Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

DOI Artikel:
Osborn, Max: Das "Renaissance-Theater"-Berlin: eine Arbeit von Architekt Oskar Kaufmann, Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0319

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXXVlll. JAHRG.

DARMSTADT.

AUGUST 1927.

DAS »RENAISSANCE-THEATER«-BERLIN

EINE ARBEIT VON ARCHITEKT OSKAR KAUFMANN-BERLIN

Das halbe Dutzend Kaufmannscher Berliner Thea-
ter-Bauten hat sich nunmehr gerundet. So
etwas ist wohl, nicht nur in unserer Zeit, ohne
Beispiel; auch der fixe Theaterarchitekt Titz, der
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Berlin
eine bis dahin unerhörte Tätigkeit entfaltete (das
heutige Deutsche Theater, das abgebrannte Vik-
toria-Theater, der alte Kroll stammten von ihm),
hat es längst nicht so weit gebracht. Aber jedes
Mal überrascht dieser Hexenmeister Oskar Kauf-
mann durch neue Grundgedanken, Einfälle und
Wendungen, die seine heitere, immer rege Phantasie
mühelos zur Welt bringt, obschondann doch wieder
geschwisterliche Züge vorhanden sind, die die Ver-
wandtschaft bekunden. Diesmal war ihm, wie bei
Kroll, die besonders heikle Aufgabe gestellt, Be-
stehendes umzubauen — nach Schinkels be-
kanntem Ausspruch das »wichtigste Specimen für
die Begabung eines Architekten«. Was war das
für ein seltsamer Kasten, den er vorfand. In das
alte »Motiv-Haus« einer Charlottenburger Hoch-
schulvereinigung war vor Jahren mit Benutzung des
Festsaals ein Kino hineingeschmuggelt. Dies war
dann zum »Theater« umgearbeitet worden, das
zwar den Namen, aber sonst wirklich nichts von

»Renaissance« an sich trug. Ein langer Schlauch.
Eine Kegelbahn. Unmögliche, enge Sitze. Ganz
hinten, vom Kino her, ein paar unmögliche Logen.
Die Hinterwand der Bühne: zwei massive, da-
zu noch verschiedenartig große Wölbungen. Ein
Bastard von einem Theaterbau. Nun stand Kauf-
mann davor und entwarf seinen Operationsplan, den
Krüppel menschlich und gerade herzurichten. Keine
Kleinigkeit; denn das Gebäude ist noch dazu ein
Eckhaus, man kann sich also kaum rühren, wenn
man einen Grundriß entwerfen will. Aber das focht
ihn nicht an. Man hat das Gefühl: ein Blick, eine
Stunde Überlegung, und er hatte das Problem am
Wickel . . Er erkämpfte sich von der Stadt Char-
lottenburg an der Ecke einen gerundeten Streifen,
um einen Vorbau anzubringen, daß die Besucher
nicht gleich, wie vorher, buchstäblich mit der Tür
ins Haus fallen. Dieser Vorbau, nur zwei Stock-
werke hoch geführt (Parterre und erste Etage, mehr
umfaßt das Theaterchen nicht, darüber sind Wohn-
ungen oder Büros), kündet schon weithin, was da-
hinter vorgeht. Er wird durchbrochen von einem
System schmaler, hoch durchgeführter, gotisch-
spitzwinklig abgeschlossener Fenster mit blauen
Glasscheiben, die abends von innen her leuchten

1927. YIIL 1.
 
Annotationen