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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

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Heft 1 (Januar 1927)
DOI Artikel:
Braig, Adolf: Neue Wege in Bayern
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Binal, Karl: Das System des schöpferischen Gestaltens in der Kinderzeichnung als Grundlage der künstlerischen Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0017

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Neue Wege in Bahern

Braig - München.

Wo heute dnS freie Gestalten der Schüler gepflegt
wird enkbehrt es nianchinal noch der knksächlichen
Behcrrschung und Förderung durch den Lehrer. Ein
blotzes Abnehnien ^der zufallenden Schülerleistung
linnn aber nieinals Sinn und bnhnlt des Unter-
rlchks sein. Bersuche allein, mil bestem Willen an-
gestellk, bewegen sich ziinächst noch im Chaotischen
iind bringen ZufallSergobiiisse zutnge, deren Wert
imd Unwerk allein bcdingt ist ducch das jeweilige
Berniögen oder Bersagen der Schüler. Die er-
zieherische Aedeutung des freien Gestaltens beginnk
aber erst da, wo der Lehrer jede Leistung der Schüler
!n ihreni ivelenklichen Äestand zu erkennen und ihr
weiteres Tun auf den Weg der organischen Weiter-
enkwicklung zu lenken vermag.

Die Fähigkeiten des Lehrers sind bedingt durch
eine vorauSgegaiigene tiefgreifende Bildung. Denn
nur ein künsklerisch, kunstwissenschciftlich und päda-
gogisch geschulker Lehrer wird imstande sein, die !n
solchen Schülerleistungen vorliegenden, unendlich
inannigfalkigen Takbeskände zu beurteilen und in
ihre Förderung sinnvoll entscheidend einzugreifen.

Nun stehk heuke schon die Tatsache fest, wenn sie
auch von vielen noch nicht erkannk wird: Das freie
Gestnlken aus der Vorstellung isk elnes der werkvoll-
sten CrziehungSmiltel. Es hat Merk und Geltung
schon mik so offenkundiger Kraft ecwiesen, dafz es
nichk inehr lange verleugnet werden kann. Die all-
gemeine Auswirkung diefer Taksache würde uns je-
doch zunächst vor die entscheidende Frage stellen:
Slnd heuke schon alle L e h r e r fä h i g, auf dem
neu gewonnenen Erziehungsweg Führer zu sein?
Wer 'hätke den Mut, mik einem unbedingken 2a zu
antworten? Hier liegen Hindernisse, die sich nicht
kurzerhnnd durchskofzen lassen. Ilnd diese Tatsache
drängt zur weitcren Frage: Könnte unker dieser
Voraussehung daS freie Geskalten der Schüler heute

schon allen Lehcern zur Aufgabe ge-
stellt werden? Äuch Liese Ankwort wird nicht
zweifelhaft sein. Der neue Erziehungsweg würde
sich manchmal in bedenkliche Abirrungen verlieren,
die seinem klaren Ausbau nur Schaden und Ber-
zögerung bereiten könnken. 2n diesem Sinn haben
die bayerischen Zeichenlehrer keinen Anlatz, die ab-
wartende Haltung zu beklagen, die von der Anler-
richtsbehörde der allgemeinen Einführung des freien
Zeichnens gegenüber bisher beobachtet wurde.

Wie aber kann nun der Fortschrikt gewonnen
werden? Zunächst nicht durch rasches Zugreifen aller,
sondern durch die wegbereitende Vorarbeit ali jener,
die das nölige Nüskzeug dafllr mitbringen. Nuc un-
ablässiges Beriuchen, Beobachten und Erforschen
kann jene Klarheit schaffen, die das Neue aus plan-
loser Unsicherheit und Zufälligkeit herauszuheben und,
ohne schulmeisterliche Starrheit, zu einem natllr-
lichen Ausbau zu fügen vermag. Dann ersk ist die
neue Aufgabe reif zu allgemeiner Einführung. Und
daran knüpsk sich eine weitere Bedingung: Die ncue
Aufgabe mujz eine Lehrecschaft vorfinden, die sich
durch ernstes und manchmal schinerzlich eingrelfen-
des Lernen für das Neue zubereiket hat.

Zu den förderlichsten Unternehmungen gehört das
Zusammenkreken der Lehrer zu engeren Arbeits-
gemeinschaften. Sie vermögen vor allem jene geistl-
gen Befruchkungen zu schaffen, die im Einzelnen un-
mittelbar lebendig werden und ihn fähig machen
können, aus anfänglicher Gefolgschaft heraus schliesz-
lich zu selbskändiger Haltung und Lelskung zu kom-
men. Unsere Münchener Arbelksgemetnschaft suchk,
wie auch andere, diesen Weg zu gehen. 2st auch der
stille und offene Widerskand mancher Fachgenossen
chnächsk noch harknäckig, so vollzieht sich daö Wlrken
der Ärbeitsgemeinschast doch in freier Skellung zur
Unkerrichksbehörde, die ihr mik hinderlichem Ein-
spruch nie begegnet Ist.

Das System des schöpferischen Gestaltens in
der Kinderzeichnung als Grundlage der künstlerischen Erziehung

Bon Blncil -Heidelberg.

Auf üer 3. inkernationaleii pädngogischen Konferenz,
die vom 2.—15. August v. 2s. In Heidelberg kagte,
hat Professor Nothe sich dns obige Thema zur Äc-
handiung gestellk. Die ganze Beranstalkung ftnnd unker
der 2dee „der Enkfnltung der schöpferischen Kräfke
im Kinde". Nichk üie Darbiekung des Stoffes, son-
dern die Erziehung der Fähigkeiten und LeiskungS-
fähigkeik dur ch den Skoff isk,. Ziel der Erziehungs-
jchule. Durch die Unterordnung des Skoffgebiekes
unker dieses Erziehungsziel ist der allerseits beklag-
ten Skofsüberfttkterung ein energisches Halt geboten.
Der Kuiiskunterricht ist ebenfalls ein solches Stoff-
gebiek, das sich wie die wlssenschafklichen Skoffgebiete
dem gesamken Erziehungsziel: „Förderung der schöpfe-
iischen Kräfke und der Leistungsfähigkeik^ einzufügen
hak. Llicht Wissenschaftler, nichk Künstler und Akh-
leken sollen die Kinder werden, sondern selbskkäkige,
denkeude und schaffende Menschen.

Auf diesem Grunde bautNothe sein ganzes Syskem
auf. „Zeichnen" ist nicht der Anfang der Ausbildung
zu irgend einem künstlerischen Fach, sondern es ist
Unterrichtsfach zum Zwecke der Erziehung von geiskig
und schöpferisch tätigen Menschen, es ist keine blojze
Fertiakeik, sondern ein Ausdrucksmikkel. Nicht die
künsnerische Ausdrucksweise ist zu pflege», sondern
die Wiedergabe der kindlichen Borstcllung, auf deren
Bollständigkeit es ankommk. Die Beurteilung der
Schülerarbeit setzt deshalb ein eingehendes Studium
der verschiedenen Schaffensarten der Kinder voraus,
bei der nur der kindliche Ausdruck matzgebend ist.
Bor allem mufz unkersucht werden, wie ein graphi-
sches Bild enkskeht.

Die ersten Kriheleien enlstehen lediglich aus Freude
an der Werkzeugspur. Zufällig enköeckt das Kind
Aehnlichkeit, die es veranlaszk, Darskellungen mik be-
stiinmter Absicht herzuskellen. Allmählich sucht der
 
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