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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Kuhn, Alfred: Wandmalerei von E. R. Weiss: im Musiksaal des Hauses Moufang, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0447

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WANDMALEREI VON E. R.WEISS

IM MUSIKSAAL DES HAUSES MOUFANG-BERLIN

T nsere Kultur von heute bewegt sich in doppelter
Richtung. Sie erstrebt höchste Individu alität auf
der einen und höchste Typik auf der anderen Seite.
In demselben Maße, in dem das Kollektiv-Bewußtsein
sich verbreitert, ein jeder sich nur als Rad einer Riesen-
maschine empfindet, sich schon völlig gewohnheitsmäßig
typisierter Artikel wie Automobile, Telefon-Apparate,
Bekleidungs-Gegenstände bedient, wächst hier wiederum
aber auch das Bedürfnis zum betonten Abschluß von der
gleichförmigen Masse, zum Ausbau einer persönlichen
Provinz, zur Gestaltung wenigstens eines Teiles des Da-
seins in einer besonderen Art..............

Das »Kollektiv-Bewußtsein« der Massen verlangt
einen weithin sichtbaren Ausdruck und findet ihn in Sport-
plätzen, Lesehallen, Vereinshäusern, Theatern, Konzert-
sälen, Museen, Kinos, Gewerkschafts-Bauten . . Diesem
nach einem Symbol drängenden Kollektiv-Bewußtsein,
das sich in Monumental-Bauten von gewaltigem Umfang
äußert, steht das »Individual-Bewußtsein« bestimm-
ter Einzelner gegenüber, — zumeist von Leuten, die sich
in führenden Stellungen befinden. Das Gefühl der eige-
nen Führerschaft, die Notwendigkeit der Repräsentation,
aber auch der Wunsch, ein Stück der eigenen Umwelt
vom Zugriff der Massen zu retten, führt sie zu höchst
individuell geformten Wohnbauten, die eines eben-
solchen Schmuckes bedürftig sind. Ihre Dimension ver-
langt nach Wandmalerei in der Art des alten Fresko.

1927. XI. 3.

In dem Maße, in dem das besitzende Bürgertum mitt-
leren Grades verschwindet, geht der Konsum an gerahm-
ten Wandbildern des traditionellen Formates und an
Plastiken derselben Art zurück. Die Mietkaserne mit
ihren bescheidenen Zimmern bietet kaum Platz mehr
dafür, ebensowenig die ländliche Kleinsiedlung. Wenn
eine Siebenzimmer-Wohnung von den schönen Abmes-
sungen des alten Berliner Westens reichliche Aufhänge-
Möglichkeit für goldgerahmten Wandschmuck bot, so
erhebt sich heute eine Situation, die kaum dem notwen-
digen Hausrat befriedigende Unterbringung gestattet. .
Man kann also sagen, daß die Wandmalerei heutzu-
tage das notwendige Erbe des gerahmten Wandbildes
antritt, nachdem die Konsumenten gewechselt haben. .

*

Diese Entwicklung wird sicherlich da und dort schon
gefühlt. Aber einstweilen noch selten entschließt sich ein
privater Auftraggeber dazu, einen Versuch zu machen.
Wo dies geschieht, da kann man ruhig von einer Kultur-
tat von zukunftweisender Bedeutung sprechen. . Der
Direktor der Staatlichen Porzellanmanufaktur in Berlin
N. Moufang hat in seinem aus der friderizianischen
Zeit stammenden, von Schinkel 1810 umgebauten Wohn-
haus einen großen Musik-Saal von dem bekannten Ber-
liner Maler Professor E. R. Weiß mit Wandgemälden
schmücken lassen . Der Künstler sah von der reinen
Fresko-Technik ab, damit die Bilder auch einmal von der
 
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