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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [2,1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0290

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Der Pariser Salon,

wundern, wenn Mers vn's „Hciliger JsidornS", ein
würdiges Pendant zn Duez' „Heiligeni Cuthbert", noch
nachtrttglich vom Staatc zur Ausschmückung irgend
einer Kirche gewonnen würde; der tief in Andacht
Versnnkenc hat seine Arbeit vergcssen, dvch ein Engel
führt an seiner Statt den Pflng dnrch die Furchen,
Der Ausdruck der Züge ist verklttrt und schön, die
Haltung des gttnzlich Nackten natürlich nnd frei, der
vvn langen Gewändern umwallte Hiinmelsbvte da-
gegen minder gelungen. Originalitttt der Auffassnng
zeigt die „Ruhe anf der Flucht nnch Aegypten" desselben
Malcrs. Die junge Mntter hat auf dem Svckcl einer
Riesensphinx Schntz für sich nnd ihr geliebtes Kind
gesucht, Vvn dem ein lichter Schein ausgeht, der die
dunkle Landschaft erhellt; Joseph schlummert ruhig in
der Tiefe am Boden. Es crinnert an Rubens' schöne
„Flucht nach Aegypten" im Louvre und in Kassel, wo
Maria mit dem Heilande anf dem von einem Engel
am Zügel geleiteten Eselein sitzt und Vater Joseph
den aufgehenden Mond zn Rathe zieht. Moricourt's
„Rückkehr von der Wallfahrt" führt in die Bretagne;
die jungen Mttdchen in Weiß sind sowohl anmuthig als
auch ihrem Stande gemttß gehalten. Die trüben „Ge-
sichte der Madonna" stellte Meynier anf cinem Trip-
tychon anderer Art dar; das Mittclbild zeigt die h.
Familie, darunter die Passion, darüber die himmlische
Verklttrung. Ringsnmher wimmelt es von Jllnstra-
tivnen der Legende aller VLlker nnd aller Epochen, der
Fanatismus und die mystische Frömmigkeit des Mittel-
alterS, das Alte und das Neue Testament, die Kreuz-
züge und die Jnqnisition, sie Alle haben herhaltcn und
Sujets liefern müssen.

„Das Mitleid Lndwig's des Heiligen für die
Leiber der im Kampfe gegen die Saracenen gefallenen
Kreuzfahrer", eine umfangreiche, ans dem Atelier von
Cabanel's Schüler Po nsan hervorgegangene Kompo-
sition, ward vom Ninistörs äs i'instrnotion pnbligns
st äss Lsnnx-^rts, welches im vorigen Jahre die
' Genovefakirche, das ehemalige Panthcon, von Cabanel
mit Darstellungen aus dem Leben dieses sürstlichen
Nationalheiligen aiisschmücken ließ, für die Kathedrale
von La Rochelle erworben. Lndwig hatte seinem Ge-
solge die Bestattung der vergessenen Todten befohlen
nnd ein dumpfes Murren zur Antwort erhalten, da
stieg er selbst vom Pferde, faßte einen der halbver-
westen Körper in die Arme nnd erzwang sich durch
die Beschttmnng Gehorsam. Die peinlich fahlen Tinten
der von den Unglttnbigcn ausgeplündertcn, Staub und
Sonnenschein preisgegebenen Leichcn sind besser als die
Zeichnung der in den seltsamsten Stellnngen überein-
ander geworfenen Körper; die Gestalt des Königs be-
sitzt weder dic imposante Würdc des Fürsten noch die
Verklttrung des Heiligen, und die Gruppe der sich die

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Nase zuhaltenden Ritter erinnert an Johann von
Calcar's naive Darstellung der Auferweckung des
Laznrus.

Anf der ttußersten Grenzscheide zwischen Origina-
litttt nnd Ucberspaniitheit bewegt sich Puvis de Cha-
vannes' „Verlorcncr Sohn", dieOuintessenz der kleri-
kalen Richtung nnd der Gipfelpunkt der mönchischen
Ascese. Eine bleiche Jammergestalt, sitzt der verlorene
Sohn inmitten ciner ebenso stiefmütterlich behandeltcn
Landschaft, kaum deckt noch ein letzter verblichener
Fetzen des einstigen Purpurgewandes die abgezehrten
Glieder, nnd dcr bittere Hunger blickt auS tiefein-
gesnnkenen hohlen Augen in die trübe Gegenwart; das
Ganze ist farbloS, matt nnd dürftig, alS habe auch
auf der Palette Ebbe geherrscht. „Junge Mttdchen
am Meeresufer", ein zur Dekoration bestimmtes Bild
desselben Meisters, ist in demselben übertrieben hellen
Tone gehalten, so daß man im ersten Angenblicke die
prttparirte Leinwand mit einer blvßen Skizze vor sich
zu sehen glaubt; die vom Rücken gesehene Hüßlichkeit
httlt ihr langes Haar mit einer Hand fest, deren Dau-
men aller Regeln der Plastik spottet. Puvis de Cha-
vannes, ein Schüler von Couture, wnrd von der Re-
gierung mit der Ausführung von fünf Wandgemttlden
für die Genovefakirche betraut. — Politik und Religivn
vereint Lecomte duNouy in seinem figurenreichen, fllr
dis Dreifaltigkeitskirche bestimmten Gemttlde: „Der
heilige Vincenz von Paula nnterstützt die Elsttsser und
Lothmnger nach ihrem Anschlusse an Frankreich".
Weder der Heiland mit der Dornenkrone noch die
Engelchöre fehlen in dcr Höhe, Greise, Kranke nnd
Kinder in der Tiefe, eine fromme Schwester bringt
ganze Körbe Brod herbei, alle Zuthaten zum Heiligen-
bilde sind vorhanden, die akademischen Traditionen
beobachtet, allein den zündenden Fnnken sucht man
vergebens bei diesem kalten Dekorationsstücke. Henner's
grauenvoll naturgetreuer „Christus im Grabe" ist in
anderer Hinsicht merkwürdig. Holbein's „Todter Chri-
stus" hat ihm nicht nur die erste Jdee eingegeben,
sondern ihm anch bei der Lage de's magern Körpers
mit den tiesen Schatten, dem cingesunkenen Leibe und
dem glattcn Lendentuchc vorgeschwebt, und dieser Um-
stand ist Lob nnd Tadel zngleich für den viermal im
Lnxembourg vertretencn talentvollen Elsttsser, dessen
Muse sich überhaupt in engen Grenzen bewegll Seine
„Eklvge", eins der Ereignisse des Salons, auf die
wir noch znrückkommen werden, ist in vcrgrößertem
Maßstabe eine Wiederholung des im Luxembvurg be-
findlichen „Jdylls" von 1872 und dic „Naiaden" da-
selbst sind Zwillingsschwestern der in der Privatgalerie
Soyer befindlichen Genossinnen. Maignan ftelltc
ein großes, siir die Kirche S. Nicolas des Champs be-
stimnites Altargemttlde „Christus als Tröster der Be-
 
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