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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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7. Heft
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Ein Besuch bei Sem, Cham und Japhet und die christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0130

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im Nothfalle ohne Kunst bestehen kann, so
erwarten wir, daß er in der zweiten Auflage
von Sem, Cham und Japhet wcnigstens wie-
der auf zwei Seiten den Männern der Wissen-
schaft, von Augustinus an bls zu Thomas von
Aqutn, dem englischen Lehrer, und bis zu den
heuligen Heroen der theologischen Wisseuschaft,
den „gelchrtenKirchenmännern" denTertlesen
werde.

Jn die Behanptung, daß kein christliches
Bauwerk, auch der schönste gothische Dom
nicht, eine so edle vollendete Schönheit er-
reiche, wie das Parthenon in Athen, können
wir unS nicht wcitläufig einlassen. Diese
Frage gründlich zu erörtern, dazu wärcn ganze
! Bücher nöthig, denen der Besucher von Sem,
Cham und Japhet so abhold ist. Jndessen
hälte er selbst das Richtige daran klar genug
ausscheiden können durch die Anerkcnnung,
! daß cs zweierlei Schönheiten gibt, und daß
den heidnischen Tempeln eine Schönheit in-
wohnt, die die Erbauer der gothischen Dome
nicht erreichten, nicht, weil ste nicht gekvnnt
i häiten, sondern weil sie nicht wollten, so
^ wenig als der frvmme christliche Maler die
Schönheiten darstellen wtll, die eine Ballet-
tänzerin zur Schau stellt. Diese Schöuheiten
dcr unverhüllten Natürlichkeit Lberläßt Letzte-
rer gern dem Piusel dcr Reiiaifsance und
Zopfzeit, deren Buhlerei mit dem Heidcnthum
wir ebenso abhold sind, wie der Versasser des
„Besuchs" der mittelalterlichen Kunst zu seyn
scheint. Vor allen seinen Behauptungen wird
er zwar für die obige am wenigsten um An-
hänger verlegen seyn düi fen. Er darf sich nur
an gewIsse Bauakadeinieii wenden. Nur wissen
diese vielleicht selbst die Gründe ihrerVorliebe
für die klassische Knnst nicht klar, die dartn
bestehen, daß sie die christlichen Kunstdenkmale
ntcht lieben, entweder weil sie dieselben nicht
erreichen können, oder weil der darin ver-
körpcrte Geist ihnen fremd ist.

Wtr glauben cnifernt nicht, daß Herr St.
von den gleichen Gründen geletiet sey. Vtel-
mehr meinen wir seine wahre Gesinnung her-
auszufühlen, welche von der unserigen nicht

gar zu weit verschieden scyn dürste. Er hälte
es gcrade heraussageN dürfen, daß es ein Ge-
bict der Kunst gibt, wo die christliche mit der
heidnischen nicht wetteiscrn kann, aber auch
uicht will. Dadurch wäre auch die Parallele
zwischen christlichen und unchristlichen Dichtern
erspart gewesen. Dem unchristlichen Dichter
stehen eine Menge Mittel zu Gebot, seine
Zwecke zu erreichen, seine Leser hinzurcißen,
die Gemüiher zu stimmen, die der christliche
nicht anwenden darf. Jener kann den Leiden-
schaften schmcicheln, das Laster vergöttlichen,
wie Göthe nicht verschmäht hat; er kann die
Tagesmeinungen, die Vorurtheile, die Sym-
pathien und Antipathien, die faulen Grundsätze
setner Zeit in schön klingende Phrasen und i
Vcrse kleiden, wie Schiller, der großeniheils
diesem Vcrfahren den hohen Ruhm verdankt,
den seine Zcit ihm gezollt hat.

Der christliche Dichter, wie der christliche
Redner darf dieses Alles nicht thun. Mitten
aus dem wüsten Gewoge der Irrthümer und
Laster muß er das Panier der Wahrheit und
Tugend entfalten, und das Laster brandmarken. >
Seine schönsten Bildungen werden einem gro- i
ßen Theil der Welt verloren gehcn, weil sie
den Juden ein Aergerniß, den Heiden ei.ne >
Zhorheit sind.

Je uugünstlgcr daher dcm christlichen Dich-
ter auf dem Kampfplatze der Welt Sonne und
Wind gestellt ist, und je höhere Begabung !
nicht blos an Herz und Muth, sondern anch !
an dichterischein Talent ihm nölhig tst, um
sich eine Stellung zu errtngen, desto weniger
werden wir gegenüber den banalen Göttern
des Olympos, Bestrebungen wie die des Dich-
ters der Amaranth mit gleicher Geriugschä- !
tzung lohnen, wie die „Welt", welche denn doch
noch den Vorzug vor uns hätte, daß sie —
weiß, was sie ihut.

Gehen wir zu einem andern Satze über,
der nur einer Erläuterung bedarf, um iu seiuer !
ganzen und unverfäuglichen Wahrheit dazu-
stehen

„Selbst im Heidenthum, in ber besten Zeit
des römlschen und griechischen Staats- und
 
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