Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 42.1929

DOI Heft:
Sonderheft Bremen
DOI Artikel:
Laft, F: Öffentliches Gartenwesen und Wettbewerbsverfahren
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.59006#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
formen bringen wir in Wechselbeziehung zum übrigen
Stadtkörper, zu Verkehrsstraßen, Wohnstraßen, Häuser-
zeilen und ganzen Stadtteilen und helfen endlich so die
gefragte städtebaulich-ästhetische Gesamtwirkung zu er-
reichen.
Aber angesichts der großen Verantwortung, die uns im
öffentlichen Gartenwesen zuteil wird, dürfen wir auch
nicht die Augen schließen vor den gefährlichen Hemmun-
gen, die heute noch in der Sache selbst und in unserem
Berufsleben liegen; denn wir lohen und müllen Techniker
und Gestalter sein, wir sind es. Wir süllen und müssen
Gärtner und Wissenschaftler sein, wir sind es. Wir
wollen und müssen Beamter, Untergebener und Vor-
gesetzter sein und sind es auch. Sie alle kennen die
Bitterkeit der Widersprüche. Sie willen auch, was das
Fehlen oder Vorhandensein einer großen Tradition be-
deutet.
M. E. ist für die Fortentwicklung unseres öffentlichen Gar-
tenwesens erstes Erfordernis, daß lieh der Gartenarchitekt
und Leiter eines öffentlichen Gartenwesens noch weit mehr
als es schon der Fall ist, für eine zweckdienliche Sach-
lichkeit diszipliniert, für eine Sachlichkeit, die gar nichts
mit Amerikanismus oder Nüchternheit zu tun hat, die
aber stets frei von sentimentaler Gefühlsmäßigkeit ist.
Und weil letztere immer so nahe liegt und gar so oft
nur den Glorienschein einer modischen oder romantisie-
renden Gärtnerkunst einbringt, sollte immer soviel Kraft
vorhanden sein, vor allem den ganzen Ballast schwäch-
licher und falscher Kunstsehniucht über Bord zu werfen.
Denn auch im öffentlichen Gartenwesen beruht die Ver-
antwortung hauptsächlich auf der rechten Erkennung der
realen einsehlägigen Aufgaben und deren idealer Lö-
sung. Von irgendeinem Selbstzweck der Kunst kann da-
bei gar keine Rede sein. Wie die Vorscbläge auch sein
mögen, sie müssen so sein, daß sie z. B. neben denjeni-
gen des Straßen- und Kanalbauers ernsthaft bestehen kön-
nen. Sie müssen in allen Fällen zu realisieren sein, denn
nur aus zweckdienlichen Taten oder Vorschlägen erwächst
uns heute im öffentlichen Gartenwesen die Geltung und
die Wertsehätzung anderer Fachleute und die Möglichkeit,
den künstlerischen Einschlag unseres Berufes zu bekunden.
Was ich bisher sagen durfte, sind nur einige Buchstaben
aus dem Abc des öffentlichen Gartenwesens. Und wenn
wir glauben, das ganze Abc heute schon zu kennen,
dann irren wir vielleicht. Doch in einem irren wir be-
stimmt nicht, nämlich in der energischen und bewußten
Fortentwicklung unserer Anteile am heutigen Städtebau.
Eine kräftige, persönliche wie gesellschaftliche Disziplin ist
notwendig, um über Dinge wie Städtebaugesetz, Klein-
gartengesetz, Rationalisierung rechtzeitig hinaus zu gelan-
gen. Treiben, nicht treiben lassen, muß die Losung
heißen. Wir haben das Recht und die Pflicht, für unsere
Hochschulfrage, für unser Ausstellungswesen und für
unsere Wettbewerbsfrage eine ganz besonders kräf-
tige Disziplin zu entwickeln.
Ist es nicht auffallend, wie wenig Wettbewerbe heute auf
dem Gebiete der öffentlichen Grünanlagen und der Fried-
hof gestaltung ausgeschrieben werden?
Man hat die einsehlägigen Wettbewerbe auf 3 v. Hun-
dert der Wettbewerbe des Architekturgebietes geschätzt.
Statistisch ist diese Zahl also nicht, aber jedenfalls wissen
wir, daß mehrere Architekturbüros bestehen, die vorwie-
gend auf Wettbewerbe eingestellt sind. Sieht das nicht

