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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Woltmann, Alfred: Der neue Katalog der Berliner Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0104

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Der neue Katalog der Berliner Galerie.

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werke und Künstler in Paris" dieses Exemplar gegen
dasjenige im Louvre abwog und ersterem den Bor-
zug gab.

Die FLlle, in denen neue wisseuschaftliche Unter-
suchungen eine Aenderung. der Künstlernamen herbei-
gesührt haben, sind um so häufiger, als seit dem Jahre
1860 keine neue Ausgabe des Waagen'schen Kataloges
erschienen war. Seinem Vorgänger Waagen stellt aber
Julius Meyer das Zeugniß aus, daß er nie versänmte,
die Ergebnisse der sortschreitenden Forschung aufzunehnwn
odcr auch selbst nach erweiterten Studien die Benen-
nungen zu ändern. So waren einige der neuen Be-
nennungen bereits in Waagen's Handexemplar seines
KatalogeS vermerkt, das auch zur Gescknchte der Bilder
manche schätzbare Bciträge enthält, wie der Verfasser
pietätvoll erwähnt. Schon Waagen hatte Gerard
David als Urheber der Kreuzigung Nr. 573 und Pier
Francesco Sacchi als Meister des St. Martin mit
Hieronymus und Benedictus erkannt, eines Bildes, das
früher auf den nicht zu konstatirenden Antonio So-
lario getauft war. Ebenso hatte er wahrgenommcn,
daß LorenzoLotto der Maler jenes herrlichen Archi-
tektenbildnisses sei, das früher als Arbeit des B attista
Franco galt, seitdem aber durch Crowe und Caval-
caselle für Lotto in Anspruch genommen wurde. Die
Verfasser folgen Crowe und Cavalcafelle, wenn sie
Melozzo da Forli als Urheber des seither Braman-
tino genannten allegorischen Bildes hinstellen, das für
den Herzog von Urbino Frederigo da Montefeltre ge-
malt worden, und Piero, nicht Antonio Polla-
juolo als Meister der Verkündigung Nr. 73 ansehen.
Sie widersprechen aber mit Recht denselben Autoren,
wenn sie Bald assare Peruzzi als Meister der an-
mnthigen Caritas aufrecht erhalten und Lorenzo
Luzzida Feltre nicht aus der Kunstgeschichte streichcn
lassen, sondern darthun, daß seine Namensbezeichnung
auf dem Altarbilde in Berlin echt, nicht gefälscht sei
und daß dieses keineswegs von Morto da Feltr e her-
rühre. Jnteressant ist, daß der neue Katalog dic schöne
Pietas, die früher als Mantegna galt, aber sicher
nicht dessen Hand, nur den Einfluß seines Stils zeigt,
dem Giov anni Bellin izuschreiben und dabeinament-
lich an dessen Beweinung Christi in der Brera er-
innern, während Crowe und Cavalcaselle erst an einen
Beronesen, dann an einen der Vivarini, womit wohl
nur Luigi Vivarini gemeint sein konnte, dachten.
Wenn die Namen Hugo van der Goes und Ge-
rard van der Meire aus dem Berliner Katalog
verschwunden sind, so geschah das gleichfalls im An-
schluß an die bisherige Forschung, aber mit gleichem
Rechte sind auch die Namen: „Der Meister mit dem
Weberschiffchen" und „Meister L. 8." Leseitigt. Den
Arbeiten dieser nur als Stecher bekannten Künstler hatte

Waagen einst zwei kleine Bilder verwandt gefunden
und nun diese Meister ohne hinreichenden Grund auch
als Maler in die Kunstgeschichte eingeführt. Die Be-
nennung Cerezo bei dem Brustbilde der Magdalena,
die als Murillo galt, ist einem Winke Bürger's zu
danken. Ganz neu und selbständig sind aber manche
schlagende, sofort einleuchtende Bestimmungen, so die
der Züchtigung Amor's, früher Marten de Vos be-
nannt, als Simon de Vos, die zwei kleinen Bild-
chen, damals van derHelst zugeschrieben, als Cor-
nelis de Vos und zwar als Bildnisse der Töchter
des Malers. Bei Raffael's Madonna der Herzoge
vonTerranuova, welche die Verfasser als das bedeutendste
unter den in Berlin besindlichen Werken des Meisters
hinstellen, glauben sie gegen die neuerdings aus-
gesprochene Ansicht eines von ihnen nicht namhaft ge-
machten Autors, daß dies Bild eine nachträgliche Um-
änderung erfahren habe und in manchen Partien nicht
von Raffael selbst sei, Verwahrung einlegen zu müssen.
Das war fast überflüssig, denn den Urheber jener Kritik
nimmt in der Kunstgeschichte niemand mehr ernst. Bei
der Notiz über den Genter Altar möchten wir einer
Stelle widersprechen. Da wird auch angegeben, welche
Theile des Werkes wahrscheinlich dem Hubert, ivelche
dem Jan van Eyck zuzuschreiben sind, aber indem
die Verfasser das mittheilen zu wollen scheinen, was
ziemlich allgemeine Ansicht sei, referiren sie doch nicht
ganz richtig, und wenn sie im Gegensatze zu Waagen
wie zu Crowe und Cavalcaselle, die dem Jan sämmt-
liche Außenseiten zusprechen, jetzt Hubert allein die Bild-
nisse des Stisters nnd seiner Gattin zuschreiben wollen,
so hätten sie das jedenfalls nicht mit dem Satze mo-
tiviren dürfen: „da sich kaum annehmen läßt, daß bei
einer so weit aussehenden Arbeit die Stifter nicht mit
in erster Reihe an dic Herstellung ihrer Bildnisse ge-
dacht haben sollten." Mit demselben Rechte könnte
jemand, der das Gegentheil meint, zur Begründung
sagen: „Da sich kaum annehmen läßt, daß bei einem
in so frommer Gesinnung bestellten Werke die Stister
gewagt haben sollten, an ihre eigenen Bildnisse zu denken,
so lange die Darstellungen heiliger Gegenstände noch
nicht vollendet waren."

Sonst haben wir nur wenige Stellen, bei denen
etwas zu berichtigen wäre, bemerkt. Bei dem Schläfer
von Adriaen Brouwer, den die Verfasser, auch in
diesem Punkte wohl allzustrenge, nur als Kopie nach
dem Bilde in der Sammlung des Sir Richard Wallace
gelten lassen wollen, erwähnen sie eine gute Wieder-
holung, anscheinend vom Meister selbst, in der Galerie
zu Karlsruhe. Dem ist nicht so; das dortige Bild hat
denselben Gegenstand, ist aber eine ganz verschiedene
Komposition. Bei dem Johannes in der Wüste nach
Raffael (Nr. 242) wird mit Recht bemerkt, daß auch
 
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