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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Todesfälle. — Kunstgeschichtliches. — Personalnachrichten. — Kunstvereine.

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vergeblich, den Jugendgenossen in's Schlepptau zn neh-
men, als Ruhm und Ehre ihnen lächelten. Dem
Stiste hatte Daumicr seine ersten Lorbeern zu ver-
danken, und ihm nmßte er mit schmerzlichem Entsagen
bis an sein Ende treu bleiben.

Noch bis vor fünf oder sechs Jahren war er
Mitarbeiter des ,,Otiurivnri", und seine, vier Deeen-
nien französischer Geschichte uinfassenden, Ärbeiten sind
historischen Dokumenten gleichzuachtcn. Unter Louis
Philipp hatten ihm die Septembergesetze die politische
Satire untersagt, und er rächte sich dafür an den
Lächerlichkeiten der Bourgeoisie. Seine „Histoirs
^nsisnns" geht mit den elenden Epigonen, welche
in Louis David's Spuren zu treten und das klassische
Alterthuin zu Bvrwürfen auszubenten suchten, er-
barmungslos in's Gericht. Nach den Febrnarstürmen
lenkte er wieder in die alte Bahn und geißelte die
Reaktionspolitik des Komitö's der Nue de Poitiers,
das Schaukelsystem der Orleanisten, der Legitimisten
und der Jmperialisten, sowie endlich der Anstifter und
Ausbeuter der Deccmbertage.

Keine zweifelhafte politische Größe, keine srag-
liche Gestalt, kein Fehlgriff der Regiernng, kein sociales
Laster, keine Schwäche der Gesellschaft nnd der Zeit
entging seinem Argusange, und Alles sand seinen Platz
auf den Blättern, deren Jnhalte erst nach Daumier's
Tode volle Gerechtigkeit widerfahren wird.

Dieses rastlvsen Schaffens nngeachtet hatte der
liebenswürdige Träumer — denn ein solcher war und
blieb der Südfranzose im praktischen Leben — trotz sei-
ner genauen Kenntniß der Verhältnisse, keinen Spar-
pfennig für das Alter zurückzulegen vermocht. Die
Jahre schwanden, und der mvgliche Verlust des Ge-
sichtes begann als drohendes Schreckgespenst näher und
näher zu rücken. Eine kleine Pension von 2400 Franken
war Alles, was er besaß; so faßte er denn schweren
Herzens den Entschluß, sein geliebtes Paris zu vcrlassen
nnd sich mit seiner treuen Lebensgeführtin in Val-
mondois niederzulassen. Hier zeichnete er noch manche
Karikatur sür den „Otiurivnri" und führte ein still
beschauliches Leben. Der Sommer brachte ihm liebe
Nachbarn: Jules Duprs, dcr in Jsle-Ädam wohnte,
und die Familie Daubigny's, dessen Gut Auvers in
nächster Nähe lag. Die jüngere Generation widmete
dem greisen Künstler nach dem Beispiele der Väter
eine treue Anhänglichkeit, und ihr Geplauder versüßte
ihm manche Stunde, als die Nacht ihn mehr und
mehr umhüllte. Wie Goya mußte er von Licht und
Sonne vor dem Leben Abschied nehmen, die Augen-
schwäche nahm zu, obgleich man ihm noch acht Tage
vor dem Tode die Hand zur Unterzeichnung ciner für
einen Freund bestimmten Skizze führen kvnute. Ein
Schlaganfall beschloß am I I.Februar sein an äußern
Erlebnissen und Erfolgen armes, an Seeleneindrücken
und zweifelsohne auch an Nachruhm überreiches Dasein.
Dis Söhne Daubigny's wachten mit der Wittwe an
dem Sterbelager und sprachen ihr Trost zu: die
Freundschaft war einer der Sterne von Daumier's
Leben gewesen.

