Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

DOI Artikel:
Die Wiener Feiertage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0248

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
463

Die Wiener Feiertage,

494

Der kostümirte Festzug war in die Mitte des
ganzen Huldigungszuges gcstellt. Vor und hinter dein
kostumirten Zuge schritten die Festtheilnehmer in mo-
derner Tracht cinher, und zwar an der Spitze die
akademische Jugend der Wiener Hochschulen, mehrere
Tausend an der Zahl, dann die Turner, Schützen,
Dcputationcn der Vereine und gewerblichen Genossen-
schaften, welche nicht im Kostüm erscheinen wollten,
zum Schluß die Züge der modernen Jagd, die Feuer-
ivehren, Veteranenvereine u. s. w. Für unsere Leser
hat nur der kostümirte Theil des Zuges ein specielles
Jnteresse und nuch in seiner Beschreibung dürfen wir
uns kurz fassen, da die Aufeinanderfolge und manche
wichtigeren Details der Gruppen bereits in dem ein-
leitenden Aufsatze unseres letzten Heftes geschildert tvor-
den sind. Allerdings, wer hätte ahnen können, was
wir jetzt in Wirklichkeit geschaut! Vor der größten
Gefahr, an der das Ganze schcitern konnte, nämlich
der einer theatralischen Maskerade, war der Wiener
Festzug durch den Ernst, mit dem die Sache angefaßl
wurde, von vornherein bewahrt. Aber wie vieles konnte
da noch an der Unzulänglichkeit einzelner Kräfte, an
der Kürze der Herstellnngszeit, an der Neuheit und
Kolosialität des ganzen Unternehmens scheitern! Bvn
allen diesen Möglichkeiten ist zum Glück nicht eine
einzige eingetroffen. Das Schauspicl hat sich in so
überwältigender Schvnheit nnd Gcdiegenheit Vvr unsern
Augen entfnltet, tvie anch die höchstgespannteste Erwar-
tung es sich nicht glänzcnder hätte ansmalen können.

Wie nnr die ersten Spitzen des Zuges sich zeigten,
da war es, als vb ein Gcist künstlerischer Andacht, wie
vor der Darstellung eincs ernsten Drama's, die Massen
durchdränge nnd immer wieder, ivenn neue Züge die
Blicke fesielten, hielt das bewundernde Schauen den
Jubel zurück, welcher der Brust sich entringen wollte,
bis dann vor irgend einer Gestalt oder einer Gruppe
vvn überwältigender Schönheit Alles in bransendes
Hochrufen ausbrach.

Dies geschah gleich beim Auftreten der ersten Hanpt-
abtheilung, des kostümirten Jagdzuges, ivelcher durch
Feinhcit der farbigen Wirkung und svlide Pracht einen
dcr gelungensten Theile des Ganzen bildete. Da ritten
und schritten, dem Bannerträger mit der Fahne des
h. Hubertus folgend, die Träger der ältesten Adels-
namen Oesterreichs, die Grasen Wilczek, Brenner
Hoyos u. A., angethan mit dem alten Waffenschmuck
ihrer Rüstkaiiiinern nnd wohlgewähltem, mit aller Treue
durchgeführtein KostUm an der Spitze ihrer Leute ein-
her, dcren Gcstalten nnd Waffen auch lauter Figuren
aus Burgkmair's Trinmphzug glichen. Den Mittel-
punkt des Zuges bildete der Wagen des Jagdkönigs,
dessen riesiges, schvngeschwungenes, vergvldetes Gestell
ganz mit Grün und prächtigem Pelzwerk überdeckt war.

Auf dem Vvrdertheil erhvb sich die schlankc silberne
Gestalt der Jagdgöttin von Zumbusch, mit der
einen Hand den vergoldeten Bogen, in der andern die
Leine ihres Windhunds haltcnd. Jnmitten des Wagens,
zu Füßen des Jagdkönigs, war das Schantl'sche Horn-
guartett postirt, wclches die Menge von Zeit zu Zeit
durch scine melodischen Weisen erfreute. Ganz beson-
dere Sorgfalt hatte mau auf die Wahl nnd Beschirrung
der herrlichen Rosse verwendet. Das Riemzeug der
Wagenpferdc bestand aus braunem, mit movsgrü-
nem Tuch besetztcn Leder. Die Knmmete hatten lange
>Schaufelhölzer, die in Fratzenköpfe endigten, letz-
tere, wie alle Beschläge, reich vergoldet. Uuter den
Gruppen, tvelchc dem Wagen folgten, zogcn namentlich
die Goliathgestalt des Rüdenmeisters und der Führer
einer Grnppe in Gelb und Weiß geklcideter, hochstäm-
miger Lente, Rittmeister Buchwald mit seinem mächtigen
Zweihänder, sowie die Falkoniere mit ihren Pagen die
Blicke auf sich, jugcndlich kräftigc Gestalten aus muthig
courbettirenden Rossen, an denen cin -kenophon seine
Frende gehabt hätte, so verwiindersam ihm auch ihre
in Gold und Farben glitzerndc Tracht vorgekommen
tväre. Den Schlnß der Abtheilung bildete cin kleiner,
ganz in Roth geklcideter Mohrenknabe, der einen riesi-
gen Hnnd mühsam an der Leine sührte: eine Gestalt,
ivie aus einem Bilde von Tiepolv herausgeschnitten,
ein hellcr Jubelrnf der Farbe nach den sanften Accor-
den Vvn Grün, Braun und Gran, ivelche die Welt
des Waidiverks darbot.

sttnn folgten, jede immer wieder neuen Reiz ent-
htillend, die Grnppen nnd Wagcn dcr zahlreichen Ge-
nvsseiischaften, welche akle Stände nnd Kreise der
incnschlickien Beschäftigiing repräsentirtcn: die Gruppen
des Garten- nnd Ackerbaus, des Handels und der
Jndiistrie, Ivie wir sie neulich den Lesern aufgezählt
haben. Wir verweilen darnntcr zunächst noch fiir einige
Augcnblicke bci dem großartigen Bilde der Eisenbahn-
grnppe. Diese ivar nicht nur an Zahl Wer Theil-
nchiner und Ncichthum der Ansstattnng eine der wirk-
samsten Vvn allen, sondern sie verdicnt hier namentlich
deshalb speciell hervorgehoben zu werdeu, weil sie in
ihrem Prachtwagen ein wahrhaftes Knnstwerk von
dauerndem Werth nufzuweiscn hatte.

Der klrheber desselben ist der junge Wiener Bild-
haner R. Weyr, ein Schüler Cesar's und Bauer's,
der mit Knndmann znsammen das Grillparzer-Denk-
mal ausführt nnd sich früher schon durch eine Rcihe
von dekorativen Arbeiten (einen Tafelaufsatz, Reliefs
an den kaiserl. Museen u. A.) als ein vielverheißendes
Talent ankündigte. Mit seiner plastischen Ausschmückung
des „Trinmphwagens des Feuergottes" hat er nnter
allen seinen Kvnkurrcnten beim Festzuge den Vogel
abgeschosien. Vornehmlich die drei an der Spitze des
 
Annotationen