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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Die Restauration des Senatssaales im Kölner Rathausthurm, [1]
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Die Restauration des Senatssaales im Kölner Rathhausthurm.

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hunderts ein imposanter Kaminniantel mit einer zier-
lichen Fialenreihe und zwei Grinköpse als Konsolen
des Balkenträgers. — Eine Vvllige Umgestaltung erfuhr
der Saal im Anschluß an den 1569 vollendeten Por-
talbau durch eine reiche Renaissancedecke und eine
Täfelung mit Thüreinfassung und Sedilien in kost-
barer Marketteriearbeit, mit skulpirten Zwischensätzen
und Zierrathen. Dem Balkenträger verlieh man, wie
die alten Stiche nachweisen, einen besonderen Schmuck
durch einen in der Mitte angebrachten, achteckigen
Baldachin mit Wappenbekrönung, der ein horizontales,
mit der Thurmuhr in Verbindung stehendes Zeiger-
werk umschloß. Die Wänd'e wurden bis zur Höhe
der Fenstersockel niit gewirkten Teppichen bekleidet,
welche bis zu den Sitzbänken herniederhingen und rings-
herum mit dem Kölnischen Wappen geschmückt waren.
Eine Jnschrift auf der Südwand in Antiqua-Lettern
niit einer barocken Einfassung markirte noch, wenn auch
späteren Ursprungs, die Traditionen der Renaissance.
Aus dieser Zeit haben sich die Decke und die Täfelung
in fast intakter Erhaltung herübergerettet und auch
eme dritte Wandlung überdauert, die der Saal in
dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts über sich
ergehen lassen mußte.— Von den französischenFreiheits-
männern wurden die gewirkten Teppiche und alles,
was sonst noch an der Decke und in den Füllungen
des Getäfels Wappen trug, heruntergerissen; der
gothische Stein-Kamin wurde durch einen geschmack-
losen neuen ersetzt, den Wänden eine einfache Holz-
bekleidung gegeben, über welcher langs der Südwand
nnd in der Höhe der Fensterpfeiler ein Cyklus Vvn
allegorischen Bildern seichtesten Charakters von Joseph
Hoffmann paradirte. Sogar bis an den Balkenträger
stieg das Neuerungsfieber; an Stelle der charakteristischen
Grinköpfe wurden zwei langweilige, tief in die Wand-
fläche hinunterreichende Holzkonsolen angebracht. Die
grün angestrichenen Gipsbüsten Voltaire's, Rous-
seau's und Robespierre's endlich vollendeten den un-
harmonischen Gesammteindruck der Einrichtung. Bon
den Hauptbestandtheilen dieses Revolutionsdekors war
der Saal schon befreit, als man neuerdings den
Entschluß zu seiner Wiederverwendung faßte; seine
weiteren Anhängsel, die nüchterne Holzbekleidung mit
dem Kamine und den Konsolen, mußten folgen, um
an der Hand der wirklich stilvollen Ueberreste früherer
Zeiten ein Urtheil zn gewinnen, in welchem Charakter
seine Wiederherstellung am angemessensten zu be-
wirken sei.

Vergegenwärtigen wir uns demgemäß noch ein-
mal die vorhandenen Anhaltspunkte, so finden wir
aus gothischer Zeit außer dem mit dem Balkenträger
abschließenden konstruktiven Gefllge nur vier Jnschriften;
aus der Renaissanceperiode dagegen eine herrliche

Kassettendecke und eine kostbare Täfelung, welche nur
in kleineren Partien der Ergänzung bedürfen. An-
gesichts dieser letzteren, ebenso bedeutsanien wie er-
haltungswürdigen Ueberreste war der Weg der Restau-
ration von selbst gewiesen: dieselbe durfte bloß eine
Wandbekleidung in demselben Charakter vorsehen und
die Verglasung der Fenster herstellen; alle übrigen
Arbeiten waren rein schablonenmäßige, für die das
vorhandene Material in Verbindung mit den vorge-
nannten Kupferstichen über die frllhere Ausstattung des
Raumes die bündigste Richtschnur darboten.

An maßgebender Stelle scheint jedoch eine Er-
neuerung des Saales in modernem Sinne beabsichtigt
zu werden, welche theils unabhängig von dem Alten,
theils in anachronistischer Ergänzung desselben, was
noch verwerflicher ist, vorgeht und auf einzelnen
Pnnkten schon erkennbar ist. Man hat damit be-
gonnen, von den vier interessanten Schriftbändern in
gothischer Minuskelschrift, an denen drei Jahrhunderte
schonend vorübergegangen, zwei vollständig zn über-
tünchen, den beiden andern den Kalkanstrich so nahe
zu rücken, daß die Endigungen der Bnchstaben bereits
nicht mehr sichtbar sind. Dieser letztere Umstand in
Verbindung mit der Thatsache, daß von den über-
strichenen Jnschriften vorher Pausen abgenommen tvnr-
den, würde schon die Wahrscheinlichkeit nahe gelegt
haben, daß man überhaupt auf die ursprüngliche Er-
haltung irgend einer derselben keinen Werth legt. Es
ist aber die Gewißheit ihrer vollständigen Vernichtung
geradezu dadurch ausgesprochen, daß man die Wand-
flächen zu tapezieren beabsichtigt. Da es sich hierbei
in Ermangelung einer allenfalls zulässigen alten
Ledertapete nur um die Anbringung einer gewöhnlichen
Papierdekoration handeln kann, so ist damit die Mo-
dernisirung des Saales schon entschieden. Seinem Zeit-
charakter entsprechend waren nur zwei Arten des
Wandschmuckes möglich. Entweder man griff anf die
früher vorhandene Einrichtung zurück und ließ in der
Sockelhöhe der Fenster gewirkte Teppiche nach dem
Muster der alten bis auf die Sitzbünke herniederhängen
unter entsprechender Abtönung der oberen Wandpar-
tien und Belassung der Jnschriften, oder man ging
zu einer polychromen Musterung der ganzen Wand-
fläche über. Jn dieser letzteren aber hätten die gothi-
schen Schriftbänder niit ihren markigen, lichten Lettern
auf dunkelm Hintergrunde und ihrem im Organismus
des Gemeindewesens nicht oft genug zu wiederholenden
Wahrspruche: „s,näig.tnr st nltsrn pnrs", einen ebenso
wirkungsvollen wie sinnreichen Wandfchmuck abgegeben.
Hoffentlich wird diese Möglichkeit, da bis jetzt die
Wände noch tapetenfrei sind, noch nicht ganz ausge-
schlossen sein. Bedenklicher ist eine bereits vorhandene
Abweichung von dem Stilcharakter des Saales in den
 
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