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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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479

Nekrolog.

480

von Jaffa", ein, um dessen begeisterter Schüler zu
werden. Nach Gros' Tode übernahm Paul Delaroche
das Atelier, und Couture lauschte auch seinen Lehren.
Trotzdem erhielt er 1837 nur den zweiten Preis und
begab sich zu einer kurzen Studienreise nach Jtalien.
1840 stellte er den „Jungen Venetianer nach einer
durchschwärmten Nacht" aus, 1841 die,,-Wittwe", die
„Rückkehr aus demFelde" und den „Verlorenen Sohn",
ein Bild, welches mit Recht großen Beifall fand und
dem jungen Maler die Aufnierksamkeit der Kenner
zuwendete. Jn nachläßiger Haltung sitzt der verlorene
Sohn mit herabhängenden Beinen auf einem Felsen;
die Auffassung war nicht ungewöhnlich, aber die Aus-
führung verrieth eine ausgesprochene Begabung für
Kolorit und Zeichnung.

Von nun ab ging es mit Riesenschritten bergan.
1843 brachte er den „Troubadour", dessen Mando-
linenspiel zwei liebliche Mädchengestalten lauschen, und
mehrere Porträts, 1844 die von der Regierung für
das Museum von Toulouse angekaufte „Geldgier",
ein wahrhaft geniales Gemälde, und 1847 das große
Ereigniß der damals noch im Louvre abgehaltenen
Ausstellung der Lsuux-^rts, das kolossale, figuren-
reiche Gemälde: „Die Römer der Verfallzeit" oder die
„Arunäs or^is", wie es anfänglich auch genannt ward.
Es nahm den Ehrenplatz des „8ulon sarrs", die große
Wand, wo sonst Paul Veronese's Hochzeit von Kana
das Auge zu entzücken Pflegt, ein und erregte einen
jubelnden Beifallssturm von allen Seiten, weil es zur
rechten Zeit kam. Die lange Reihe von Delacroix's
Schülern und Nachahmern hatte sich in Farbendisso-
nanzen überboten, Couture's elegante, glatte Dar-
stellung, seine gewandte Gruppirung der Gestalten,
seine technische Fertigkeit, die correcte Zeichnung der
Prachtarchitektur, sowie die Anklänge an die Meister-
werke der venetianischen Schule in der Wiedergabe
der Einzelheiten Paßten sich der herrschenden Ge-
schmacksrichtung an, und Couture wurde der Held des
Tages. Trotzdem pulsirt kein Leben in den Adern
dieser verweichlichten Abkömmlinge der ehernen Welt-
eroberer; der Maler führt uns ein üppiges Festgelage
vor, aber seine Frauen sind keine Hetären nach dem
Vorbilde der Griechen, sondern moderne Courtisanen,
seine Römer sind Pariser aus den vierziger Jnhren,
und den halb stoisch, halb spöttisch zuschauenden
Philosophen fehlt die ernste Würde der Antike. Das
Gemälde, eines der Prunkstücke der Ausstellung der
Lsaux-L.rts, gewann Couture die erste goldene Me-
daille und das Kreuz der Ehrenlegion und brachte
ihm 1855 bei der Weltausstellung nochmals eine
Fülle von Ruhm und Lorbeeren. Mehr noch als dieses
eine Fläche von 4,66 und 7,73 Met. bedeckende Bild,
dessen Figuren Lebensgröße haben, ist sein zweites,
gleichfalls auf dem „Otmwps äs Nars" ausgestelltes
Werk: „Der Falkner", Couture's Meisterleistung, in
Lem seine Thätigkeit gipfelte. Jni glücklichsten Silber-
tone steht der schwarzgekleidete Jüngling mit dem
langen Haar und dem schönen Antlitze, den Falken
auf der Faust, da. Ein Bilderhändler des Boulevard
Montmartre erwarb das Gemälde für 1200 Franken
und stellte es in sein Schaufenster, bis sich unter all
den Enthusiasten ein Küufer fand. Auch für das Por-
trät war Couture hervorragend begabt und begann,
ermuthigt von dem Beifalle, der seine Schöpfungen

im Salon begrüßte, neben den Entwürfen zu den be-
deutenden, ihm von der Regierung zugewendeten Be-
stellungen, sich vorzüglich der Porträtnialerei zu widmen.

