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Die Gartenkunst — 42.1929

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Nr. 5
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Koch, Hermann: Kritische Gedanken zur Gartengestaltung 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0079

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schönen Blumen und Blümchen primitive Gestaltungs-
grundsätze vergeben; — kalte Axenkonstrukteure schwel-
gen in Reißbrettkombinationen von meist ausgesuchter
Originalität, und wieder andere zeichnen sielt vorzüglich
durch hervorragende kaufmännische Tüchtigkeit aus. Ge-
stalter, die über eine hervorragende Materialkenntnis ver-
fügen, ihre Ideen klar und fließend darstellen können
und technisch durch und durch gebildet sind, dürften da-
gegen nicht allzu häufig angetroffen werden. An Stelle
solchen notwendigen Willens und Könnens tritt freilich
häufig eine rührige Geschäftigkeit im Planen aller mög-
lichen, oft nur bedingt ins Fach schlagenden baulichen
Arbeiten, wie Schwimmanlagen, Kriegerdenkmäler, Renn-
bahnen, Städteplanung u. a. m. Daß der Mangel an be-
sagtem Können und Willen einer solchen Betätigung nicht
förderlich sein kann, ist klar, ebenso aber auch, daß
diese Betätigung den Mangel nicht verkleinert. Darauf
kommt es aber scheinbar gar nicht an, sondern auf
„Universalität”.
Es scheint, diese Mißstände sind allgemein erkannt und
süllen durch Schaffung einer Schule, die für eine gründ-
liche allgemeine Durchbildung zu sorgen hätte, behoben
werden. Allerdings werden diesen Bestrebungen auch
andere Gründe untergeschoben. Ob eine solche Schule
wirklich aus jenem Dilettantismus herausführt, ohne uns
zu guterletzt noch akademische Erstarrung zu bescheren,
ob diese Schule als Werkschule oder Hörschule anzustreben
wäre, bleibe dahingestellt.
Soweit auch bis hier die Neigungen und Ansichten aus-
einander gehen, in einem ist sich die Mehrzahl der Garten-
gestalter einig: darin nämlich, daß man eines neuen
Stiles, neuer Ausdrucksformen bedarf. An diesem Problem
studieren und versuchen Ehrlichwollende und Routiniers.
Glückliche Ergebnisse verkünden und lobpreisen Be-
geisterte und Reklametüchtige. Es ist kaum vorstellbar,
wie eine große Zahl zum Teil sehr intelligenter Menschen
nicht erkennen kann oder vielleicht nicht erkennen will, daß
Stil kein Ausgang, sondern ein Ende, ein Resultat ist.
Stil entsteht von ielber, nachdem Kunstschaffen für Welt-
ansehauung und Lebensführung einer Gemeinschaft voll-
kommen passende, sozusagen konkruente Kunstformen
geprägt hat. Je nach der Nachhaltigkeit, mit der diese
Umstände zu einer Vereinigung, einem Zusammenklingen
strebten, hat diese Ausprägung zu einem Stil verschieden
lange gedauert. „Machen” kann man jedenfalls keinen
Stil. Im 19. Jahrhundert versuchte man es! Wir erinnern
uns doch!
Form! Stil! Kunst! Diese Worte gehören zu denen, die
gegenwärtig am häufigsten angewandt werden. Kein
Wunder, sie}sind bequem, dehnbar und unverbindlich.
Denn über den Problemen selber, die sie bezeichnen,
herrscht, wenigstens im voraussehauenden Sinne, größte
Unklarheit und Unsicherheit. Was segelt nicht alles unter
dem Namen Kunst! Bald nennt allen Ernstes der Zucker-
bäcker seine Tätigkeit Kunst; die Schneiderin, der Friseur
tun es schon lange, der Töpfer von jeher. Auch der
Gartenarchitekt tut es gern und häufig, viel zu gerne
und zu häufig.
Kunst schaffen ist nicht allein gestalten. Es muß noch
etwas anderes dabei sein. Man hat es schon den gött-
lichen Funken genannt. Der Künstler ist ein Schöpfer,
aus seinem Erleben und Sinnen schafft er Welten. Ob
groß oder klein, ähnlich oder unähnlich der wirklichen,