so aus, als gäbe es für uns nichts mehr zu lösen oder
als wäre es nicht angängig, vor aller Öffentlichkeit nach
guten Lösungen, nach den Lösungen zu suchen? Sie wer-
den mir hoffentlich Recht geben wenn ich sage, daß die
Wettbewerbe, ob allgemein oder beschränkt, sehr viel
für Berufsgeltung und Berufsbewußtsein bedeuten. Die
wesentlichste Bedeutung liegt zunächst in der öffentlichen
Dokumentierung der beruflichen Angelegenheit und deren
vielfacher Spiegelung in der Presse und andern tragenden
Einrichtungen unseres Gemeinwesens.
Weiter bieten sie dem Auslober die größten Aussichten
zur Erlangung einer guten Idee und eines Ausführungs-
planes. Wettbewerbe sind praktische Schulung und Prüf-
stein für den Nachwuchs. Sie kommen oft der Welle
gleich, durch die ein Mensch ans Land getragen wird. Ohne
Wettbewerbe wäre so mancher nie erkannt worden.
Wir wissen nicht, was wir diesen Möglichkeiten gegen-
über mehr bedauern süllen: eine gewisse Animosität
gegen gartenküqstlerische Wettbewerbe vor allem in den
Kreisen verwandter Berufe, oder das Fehlen bzw. Ver-
passen der Möglichkeiten durch uns selbst. Geben wir
auch zu, daß nicht jede Aufgabe nach einem Wettbe-
werbsverfahren schreit und daß ein solches auch aus an-
dern Gründen nicht immer möglich oder erforderlich ist.
Wir können aber unmöglich den Standpunkt teilen,
nach welchem gartenkünstlerische Wettbewerbe nur un-
ter Vortritt und Führung einer verwandten Berufsgruppe
möglich sein sollen. Hier besteht zweifellos eine Fessel,
die wir sprengen müssen.
Alle Angelegenheiten des öffentlichen Garten- und Fried-
hofwesens, soweit sie auf Gartengestaltung, Gartentechnik
und Gartenwirtschaftlichkeit beruhen, sind unsere ureigen-
ste Domäne. Nur derjenige kann auf unserem Gebiete
mit Erfolg planen und organisieren, dem handwerkliche
Fertigkeiten, Material- und Pflanzenkenntnis und eine ge-
festigte künstlerische Anschauung zur zweiten Natur ge-
worden sind. Darüber bestehen bei uns keine Zweifel
mehr. Wohl ist eine vernünftige Arbeitsteilung im Rah-
men der städtebaulichen Belange erforderlich. Die volle
Wahrung dieser Belange ist für uns eine allgemeine Vor-
aussetzung, denn sie gehören zu den Ausgangs- und End-
punkten, zwischen denen sich unsere Berufsarbeit nicht
als Nebensache, sondern als Hauptsache für uns abspielen
muß. Daran sollte mehr gedacht werden; denn nicht
seiten verschiebt sich das Wettbewerbsergebnis völlig zu-
gunsten der Architektur- und Gebäudeformen und deren
Anordnung. Die eigentliche fachliche Lösung wird dann
weniger gesucht, wird auch übersehen und zurückge-
drängt.
Solches läßt sich z. B. bei Friedhofwettbewerben gut be-
obachten. Wir werden gewiß nicht den Ehrgeiz haben,
irgendeine Gebäudegruppe bis ins Detail hinein zu lösen,
darin sehen wir unsere Aufgabe nicht. Aber wir süllten
stets den Ehrgeiz haben, in jedem Falle vom Garten-
detail aus die Gartengrundformen zu bestimmen; denn so
allein können wir zu wahrhaft funktionellen d. h. lebens-
wahren Gartenschöpfungen gelangen. Und dann — nichts
ist schlimmer für den Gartengestalter, als wenn er sein
Können nur in schemenhaften und zeichnerisch aufgemach-
ten Andeutungen zeigen kann und sich dabei in Archi-
tektur-Spielereien verliert. Schemenhafte Arbeiten soll
er den Berufen überlassen, die mit Recht die Ausrede
finden: „Das andere mache der Gärtner.“ — So fordere
 
Annotationen