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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 2
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Wedderkop, H.: Rheinische Bestrebungen und Gleichgültigkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0092

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(Fortsetzung folgt)

RHEINISCHE BESTREBUNGEN UND GLEICHGÜLTIGKEITEN

VON

H. v. WEDDERKOP

Düsseldorf, das preussische Versuchsobjekt, die
Kolonistenstadt östlicher Bestrebungen imWesten,
die Stadt, die harter, a priori kunstfeindlicher Wille
wesentlich geschaffen und aufgebaut hat, die ohne den
Ausgleich und den Widerstand eigener Tradition bureau-
kratischen und volkswirtschaftlichen Tendenzen zum
Opfer fiel, diese Stadt, ein lebendiger Beweis für das
Alogische jeder Entwicklung, befindet sich in einem
Prozess ihrer künstlerischen Umwandlung. Das Werk,
das einige wenige sanguinisch, unermüdlich vor dem
Kriege begonnen haben, um auf diesem alten verruchten
Boden modernen Anschauungen aufzuhelfen, hat eine
breite Nachfolge gefunden.

Die Akademie, stärkster Exponent dieser rheinischen
Schaute, Exponent des gesamten derartigen Unwesens
überhaupt, hat sich rechtzeitig besonnen, und ist in ein
anderes Gewand geschlüpft. Die gesamte Vergangen-
heit, völlig verschlissen, ist abgelegt; ein Panoptikum
mag sie endlich zur berechtigten Wirkung bringen.

Nunmehr handelt es sich um Expressionismus. Man
hat sich entschlossen und kämpft noch mit Holzgeklirr
und Zellstoffmuskel einen letzten belanglosen Kampf
in der Tagespresse aus, eine Kämpferei, die völlig laut-
los vor sich geht.

Alfred Flechtheim ist zuerst zu nennen, denn ihm
ist es zu verdanken, wenn man in allen möglichen
Häusern Bilder hängen sieht, deren Besitzer jetzt ver-
pflichtet sind, die Konsequenzen zu ziehen, ihr Mobiliar
zu ändern, Goldfischteiche zuzuschütten und ihre
politische Gesinnung zu revidieren. Seine Galerie, deren
Thüre der Krieg schloss, that sich automatisch wieder
auf, und mit demselbenTemperamentwird das Industrie-
revier weiter bearbeitet. Wer das umliegende Blach-
feld kennt, die rheinische Traurigkeit, der wird die
Sisyphusarbeit schätzen, die allmählich eine ganz andere
geistige Struktur oder wenigstens ein geistiges Gerüst
aufbaut. Bis tief in Voltaires Westfalen hinein giebt es
heute eine Kette von kampflustigen Sammlern, keine
Sammler von grossem Wurf im allgemeinen, nicht von
unbeirrbarer Sicherheit, mit einer gewissen Starrheit
der Einstellung, aber von um so grösserer Energie.

In seiner bonne camaraderie, die ihn der Krieg nicht
erst gelehrt hat, hat sich Flechtheim vor allem der
jungen Talente angenommen und Kollektivausstellungen
von Max Schulze-Sölde, Eberhard Viegener, des Bild-
hauers Lammert u. a. gemacht.

Ein zweiter Faktor im Düsseldorfer Kunstleben ist
das Graphische Kabinett, ein stacheliger Bissen für die
alte Bonbontradition. Dieser „Salon" ohne Aufmachung,

eingeklemmt in die Banalitäten einer Nutzstrasse, nackt,
unsymmetrisch, aber mit Wänden, auf die „ehrenhalber"
nichts kommt, was nicht Kampf bedeutet oder was zu
den geringsten Konzessionen bereit ist, wirkt um so
stärker durch seine Sachlichkeit. Hier erschien letzthin
Emil Nolde, um das halbe Viertel auseinanderzureissen
durch monumentale Fischerköpfe, Südseetänzerinnen,
die zwischen ihren Tanzbeinen eine Welt fassen und
nordtriesischen Aquarellen. Hier kann man ganz un-
verkaufsfähige Sammlungen von Kinderzeichnungen
sehen.

Ein Faktor ist das „Junge Rheinland", das kürzlich
mit einer Erstausstellung in der Kunsthalle herauskam,
nicht zu nennen. Es ist ein Gebilde ohne Wille und
Stosskraft, ohne eigenes Leben, wirksam nur wie jede
andere Erscheinung, als Material, dessen Hauptwert in
seinen Mängeln besteht. Es hat sich eine Ansammlung
derverschiedensten Elementeaufgethan, die von Vereins
wegen nunmehr Ansichten zur Geltung bringen will,
die seit geraumer Zeit in der Luft lagen. Der Verein
ist eine Spätgeburt und giebt sich mit sanfter Azorl-
haftigkeit ohne die geringste Ahnung zu haben, was
eigentlich in der Welt vorgeht. Wie bemerkt, ist der
Kampf ausgekämpft. — Wenn ich bei diesem Verein
länger verweile, so geschieht es nicht, weil seine Ten-
denzen geschätzt würden, sondern weil er dem Kritiker
einiges Material bietet.

Die beiden Ehrenmitglieder des „Jungen-Rhein-
lands, Ernst te Peerdt und Christian Rohlfs, die man
hätte respektieren sollen, zählen zusammen rund andert-
halbjahrhunderte. Diese bedenkliche wie unbedenkliche
Metapher, von der es bis zum Eichbaumschössling nur
ein Schritt ist, ist der Auftakt zu einer Musik, die herz-
lich gemeint, aber völlig ungereimt ist. Entscheidend
für die Anteilnahme war das Rheinland als Geburtsort,
sowie, dass sich die Kunstanschauungen des betreffenden
Rheinländers im Gegensatz zu denjenigen der Akademie
befanden. Innerhalb dieser ebenso eng wie weit ge-
zogenen Grenzen kommt es zu einem völlig krausen
Resultat, dem durch die Thätigkeit der Hänge-
kommission überzeugender Ausdruck gegeben ist.
Denn zwischen dem Gros einer wenn auch oft ehrlichen
und manchmal auchnochjüngerenVergangenheithängen
verstreut und ihrer geschlossenen Wirkung beraubt,
einige Zukunftsträger — NB. soweit sie einer rheinischen
Gemeinde entstammen — Einschiebsel zwischen Pro-
dukten der Akademie, wie sie sich eben dem Drucke
nachgebend neukonstiruiert hat.

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