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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Preller-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie
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Preller-Ausstsllung m der Berliner Nationalgalerie.

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Weimar befindlichen Arbeiten Prellcr's ist hier fast dcr
gcsammte tunstlerische Nachlaß des Meisters zu einem
imponirenden und höchst lehrreichcn Gesannntbilde ver-
einigt. Da die Nationalgalerie die in den Jahren
1854—56 entstandene zweite Bearbeitung der Odyssee-
landschaften besitzt, hat man hier die schönste Gelegen-
heit, die verschiedenen Wandlungen und Umgestaltungen
kennen zu lernen, welche dieseS Hauptwerk des Meisters
von dem Jahre 1832 bis zum Jahre 1869 durch-
gemacht hat. Jn der ersten Fassung, die im Jahre
1834 im Härtel'schen Hause zur Ausführung gelangte,
waren es nur sieben Kompositionen, die uns noch im
Stadium des Entwurfes in Sepia und Aguarell vor
Augen gesührt werden. Auf ihnen ist die künstlerische
Eigenart Preller's bereits völlig zum Durchbruch ge-
langt. Es ist interessant, an seinen ersten landschast-
lichen Kvmpositionen zu beobachten, wie er sich langsam
zu seiner für ihn so charakteristischen Ausdrucksweise
an dem Vorbilde eines I. A. Koch, eines Pousstn, ja
sogar eines Philipp Hackert emportastete. Er kom-
ponirte und stilisirte römische Landschaften, namentlich
Partieen aus der unerschöpflichen Umgegend von Ole-
vano, ganz im Geiste der drci genannten Meister, bis
er sich endlich und zwar als verhältnißmäßig noch
junger Mann zu jener Grvße der Naturauffassung
emporschwang, welche am reinsten in den Odyssee-
landschaften zum Ausdruck gekommen ist.

Zu dieser eigenthümlichen, auf das Großartige
gerichteten Auffassung der Landschaft gelangte er auf
Grund der sorgsamsten und treuesten Naturstudien, die
er bis in sein spätes Alter fortsetzte. Der achtund-
sechszigjährige Greis zeichnete die Eichen von Otevano
nvch mit demselben Eifer, demselben rührenden Fleiße
wie es der fünfundzwanzigjährige Jüngling gethan.
Nur faßte sein Blick in den späteren Jahren die
Einzelformen der Natur bereits so einfach groß, so von
allen Zufälligkeiten gereinigt, so stilisirt auf, wie er sie
für seine idealen Kompositionen brauchte. Die Zeich-
nungen, besonders die schönen Bleististstudien aus
den letzten zwanziger und den dreißiger Jahren,
zeichnen sich nicht nur durch liebevollste Wiedergabe
der Natur, sondern auch durch einen ungemein wohl-
thuenden Adel der Auffassung aus. Jch könnte mir
keine besseren und zweckentsprechenderen Vvrlagen für
unseren arg vernachlässigten Zeichenunterricht in Volks-
schulen, Gymnasien und Nealschulen denken, als diese
Preller'schen Baumstudien. Jm günstigsten Falle legt
man wohl hie und da zum Studium des Baum-
schlags Lithographien nach Calams vor. Aber welchen
Kontrast bilden die nianierirten, mehr auf den male-
rischen Effekt berechneten Zeichnungen des Schweizers
zu den feineren, detaillirten und charaktervollen Stu-
dien Preller's!

Die zweite Bcarbeitung der Odysseelandschaften,
die nunmehr auf sechzehn erweitert wurden, fällt in
die Jahre 1854—56. Es sind die Kohlenzeichnungen,
welche, gleich nach ihrer Vollendung in Berlin bei
Sachse ausgestellt, namentlich auf der Münchener
Knnstausstellung von 1858 den Ruhm ihres Schöpfers
begründeten und jetzt im Besitze der Nationalgalerie
sind. Es will mir fast scheinen, als hätte die Bear-
beitung letzter Hand, die nach den gegenwärtig hier
ausgestellten Farbenskizzen in der Loggia des Weimarer
Museums ausgeführt ist, den grandiosen und einfachen
Charakter der Berliner Kartons nicht mehr in allen
Stücken festgehalten. Dies gilt namentlich von der
Staffage, deren Gruppirung nicht überall so klar ist,
wie auf den Exemplaren der zweiten Bearbeitung.
Hier sind auch einzelne Baulichkeiten reicher nnd wirk-
samer gestaltet, und die Bewegung dieser und jener
Hauptfigur ist minder theatralisch. Vielleicht mag aber
auch die farbige Aussührung diesen unruhigen Ein-
druck hervorbringen. Preller war kein Kolorist im
modernen Sinne. Seine ganze geistige Richtung weist
ihn noch in die klassische Epoche der neueren deutschen
Malerei hinein. Aber nichtsdestoweniger suchte er mit
der koloristischen Bewegung der Neuzeit gleichen Schritt
zu halten, und bis zu einem gewissen Grade gelang
es ihm auch, mitzukommen.

Seine in Oel ausgeführten Landschaften, von
denen wvhl die schönste, Acgua acetosa bei Rom, im
vorigen Jahre in Paris war, haben fast alle die
Eigenthümlichkeit, daß der gewöhnlich von einem durch
Gewitterwolken verdüsterten Himmel scharf beleuchtete
Mittelgrnnd mit vollendeter Meisterschaft ausgeführt
ist, die sich sowohl in koloristischen -Finessen als ganz
besonders in der charaktervollen Behandlung des Ter-
rains kundgiebt. Gegen den Vordergrund wird die
koloristische Haltung immer unruhiger und verzettelt
sich schließlich in kleinliche Effekte, welche den Genuß
am Ganzen stvren. Jn seinen Kartons fällt diese
Schwäche selbstverständlich fort.

Noch sei besonders auf die sleißigen Aktstudien
hingewiesen, die Preller nicht bloß in seiner Jugend,
sondern auch später für die Figuren im Wielandzimmer
und auf den Odysseebildern trieb. Die genaue Kenntniß
des menschlichen Körpers ging später nicht mehr mit der
liebevollen Durchführung Hand in Hand. Trotzdem er-
innern diese Zeichnungen nach dem lebendenMvdell an die
Art Schnorr's von Carolsfeld, an den auch eine statt-
liche Sammlung sehr fein und geistreich charakterisirter
Porträts gemahnt, welche bis in die sechziger Jahre
des Jahrhunderts hineinreichen. Zu den liebevollsten
dieser Sammlung gehört das Bildniß Albert v. Zahn's,
zu den merkwürdigsten das Genelli's. Es scheint, als
hätte Preller längere Zeit nach der Ausführung des-
 
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