Leider sollte der überraschende Erfolg und die
dadurch in ihm geweckte Selbstüberschätzung zur Klippe
für Couture's Zukunft werden. Gleich Courbet hielt
er sich fortan für den Reformator der Kunst, eröffnete
in der Rue de la Tour d'Auvergne ein vielbesuchtes
Schüleratelier und überwarf sich bald in Folge seines
hochfahrenden Wesens mit derMehrzahl seiner Genossen.

Ein zweites umfangreiches Bild: „Die Einstellung
der Freiwilligen von 1792" sollte das Gegenstück zu den
„Nömern der Verfallzeit" werden, aber Hand und Geist
ermüdeten vor der Vollendung, da Couture Zeit und
Kraft durch die Uebernahme jedes Auftrages von Fern
und Nah zersplitterte, und er kam nicht über die Vor-
arbeiten zu dem großartigen Kulturbilde aus der Re-
volution hinaus. Jm Auftrage Ler Regierung unter-
nahm er die beiden umfangreichen Gemälde: „Die
Rückkehr der Truppen aus der Krim" und die „Taufe
des kaiserlichen Prinzen", 1855 ward ihm die Aus-
schmückung der Kapelle Unserer Lieben Frau in der
Kirche St. Eustache in Paris anvertraut, aber das
Ergebniß blieb hinter den hochgespannten Erwartungen
zurück, vielleicht weil Couture, zur Entrüstung des
Pfarrers, den Kaufmann bis in die heiligen Hallen
mitnahm: selbst in der Kirche ertheilte er den Frem-
den, welche sich um seine Skizzen, Zeichnungen und
Gemälde hewarbeu, Tag für Tag Audienz und ward
rasch zum reichen Manne, während in Kunstkreisen
sein Ansehen in demselben Maße abnahm.

Ein kleineres Bild, „Pariser der Verfallzeit", vier
betrunkene Masken, von denen der noch aufrechtstehende
Hanswurst die drei halb bewußtlos am Boden liegen-
den Genossen mit der Melancholie des nahen Katzen-
jammers betrachtet, bezeichnet sein Herabsteigen von
der kühnen Höhe der Genialität zu dem flachen Niveau
der Mittelmäßigkeit. Auf dem Gebiete des Porträts
zählen seine schönen Zeichnungen von George Sand
und Bsranger zu dem Besten, was er geschaffen hat.
Bezeichnend sür das Ansehen von Couture's Arbeiten
auf dem Kunstmarkte sind die bei der Auktion der
Sammlung Laurent-Richard am 25. Mai 1878 für
seine beiden Gemälde, „1s ikisrrot irmlaäs" und
„l'OrAis" im Hotel Drouot erzielten Preise: 8000
und 6300 Franken.

Als ein letzter Versuch, die einstige Stellung durch
ein spätes Wiedererscheinen im „Salon" neu zu erobern,
fehlschlug, verließ er Paris und zog sich auf sein Schloß
Villers-le-Bel zurück, wo man den reicben Mann weit
in der Runde achtete, den Künstler dagegen wenig
kannte. Seit lange malte er nur für Amerika; er
hatte die Heimat verläugnet; jetzt gab sie es ihm
zurück, und seine untersetzte Gestalt mit den breiten
Schultern und der selbstbewußten Haltung ward auf
den Boulevards ein seltener Gast.

Auch mit der Feder war Couture gewandt und
kühn, was um so erstaunlicher ist, da er, wie gesagt,
nur die Kommunalschule durchgemacht hatte. Er schrieb
mehrere pamphletartige Abhandlungen: „Methode und
Unterhaltungen aus dem Atelier" und verkaufte sie,
charakteristisch für seine Eitelkeit, bei sich im Hause, mit
seiner autographischen Bleistiftunterschrift versehen.
Boshaste Ausfälle gegen ihm mißliebige Zeitgenossen
 
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