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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Rosenberg, Adolf: Ein neues Bild von Adolf Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0135

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Ein neues Bild von Adolf Menzel.

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zwei Räume, einen Saal und eine in denselben miindende
Galerie, ausersehen, die im Charakter der ebenso glän-
zenden wie stilvollen Barockarchitektur konstruirt und
dekorirt sind, in welchem Schlüter einen Theil der
Festräume des Berliner Königsschlosses durchführen
konnte. Er hat keinen bestimmten Raum vor Augen
gehabt; aber er hat ein jedes der herrlichen Dekorations-
motive verwerthet, welche die Paradekammern des
Berliner Schlosses zu den künstlerisch gediegensten und
interessantesten Festräumen DeutschlandS gemacht haben.
Die Wände sind mit Marmor und mit polirtem Stuck
bekleidet, die Plafonds zeigen Gemälde, die von ver-
goldeten Stuckaturen umsäumt werden. Eine Ecke des
Saales füllt ein prächtiger Kamin, und dariiber erhebt
sich ein Krpstallspiegel, der bis zu dem reich gegliederten
Deckengesinis reicht. Von dem Plafond hängt ein
müchtiger Kronleuchter herab, der eine blendende Licht-
fiille auf das Gewiihl der Ballgäste heruntersendet,
und rechts und links vom Eingange zur Galerie, die
den Hintergrund des Bildes einnimmt, stehen bron-
zene Kandelaberträgerinnen, die ihren Neflep auf die
spiegelglatte Fläche des Marmors werfen. Die Leser
der „Zeitschrift" kennen die Meisterschaft, mit wclcher
Menzel gerade die gewaltigen Formen der Barock-
architektur wiederzugeben weiß, aus einer geistreichen
Gouachemalerei, ivelche das erste Heft des elften Jahr-
ganges iu einer Radirung von Unger vorgeführt hat.
Sie stellte eine Partie aus dem Jnnern einer
Kirche in München dar und entzückte das Auge vor-
nehmlich durch ihre wundervolle Beleuchtnng, die zu
verschiedenen Effekten verwerthet war und den archi-
tektonischen Fornien ein starkes Relief verlieh. Das
Studium des Lichts, der Lichteffekte und der Beleuch-
tungsmomente nimmt in dem künstlerischen Streben
Menzel's eine sehr hervorragende Stellung ein. Auf
seinem letzten großen Bilde, dem in diefem Blatte
ausführlich besprochenen „Eisenwalzwerk", lag der vor-
nehmste künstlerische Reiz in dem Kampf, welchen das
von draußen einfallende, graue Tageslicht mit dem
durch die glühenden Eisenmassen und das Feuer des
SchmelzofenS mäßig erfiillten Dunkel im Jnnern der
Schmiede kämpft. Damals scheiterte Menzel's Kunst nvch
an der wohl geradezu unüberwindlichen Schwierigkeit,
die sich dem Maler entgegenstellt, welcher die Weiß-
glühhitze des Metalls durch die Farbc wiedergeben will.
Hier erweist sich das Pignient zu zähe und zu kvrper-
haft, uni sich der Darstellung scheinbar flüssigen Feuers
zu fügen.

Menzel liebt es nicht, wie es Rembrandt und
andere große Meister der Beleuchtungseffekte zu thun
pflegten, die Lichtguellen zu verstecken und nnr ihre
Wirkungen darzustellen. Er geht den schwierigsten
Hindernissen direkt auf den Leib.

Mit einer niemals zuvor erreichten Virtuosität
hat er das Licht der zahllosen Kerzen, die in dem
Kronleuchter und in den Wandkandelabern stecken, die
aus der Galerie ein Flammenmeer nach vorn senden,
faktisch gemalt und zwar so dargestellt, daß die Ab-
sicht nicht hinter der That zurückgeblieben ist. Wir
sehen keine todte Masse von pastos aufgetragenem Weiß
und Gelb, sondern die Flammen scheinen vor unseren
Augen unter dcm Wechsel der sie umgebenden Luft zu
vibriren. Wenn man das Zimmer verdunkelt, eine
Lanipe anzündet und das Licht, durch einen Reflector
koncentrirt, auf die Leinwand fallen läßt, erhoht sich
die Wirkung der brennenden Kerzen noch um ein Be-
deutendes. Dann scheint uns die Schwierigkeit, mit
deren Lösnng sich die größten Maler aller Zeiten ver-
geblich abgemüht, auf das glänzendste gelöst zu sein.
Eine solche künstliche Beleuchtung, die im Allgemeinen
als kunstwidrige Spielerei zu verwerfen wäre, ist hier
ausnahmsweise gestattet. Menzel hat sein Bild bei
Licht gesehen und für das Licht gedacht, wohl auch
für das Licht gemalt. Denn nur so erklärt sich die
wesentliche Erhöhung seiner Wirküng bei Licht. Dann
erst lösen sich die Gruppen in vollster Klarheit von
einander ab, dann erst wird dieser oder jener Ton
verständlich, der uns bei Tageslicht unwahrscheinlich
oder doch räthselhaft vorgekommen ist, z. B. die gleich-
müßige Beleuchtung der entblößten Nacken und Schul-
tern der Damen, die im Vordergrnnde sitzen, und ihr
eigenthümlich gelblicher Ton.

Eine Beschreibung des Bildes entzieht sich der
bescheidenen Kraft, über welche das Wort zu verfügen
hat. Wer Menzel kennt, weiß, daß der Hauptreiz
seiner geistsprühenden Bilder in dem Unsagbaren liegt,
in dem, worauf der artistische Feinschmecker mit der
Hand deutet, ohne die entsprechenden Worte dasür
finden zu können.

Jn dem Eingang zur Galerie, in welcher das
Büffet aufgestellt ist, drängt sich das Gewühl der
Kommenden und Gehenden, der Befriedigten und der
Unbefriedigten hin und her. Wer ein Glas Cham-
Pagner oder eine andere Erfrischung errungen hat,
verfügt sich nach vorn, um in stiller Beschaulichkeit und
in der unbeguemsten Stellnng von der Welt das Er-
oberte zn verzehren. Hier feiert der scharfe Beob-
achter, der Humorist, auch wohl der Satiriker seinen
Trinmph. Das Ballpublikum setzt sich aus den be-
kannten, hoffähigen Schichten der Gesellschaft znsammen:
aus dem diplomatischen Corps, der Generalität, den
Offizieren der Garde, aus Universitätsprofessoren, Aka-
demikern, Geistlichen, einigen wenigen Mitgliedern der
tmuts ünnnos, den Räthen erster und zweiter Klasse.
Es ist iiumer dieselbe Gesellschaft, die nachgerade für
einen Berliner Hofball so typisch geworden ist, daß
 
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