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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0280

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Der Pciriser Salon.

selben jugendlichen Meisters, auf welche wir noch zu-
rückkommen werden, ist in der Technik dem Porträt
Sara Bernard's noch überlegen, und Bastien Lepage
hat gute Aussicht auf den diesjährigen Preis; auch er
ist Schüler Cabanel's.

Nelie Jacguemart hat zwei gutemännlichePor-
träts ausgestellt. Entschiedenen Fortschritt bezeichnen
Luise Abbema's weibliche Bildnisse: Jeanne Samary,
die blonde, blauäugige, stets zu Scherz und Lächeln
bereite Schauspielerin, und eine ernste schöne Frau in
dunkler Kleidung. Der belgische Historienmaler Emil
Wauters, dessen„Wahnsinn des Hugo van der Goes"
das BrüsselerMuseum schmückt, stellt sich mit dem Bilde
der Frau Judic als Porträtist vor; das schelmische
Gesicht der Schauspielerin ist sprechend ähnlich. Auch
Maler und Bildhauer sind im Kreise vertreten, Sar-
gent führt uns das bekannte dnnkellockige Haupt seines
Lehrers Carolus Duran vor, Spirid on den Jtaliener
Monteverde, den Schöpfer der auf dcr vorigjährigen
Ausstellung preisgekrvnten Marmorgruppe „Jenner
impft seinen Sohn."

Während Bonnat den Großvater malte, ward
Voillemot beschästigt, Gcorg und Johanna Hugo,
die beiden Enkelkinder des Dichters, zu einer an-
mnthigen Gruppe zu vereinen. Es sind zwei liebliche
Gestalten; der helläugige Knnbe steht hinter dem
Sessel der Schwester, welche frisch und fröhlich in die
Welt blickt und das Buch des Ahnen „I/urt ck'ötro
Ai'unä psrs" als geistiges Adelsdiplom in der Hand
hält. Das Doppelbildniß ist mehr des Gegenstandes
als der Ausführung wegen interessant.

Das Aufsuchen des Porträts hat nns durch alle
Säle geführt, und wir wollen zum Schlusse dieses
ersten Berichtes eine kurze Rundschau unter den vom
Staate angekauftcn Werken halten. Da ist zu-
nächst der „Heilige Cuthberth" von D uez, das wunder-
barste aller riesigen Triptpchen, welche je das Atelier
eincs Legendenmalers vcrließen. Es stellt drei Episoden
aus dem Leben des Heiligen dar, zuerst wie er als
Knabe zu uächtlicher Zeit eine Heerde von Schasen
hütet und die Seele seines Oheims, des Bischofs
von Lindisfarn, als helle Fencrflamme gen Himniel
fahren sieht. Dann, anf dem großen Mittelbilde, wie
er selbst als Bischof von Lindisfarn, an cinem heißen
sonnigen Tage — Duez hat zum Zwecke seiner Stu-
dien mehrere Monate auf dem Lande zugebracht, —
auf ungebahnten Wegen, nnr von einem Knaben be-
gleitet, im vollen Ornate mit Bischofsstab und Mütze
durch seine Diöcese wandert nnd von einem Adler
wunderbar gespeist wird. Auf dem dritten Bilde hat
der Würdenträger der Kirche sich in die Einsamkeit
zurückgezogen und bestellt, dürftig mit einer Hvse
und arg zerrissenen Strümpfen bekleidet, im Schweiße

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seines Angesichtes sein Feld. Die Böglein des Him-
mels, eine bnnte Schaar der verschiedensten Art, laden
sich zu Gaste, die frische Aussaat aus den Furchen zu
picken, bis die kindliche Bitte des Heiligen, ihm soviel
er bedürfe zu seiner Nahrung zu lassen, sie augenblicklich
verscheucht. Duez will das mittelalterliche Heiligenbild
durch eine schmucklose Darstellung der Legende ersetzen,
er hat sich bestrebt, im landschaftlichen Hintergrunde
Treue der Perspektive und des Kvlvriles festzuhalten und
seinen Personen eine natürliche Haltung zu geben,
was ihm auch theilweise gelungen ist. Die Gestalt
des bis zum Gürtel entblößten, dem Adler voll freu-
digen Staunens die Arme entgegenstreckenden Knaben
ist ungekünstelt, voll Leben und Bewegung, und das
naive Vertrauen im Blicke des Bischofs erinnert an
altvergangene Zeiten der Heiligenmalerei.

Bouguereau's „Geburt der Venus", ein figuren-
reiches Gemälde, wo sich Liebesgötter nnd Tritonen
um die auf einer Muschel stehende schanmgeborcne
Göttin drängen, leitet auf ein anderes Gebiet. Mit
einer wohlgelnngenen Bewegung driickt sie das lange
nafse Haar aus, zu ihrer Rechten blickt ein liebendes
Paar froh errcgt zu ihr auf, Tritonen stoßen zum
Gruße des Willkvmmens in das Muschelhvrn und
licbliche Kinder tummeln sich auf einem Delphin zu
ihren Füßen. Es ist eine akademische Arbeit, deren
Zeichnung gnt, deren Kolorit dagegen matt und ungleich
ist. Warnm sind die Tritonen so dunkel gehalten, die
Jncarnation der Göttin dagegen so porzellanartig blaß
und kalt?

Der Erwerbung von Lefebvre's „Ueberraschter
Diana" sowie von Henner's „Jdyll", zwei Kunst-
werken, auf die wir noch zurUckkommen werden, standen
frühcr eingegangene Verpflichtungen hindernd im Wege.
Die „Eingemauerten von Carcassonnc" können nur aus
I. P. Laurens' Atelier hcrvorgegangen sein, schon
der Titel besagt es, aber er hat sich hier aus dem
Bereiche der beschaulichen Greuelscenen in das wogende
Bolksgetümmel begeben, nnd die Darstellung ist ihm
noch nicht recht vertraut. Haurean's Geschichte der
Albigenser hat ihm das Thema geliefert, eS gilt die
Befreiung der eingcmauerten Opfer der Jnguisition;
entblößte markige Arme halten das Brecheisen, die
machtlosen Edeln stehen daneben und der Mönch Bern-
hard Delicieux beruhigt die herandrängeude aufgeregte
Menge, so lautet die Erklärung; aber das rechte Leben
und die Bewegung fehlen in Antlitz und Haltung der
Versami.:iclten. Allcs geht ruhig vor sich, der Mönch
hebt die Arme so würdevoll, nls spende er der betenden
Gemeinde den Segen, selbst das zu seinen Füßen knieende
und den Snum seiner Kutte küßende Wcib erinnert
keineswegs an die gewaltige That des Angenblickes.
Mit einem Worte, das Bild läßt ebenso kalt wie M e-
 
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