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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 11
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Vom Frankfurter Palmengarten
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Seifert, Alwin: Gedanken über bodenständige Gartenkunst [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0183

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als mancher wohl heute ahnt. Der Abstieg, den der Palmen-
garten in Leipzig und die Flora in Köln wirtschaftlich
und inhaltlich in dieser Hinsicht genommen haben, sollte
doch den für die Zukunft des Instituts verantwortlichen
Instanzen zu denken geben.
Wir aber glauben an diese Zukunft und finden auch nach
jahrelanger Beobachtung der Dinge keine Ursache, uns
diese Zuversicht schwächen oder rauben zu lallen. Damit
diese Zukunft sich aber erfülle, gilt es, dem Palmengarten
die Verbindungen zu verschaffen, die zum weiteren Auf-
stieg eben unerläßlich sind.

Im Gespräch mit Frankfurter Bürgern und Besuchern über
den Palmengarten erfreut mich immer eins: Das ist die
gemeinsame Sorge um die Zukunft. Sie wird getragen
von der Liebe zu seinem hauptsächlichen Inhalt, der Blume
und Pssanze in vielfältiger Gestalt. Und da ist mir ein Ge-
danke gekommen: Wie wäre es, wenn diese Liebe sichprak-
tisch erweist, wenn wir, die wir gleichen Sinnes sind, eine Ver-
einigung der Freunde des Palmengartens bilden würden?
Nun, ich darf verraten: kaum war dieser Gedanke ge-
legentlich ausgesprochen, da waren schon die ersten zur
Mitgliedschaft bereit! Vivant sequentes! Bromme.

Gedanken über bodenständige Gartenkunst

Von Alwin Seifert, Architekt BDA, München.

(Fortsetzung v. S. 132)

Er stellt mit seiner besonderen Bodenbeschaffenheit, Him-
melslage, Besonnung, Bewässerung einen Ausschnitt dieses
Klimagebiets dar, für den die wisienschaftliche Pssanzen-
kunde jene Wildpssanzen nennen könnte, die dort be-
sonders gut gedeihen würden, jene, die gut fortkommen,
wenn man sie vor dem Wettbewerb mit anspruchsloseren
schützen kann, dann jene, die unter gewissen Voraus-
setzungen dank ihrer Anpassungsbreite sicherhalten könnten,
und schließlich jene, die bei aller Pssege doch nur kümmern
würden oder eingingen.
Jede unserer Wildpssanzen hat ihr ganz bestimmtes, na-
türlichesVerbreitungsgebiet; von den Allerweltsunkräutern,
die überall ihr Fortkommen finden, bis zu den seltenen
Wildblumen, die nur an einzelnen Stellen gedeihen, gibt
es alle Übergänge. Bodenständig wird man nur jene
nennen, die allein, ohne künstliche Hilfe, sich über Gene-
rationen an ihrem Standort behaupten können; dabei ist
es wohl möglich, daß der Mensch sie in bisher nicht von
ihr bewohnte Gegenden verbringen kann, sei es durch
unabsichtliche Verschleppung, sei es in wohlerwogener
Kenntnis ihrer Anforderungen, und daß sie dort völlig
heimisch werden, wie etwa die Tanne im ozeanischen
Nordwesten Deutschlands und in Nordfrankreich. Ähn-
liche Standortsvoraussetzungen und Bodenansprüche brin-
gen alle aus dem Ausland eingeführten Arten mit, und
verborgen ruhen sie auch in künstlich erzeugten Abarten
und Blendlingen.
Was Ökologie und Pssanzengeographie für die Wildflora
geschaffen haben, müssen wir für den Gartenbau auch
bekommen. Die Grundlagen gibt uns die Phänologie,
jene Wissenschaft, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, die
unter dem Einfluß der Jahreszeiten wechselnden Erscheinun-
gen des Pssanzen- und Tierlebens zeitlich zu verfolgen.
Ihr Arbeitsergebnis sind Karten, die nach Zonen gleich-
zeitiger Wachstumserscheinungen — Blattaustrieb, Blüte,
Reife gewisser Pssanzen — aufgestellt sind. Selbst heute,
wo die Phänologie noch in den Anfängen steckt, sind
ihre Erfolge erstaunlich. So wies Ihne auf Grund seiner
Karte des Frühlingseinzugs in Hesten nach, daß Weinbau
und Feldgemüsebau nur in den ersten beiden Zonen seiner
Einteilung mit Erfolg betrieben werden kann, daß Zucker-
rüben nur in den ersten drei Zonen gebaut werden und
ihr Zuckergehalt in Zone 3 um 7 % geringer ist als in
Zone 2, daß Frühkartoffelbau nur in Zone 1 bis 4 wirt-
schaftlich ist. Die Phänologie kann angeben, daß der
Gravensteiner Apfel, der in der Nordostecke Schleswigs