Weder die frühe Morgenstunde, noch das schlechte
Wetter und die anderthalbstündige Fahrt mit der
Nordbahn hatten die Kunstgenossen des Todten ver-
hindert, zu seiner Bestattung ani 18. Februar in Val-
mondois zu erscheinen: über hundert Maler, Bild-

hauer und Schriftsteller begleiteten Honors Daumier
zur letzten Ruhe, Dorfbewohner trugen den mit Blumen
und Kränzen bedeckten Sarg nach dem kleinen, steil
am Abhange, unweit des Waldsaumes gelegenen
Friedhofe des Ortes. - Das Ministerium der schönen
Künstc hatte sich telegraphisch erboten, alle Kosten zu
bestreiten, wenn die Beisetzung in Paris erfolge. Die
Wittwe glaubte im Geiste des geliebten Todten zu
handelu, indem sie dem grünen Fleckchen Erde auf
der Höhe oberhalb des engen Thales Von Valmondois
und der lachenden Ebene von Jsle-Adam den Vorzug
gab. Kein Ordenszeichen ward dem Sarge des greisen
Künstlers vorangetragen. Daumier hatte sich ge-
weigert, die nvthigen Schritte zur Erlangung Les
Ordens eines Ritters der Ehrenlegion zu thun, aber
es geschah aus wehmüthiger Bescheidenheit, weil man
ihm diese Auszeichnung erst am Abende seines Lebens
bot, nicht aus Neigung zum Eclat wie bei Courbet, der
sein Ersiaunen über diese Anschauung kund gab: „Aus
Daumier wird niemalS Etwas werden, er ist ein
Träumer!"

Die ganze ländliche Bevölkerung gab ihm das
Geleite, und der Maire von Valmondois widmete dem
Bewohner seiner kleinen Gemeinde am offenen Grabe
'einen kurzen Nachruf, während Herr Champfleury den
Künstler und sein Talent feierte. Herr Carjot schloß
die einfache Feier durch die Vorlesung eines Gedichtes
von Andrs Gill. Hermann Billung.

Todesfälle.

Carlo Pini, Direktor des Kupferstichkabinets und der
Handzeichnungensammlung der Uffizien, ist am 6. März in
Florenz gestorben.

Aunstgeschichtliches.

Nus Olympia sind, nachdem die im Osten der Altis
fortgeführtsn Ausgrabungen die Fundschichten wieder erreicht
haben, neue Nachrichten über werthvolle Funde eingegangen.
Jn der Gegend vor der Halle der Echo und der Südwest-
halle sind im Laufe der letzten Wochen gefunden worden:
ein Herakleskopf von einer Metope des Zeustempels, der
Kopfsdes Oinomaos vom Ostgiebel, der links Fuß der Nike
(an das Bein genau anpassend), ein altsrthümliches Bronze-
relief (Herakles als Bogenschütz), ein wohlerhaltener Bronze-
Eimer und eine Gruppe dreier altgriechischer Gebäude, im
Maßstabe wie das Heraion und die Säulen noch am Platze
stehend. (Köln. Zeitg.)

personalnachrichten.

»r. Hubert Janitschek, bisher Privatdocent an der
Wiener Nniversität und Custos am Oesterreichischen Museum,
wurde zum außerordentlichen Professor der Kunstgeschichts
an der Universität Prag ernannt und wird mit dem nächsten
Wintersemester sein neues Lehramt antreten.

Aunstvereine.

Da der Fonds des Scichsischen Kunstvereins für öffent-
liche Zwecke wiederum auf ungefähr 15,000 Mk. angewachsen
ist, so hält es das Direktorium des Kunstvereins für an der
Zeit, eine statutenmäßige Verwaltung desselben durch Schaf-
fung eines dem allgemeinen Jnteresse dienenden Kunstwerkes
stattfinden zu lassen. Zu diesem Zivecke wurde zweierlei in
Ausstcht genommen: entweder die an den beiden Stirnseiten
der Begräbnißhalls des neuen Annenfriedhofes zu Löbtau
projektirten vier Reliefs, zu welchen die Sandsteinbossen bs-
reits vorhanden sind, herstellen zu lassen, oder die Aula
 
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