ist unwesentlich; wesentlich ist die logische Vollkommen-
heit des Werkes, das mühelose Ineinanderschwingen aller
seiner gestaltbildenden Kräfte, wie Form, Farbe, Material,
Bewegung, und nicht zu vergessen, der Sinn. Kunst ist
das Loslösen vom Gegebenen, Naturhaften, ein darüber
Hinausschwingen in selbstgeschaffene Sphären. Das schließt
nicht aus, daß die Wurzeln doch wieder im Natur-
gegebenen gründen, daß diese Sphären der einen ewigen
oft ähnlich sind, wie das Kind der Mutter. Jedenfalls
aber darf man niemals lagen: Kunst schaffe Gebrauchs-
gegenstände. Es wird auch schwerlich jemand so tagen,
sondern es heißt dann: zweckmäßige, wohlgeformte Ge-
brauchsgegenstände sind Kunstwerke!
Das Endziel von Poesie und Malerei z. B. ist bestimmt
Kunst. Das ideelle Endziel einer Gartengestaltung aber
ist gewiß nicht Kunst, wenigstens in den weitaus meisten
Fällen nicht. Verfasser kann sich einige Fälle vorstellen,
in denen Gartengestaltung Kunst ist. Aber das Ergebnis
ist dann nicht der Garten, von dem wir sprechen, jener
Garten, der zu unterer Lebensführung gehört oder ge-
hören süllte, wie die Wohnung und das tägliche Brot.
Kunst ist schwer zugänglich und kann nicht beim Früh-
stück en passant mitgenommen werden. Das Endziel
der Gartengestaltung ist Kultur.
Bescheiden wir uns! Kunstschaffen erfordert göttliche Be-
rufung. Wenn es uns gelingt, Kultur zu fertigen und
weiter zu bringen, ist unter Werk reichlich gesegnet. Tun
wir es bewußt und ganz! Es ist groß und schön und
dankbar. Jedenfalls all dies mehr, als göttliche Berufung
zu reklamieren. Allerdings, unter Kultur sei nicht das
verstanden, was so gerne als Kultur bezeichnet wird:
Luxus, Eleganz, Dekadenz. Das Wiener Kunstgewerbe
hat mit Kultur nicht viel zu tun. Mehr aber die tauber
geputzten Fingernägel eines Metallarbeiters, die ernsten
philolophischen Bücher auf dem Regal des dänischen
Bauern oder die mühevolle Arbeit der Fürsorgepflegerin.
Die rassige Linie des neuerten Automodells und der Hoch-
stand der Qualitätsarbeit in der Bijouteriebranche haben
ebensowenig damit zu tun wie geistreiche ästhetische Wort-
spielereien. Kultur bedeutet vielmehr: bewußt und immer
bewußter Mensch zu werden und zu sein, emporgerafft
aus einer tierhaften Naturgebundenheit. Kultur bedeutet
eine diesem Werden und Wollen angepaßte Lebensführung.
Kultur hat, man sagt es ungerne, sogar etwas mit Ethik
zu tun. Unser Garten, der Garten, den wir wollen müssen,
ist weder eine dekorative noch sonst irgendwie formale
Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit der Lebens-
führung. Das bedeutet nicht etwa Formlosigkeit,sonst haben
wir es auch nicht mit Lebensführung zu tun.
Es wäre an der Zeit, das Gartengestalten aus den Händen
der Kunstbeflissenen zu nehmen und in die Hände der
Kulturbeflissenen zu legen.
Mit diesen Betrachtungen glauben wir, in allernächste
Nähe des Werdens und Verderbens der Gartengestaltung
gekommen zu sein. Daß sie auf eine gemeinsame psycho-
logische Basis zurückzuführen sind, läßt sie noch wesent-
licher erscheinen. Dieses Gemeinsame hat man vor ein
paar Jahren in der Literatur treffend bezeichnet: Ver-
ienkung ins Beschauen des eigenen Nabels.
Wenn man kritisieren kann und muß, liegt es nicht am
Stil, an der Schule, an den Verhältnissen, an irgend sonst
etwas; es liegt an den Gartengestaltern selbst. Sie sind
mehr oder weniger allzusehr in der Wertsehätzung ihrer
 
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