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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Fabriczy, Cornelius von: Die antike Kunst auf dem Trocadero, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0089

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175

Die antike Kunst auf dem Trocadero.

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zu urtheilen, eher dem 2. als dem 3. Jahrhundert
angehörend; ein nackter, behelmter Achill oder Mars
(Triest, etwa 15 Centimeter hoch), die hocherhobene
Rechte anf den Speer stützend, etwas leer in Formen
und Ausdruck, aber trefflich erhalten, von fchöner
Patina. Auch ein schöner, halblebensgroßer, mit Zacken-
diadem gekrönter Kopf des Museums zu Lyon, dem
Typus nach am ehesten als Diana zu bestimmen, dessen
reiches Haar hinten in einen Wulst zusammengeschlungen
ist, scheint eher dem 2. als dem 3. Jahrhundert an-
zugehören.

Noch zahlreicher war die Skulptur des 3. Jahr-
hunderts repräsentirt, für welche die Fundstätten des alten
Galliens reiche Ausbeute geliefert hatten. Die fchönste
Bronze darunter ist die etwa meterhohe Juppiterstatue,
gefunden in Vieil-Evreux, wohl schon der Zeit des
Sept. Severus angehörend, detaillirt und natürlich in
den Körperformen, nur das Gesicht schon von typischer
Starrheit, ziemlich gut erhalten; viel geringer die
lebensgroße Juppiterstatue des Museums von Lyon, noch
schwächer zwei Apollostatuetten (Troyes und Vieil-
Evreux), beide archaisirend, von sehr mittelmäßiger,
flüchtiger Arbeit. Die Ueberreste einer Herkulesstatue
(lebensgroß, fehlende Beine, arg zusammengeflickt,
Oberfläche völlig zerfressen) aus dem Museum von
Bordeaux deuten auf ein tüchtiges Werk dieser oder
noch der vorhergehenden Epoche. Unter den Dutuit'schen
Bronzen wären als die besten hiehergehörigen anzu-
führen: die Büste eines Silens, der den Weinschlauch
zärtlich an sich drückt, und eine halbnackte Venus-
statuette, in der erhobenen Rechten den (jetzt fehlenden)
Spiegel haltend, die Linke an das Kinn führend, die
schon in diesem Motive, ebenso aber auch in der Arbeit
die späte Epoche deutlich verräth.

Die für diese Zeit besonders reiche Grsau'sche
Sammlung enthält folgende hervorragende Stücke:
einen bekränzten Opferknaben (etwa 15 Centimeter hoch),
in Lyvn gesunden, in slatterndem Gewande vorschrei-
tend; einen bekränzten Bacchus (Macon) mit Panther-
fell und Riemensandalen, von schweren, muskellosen
Formen (etwa 30 Centimeter hoch); eine Diana (Aube,
etwa 15 Centimeter hoch) mit doppelt über den Ober-
körper herabfallendem, knrzeni Chiton von sehr kleinlich
geordnetem Faltenwurfe, starr in Formen und Ans-
druck; drei, ehemals als Hochreliefs an einem Marmor-
altar befestigte, Büsten Juppiter's, Neptun's und Mi-
nerva's (Vienne, etwa 15 Centimeter hoch), wenn auch
schon dem Verfall angehörend, doch noch rein römische
Arbeiten, wie man aus dem scharfen Anseinanderhalteii
des Juppiter- und NeptunscharakterS, nach dem noch
von der griechischen Plastik festgestelltcn Kanon, ent-
nimmt. Auch mehrerc vortreffliche klcine Thicrgcstaltcn

derselben Sammlung sind hier anzuführen: ein liegender
Löwe, den Kopf einer Hirschkuh zwischen den Tatzen
(von der Armlehne eines Sessels stammend), ein Löwe
auf der Lauer, mit emporgerichtetem Vvrdertheil, höchst
lebendig und mit vollkommener Kenntniß der Formen
geschaffen, endlich ein vorwärtsspringenderStier (Autun).
Hieher gehören auch die Thiergestalten (Tiger, die
Pferde, Hirsche u. s. w. erhaschen, und Kentauren, die
Nyniphen tragen, alles Freiskulpturen) von den im
Palaste Diokletian's zu Nikomedia aufgefundenen Resten
einer Biga (also etwa vom Ende des 3. Jahrhunderts),
im Besitze von Mr. Carapanos, die jedoch bei weitem
nicht die Durchbildung und Naturtreue der eben an-
geführten erreichen.

Der überwiegend größte Theil der ansgestellten
Bronzen gehört jedoch nicht der rein römischen, son-
dern der gallo-römischen, d. h. jener Kunst an, die
sich in dcm von den Römern unterjochten Gallien,
unter dem bestimmenden Einfluß der Sieger zwar, aber
der heimischen Elemente nicht entbehrend, entwickelte.
Jhre ältesten Denkmale sind Thierbilder: ein archaischer
Hirsch (Vvllguß), mehrere Eber (getrieben über Holz-
kernen), ein Pferd (Hohlguß), dies letztere später, alle
deni im Museuni von Lyon aufbewahrten Funde von
Neuvy (1861) angehvrend, die ersten stammelnden Ver-
suche der Kunst, die Natur nachzubilden. Mehrere
Götterstatnetten, demselben Funde entstammend, sind
vvllig kindisch unbeholfen. Spätere Thierbilder, der
Eber des Museums von St. Germain und der
I. Grsau's (Vollguß), zeigen schon ziemlich vollendete
Wiedergabe des Charakteristischen am Thierkörper,
wenn auch das Detail noch unbeholfen erscheint. Die
Sammlungen Grsau, Recamier, Chevrier, Habert,
sowie jene der Museen von Bordeaux nnd Boulogne
bieten svdann Beispiele dieser gallo-römischen Kunst
in zahlreichen Gvtterstatuetten, worin der Einfluß der
römischen Kunst wohl schon in den nachgebildeten
Typen, aber noch nicht in der Formenbildung, die roh
nnd unverstanden bleibt, erkennbar ist. Erst später
macht sich derselbe auch in letzterer Richtung geltend,
obwohl die gallo-römischen Werke durch eine schwerere,
der Elastizität entbehrende Gestaltung zumeist noch
kenntlich bleiben. Sehr gut läßt sich diese Entwickelung
an einer Reihe Statuetten des Dispater, des gallischen
Juppiter, verfolgen, die von den Museen zu St. Ger-
main und Bordeaux und von Mr. Chevrier ausgestellt
waren. Auch an der Statuette eines Kriegers (Museuni
von Boulogne) in vollständiger, reicher Rüstung und
Helmschmuck, offenbar nach römischem Muster gearbeitet,
läßt sich der eben erwähnte Unterschied deutlich wahr-
nehmen. Jnteressant ist sodann die Diana Arduenna
der Sammlung Grsau (Fundort: Ardennen), die, den
Pfeil in dcr Hnnd, auf einem Eber nach Frauenart
 
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