintersonne und dem Föhn ganz
ungewöhnlich ausgesetzt sind.
Ein etwas breiteres Gebiet ursprünglichen Vorkommens
besitzt im südlichen Oberbayern die Tanne; sie ist dem
Buchenmischwald vergesellschaftet wie die Eibe, erreicht
aber hier, wo sie nicht typisch ist, nirgends die Schön-
heit der Fichte und ist also entbehrlich. Der letzte Winter
zeigte, daß auch sie und ihre Verwandten nicht ohne Ge-
fahr ihres Lebens in das eigenartig völlig tannenleere
Gebiet eingebracht werden können, das etwa kreisförmig
von südlich München bis zur Donau, vom Lech zum Inn
sich erstreckt.
Auch die Rotbuche hat ihre Nordgrenze bereits südlich
von München, wo sie scharf ausgeprägt beinahe in ge-
rader Linie nach Ostsiidosten zieht; sie fällt genau zu-
sammen mit einer der Grenzlinien in Hiltners phäno-
logischer Karte von Bayern. Über sie hinaus kann man
Buchen mit Erfolg anseheinend nur noch im Gebiet der
Eiszeitsehotter pflanzen. Ich versuchte einmal mit einer

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