zu Hause ist, in gleicher Güte in Oberschwaben zwischen
Sigmaringen und Ravensburg gezogen werden kann.
Aus Hiltners Karten gleicher Roggenblüte und Schnittreife in
Bayern kann man ohne weiteres die Grenzen des kontinen-
talen und des ozeanischen Klimas ablesen, damit auch die
Verbreitungsgebiete der pontischen und der atlantischen
Pflanzengesellschaften erkennen.
Die phänologischen Karten müssen nun so vervollkommnet
werden, daß sie für den Gartenbau des ganzen Reichs
ebenso brauchbar werden wie die Ihnesche Karte für
Hesten. Weiter ist es notwendig, alle für den Garten-
bau in Betracht kommenden Böden wistenschaftlich zu
bearbeiten, ihre Eigenschaften eindeutig festzulegen und
sie in etwa mit Buchstaben bezeichnete Reihen einzuordnen.
Gibt man den phänologischen Einzelgebieten Kennziffern,
so kann Zahl und Buchstabe für jeden neuanzulegenden
Garten die wesentliehen Wachstumsmöglichkeiten eindeutig
bestimmen.
Verhältnismäßig leicht könnte die Pflanzengeographie die
Standortsangaben unsererWildpflanzen einem so gefundenen
System einfügen; ihre Mitarbeit ist wichtig, weil viele Wild-
pflanzen als Kennpflanzen gewisser Familien von Garten-
gewächsen verwendet werden können, so daß aus ihrem
Vorkommen gleich auf Anbau Würdigkeit ganz bestimmter
Gartenstauden oder -holzpflanzen geschlossen werden kann.
Die gärtnerische Botanik nun hätte die Aufgabe die Ge-
biete und Böden besten Gedeihens aller gartenwürdigen
fremden und künstlich erzeugten Gewächse festzustellen
und gleichfalls dem neuen System einzureihen. Dazu
wäre es keineswegs nötig, neue Versuche anzustellen und
etwa jede Pflanze in jedem Klimagebiet auf jedem Boden
zu pssegen und zu beobachten. Wenn Forschungsanstalten,
Fachleute und Liebhaber das bereits vorhandene Willen
beisteuern, werden sich viele Lücken durch Vergleichs-
schlüsse ausfüllen lasten.
Es braucht durchaus nicht lehr viel Zeit zu vergehen,
bis unsere Stauden-, Laubholz- und Nadelholzbücher nicht
mehr Angaben bringen wie: „für tiefgründigen Boden in
warmen Lagen,” sondern: üppig 1 — 3,R, T; anbauwürdig
4—7, P, Q, S. Mühelos kann dann für jeden Garten-
platz eine Liste all der Pflanzen aufgestellt werden, die
mit Sicherheit freudig gedeihen und wenig Pssege mit
reicher Blüte lohnen. Der Fachmann ist damit nicht
ausgeschaltet; jeder Garten hat noch genug Besonderheiten,
die berücksichtigt sein wollen und nicht aus Tabellen
abgelesen werden können.
 
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