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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0223

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhauss.

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socstssis. iräiituus erzeugt in der Negel andere Vor-
stellungen; doch wir wollen mit dem Künstler dar-
iiber nicht rechten. Weiser's Technik ist eine zerfahrene
nnd skizzenhafte; bei aller Hochnchtung für die „künst-
lerische Breite" müsscn wir doch sagen, daß hier des
Guten zuviel geschehen ist. Die Breite der Technik
hat in eineni entsstrechenden Verhältnisse zu der Größe
der zu behandelnden Figuren oder Motide zu stehen.
Auch Meiffonier hat ja eine breite Technik, und doch
halten die Pinselstriche auf seinen kleinen Bildern auch
nnter der Lupe Stich. Weiser's Breite in der Be-
handlung ist hier nicht im Einklang zu der Größe der
Figuren, und so kommt es, daß das Bild eiuen un-
fertigen Eindruck macht. Der Grad der Entwickelnng,
bis zu welchem das Bild geführt wnrde, mag aus-
reichen, wenn es sich nnr um einen Atelierschmnck
handelt, weiter nicht. Es ist das eine sehr häufig
anzutreffende Erscheinung, daß die Maler aufhören,
an einem Bilde zu arbeiten, so wie sie nur das
„Farbenbouquet" beisammen haben, in der vielleicht
nicht imnier unbegründeten Furcht, jeder fernere Pinsel-
strich werde die schon erzielte Wirkung abschwächen.
Daher die vielen nnfertigen Bilder auf allen Aus-
stellungen, die anf dem Jrrthunie basiren, daß nämlich
genau dieselben Wirkungsbedingungen maßgebend seien
für ein Bild, wie für eine Skizze.

Ziemlich stnrk ist das schöne Geschlecht auf der
Ausstellung vertreten, und an den vorliegenden Leistungen
merkt man es nicht, daß dieses Geschlecht auch das
schwache ist. Wir haben die Gräfin Pötting und
die Gräfin Näko; sie malen so gut, wie sehr vieke,
und die Gräsin Nemes und Tina Blau wie sehr
Wenige ihrer männlichen Kollegen. Die Gräfinnen
Pvtting und Nemes haben Selbstportrüts ausgestellt;
das Bild der Ersteren ist eine recht srische Leistung,
die freilich sich neben dem Werke der Letzteren nicht
zu behaupten vermag. Es steckt eine seltene und sorg-
fältig gepflegte Begabung in diesem mit schlichter Ehr-
lichkeit gegebenen Bildniffe der Gräfin Elisa Nemes,
eine Begabung, die Einem Respekt abzwingt. Tina
Blau nöthigt uns dasselbe Kompliment auf land-
schaftlichem Gebiete ab. Man sieht ihren Bildern
freilich noch immer an, daß sie durch die Schindler'sche
Schule gegangen ist; aber einmal ist diese Schule eine
gute Schule, und dann kommt sie ihrem Meister oft
sehr nahe; sie ist offenbar durch eine künstlerische Wahl-
verwandtschaft an denselben gebunden. Denn jenes
prickelnde, moussirende, perlende Etwas, das Schindler's
Gemälden ihren eigenthümlichen und pikanten Reiz
verleiht, ist nuch in Tina Blau's Landschaften nach-
zuweisen, ohne daß man dabei die Empfindung hätte,
hier sei die Marke nachgemacht und der köstliche Stoff
gefälscht worden.

Der denLesern dieserZeitschrift wohlbekannteKupfer-
stecher Joh. Klaus hat sich, wie er das gelegentlich
zu thnn Pflegt, wieder einmal in der Malerei versucht
und einige Bildnisse ausgestellt, Welchen man es nicht
ansieht, daß ihr Urheber kein Maler ist. Mit sicherem
Blick erfaßt er die Jndividualität der darzustellenden
Persönlichkeit und zeichnet mit markantem, entschiedenem
Strich; dabei braucht er inuner nur Kupferstecher und
nicht niehr zu sein. Seine Technik ist frei, seine Farbe
gut; auch als Kupferstecher hat er zn viel Geschmack,
nm an einer geleckten Technik seine Freude zn finden.
Und wenn seine Farbe gesund nnd gut ist, so koinmt
das daher, daß er als reprodueirender Künstler daran
gewöhnt ist, scharf zuzusehen und nachzumachen, ivas
er sieht. Er reproduzirt also Lie Natur, wobei wir
allerdings nicht sicher sind, ob e^ nicht bisweilen als
echter Kupferstecher und aus lieber Gewohnheit seine
Bildnißmodelle verkehrt malt. Da, wo ihm der Kupfer-
stecher nicht mehr im Nacken sitzt, da wankt nnd
schwankt er hänfig. Wie er seine Porträts in den
Rahmen hineinkomponirt, wie er die malerische An-
ordnnng besorgt, darin zeigt sich eine Unbehvlfenheit,
die fast rührend wirkt im Kontrast zu der enormen
Sicherheit, mit welcher Klans auf der Kupferplatte
hantiert. Auch Numpler's Kinderporträt ist nnfrei
im Arrangement. Jm Uebrigen hat das Bild manche
Vorzüge in der Zeichnung und Färbung, wenn es
auch nicht ausreicht, uns einen rechten Begriff von
der Thätigkeit des vielgerühmten Künstlers zu geben.
Ein wunderliebes, nngemein delikat behandeltes Frauen-
bildniß haben wir vou Fröschl erhalten. Es kann
im Jntereffe des jungen Malers nicht dringend genng
gewünscht werden, daß er die hier erreichte Qualität
zur Regel mache; er hat es nun bewiesen, daß das
in seiner Hand liegt.

Eine Reihe entzückender Agnarelle hat wiedcr
Meister Rudolf A lt geliefert. Es giebt nichts anf der
AuSstellung, was reicheren Genuß bieten würde, als
diese tzrächtigen Blätter, wenn nian sich einmal so recht
in ihren Anblick versenkt. Straßenansichten, Jnterienrs
aus prunkvollen Kirchen und reichdekorirten Privat-
häusern, Alles ist mit einer Frische, einer Lebendigkeit,
einer erstaunlichen Accurateffe gemacht, daß Einem daS
Herz aufgeht vor Freude, wenn man diese genial ge-
malten Liebenswürdigkeiten vor Augen hat. Rndolf
Alt, der sich mit seinem Farbenkästchen harmlos, und
ohne sich durch etwas ablenken zu lassen, in das Ge-
tümmel der Wiener Straßen hineinstellt, um ein in-
tereffantes Bauwerk abzumalen, hat auch Las Zeug
zum Gelegenheitsmaler; er hat mit seiner „Feierlichen
Eröffnung der neuen k. k. Akademis der bildenden
Künste in Wien" ein Gelegenheitsbild geschaffen, dem
man die Schwierigkeiten, unter welchen es entstanden
 
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