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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Brun, Carl: Der schweizerische Salon von 1879
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0303

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Der schwsizerische Salon von 1879.

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blick zu sixiren, desscn Entscheidung durch das Opfer
herbeigeführt wird, welches ein Held seinem Vnter-
lande in seiner eigenen Persvn bringt. Wie ist eine
solche Aufgabe zu lvsen? Winkelried, der Mittelpunkt
der Handlung, büßt die befreiende That svfort niit
dem Tode nnd sinkt von dem Augenblicke an zn einer
passiven Erscheinnng herab. Der Künstler wird also,
wenn er nicht wie Vogel lieber ganz von diesem Mv-
mente absehen will und sich die Trauer um den Helden
nach der Schlacht zum Vorwurf wählt, dahin streben
müssen, Winkelried, der doch die Hanptfigur der Kom-
position sein soll, möglichst in den Bordergrund und
noch in Aktivn begrisfen darzustellen. Das hat Grob
auch gethan, aber trotzdem mnß man scinen Winkelried
snchen. Wir sehen ihn in der Mitte des Bildes, Vvn
der eisernen Umarmung nberwältigt und bereits seinen
Geist aufgebend; er ist eine ideale Rittergestalt, im
Gegensatz zu den anderen Kämpen, die das Bauern-
thum repräsentiren. Die nnniittelbare Wirkung des
Heldentodes: wie die Eidgenossen über dcn Körper
des Sterbenden auf den Feind einstürmcn, hat Grvb
lebhaft wiederzugeben gewußt. Die Gasse ist frei, die
Eiseninauer dnrchbrochen, und über den Ausgang des
Kampses kann kein Zweifel inehr hcrrschen. — Führt
uns Grob die Wehrkraft unserer Vorfahren vvr Augen,
sv versetzt Bachelin den Beschauer unter die jetzige
schweizerische Miliz. Seine beiden Gemälde bilden
PcndantS. Das eine steklt die Truppe dar, wie sie
ihren Weg verlorcn hat nnd im Walde Halt macht,
um deiiselben crst auf der Karte wiederzusinden; das
andere Soldatcn in einer Winterlandschaft, die nach
beschwerlichem Marsche das Qnartier crreichcn. Be-
fricdigt, die ersehnte Rast zu sinden, harren sie des
Augenblicks, wo ihncn aufgethan wird. Die beiden
Bilder sind geschickt kvmpvnirt und voll Leben, die
Tppen der Soldaten sehr wahr nnd scharf beobachtet,
die einzelnen Gestalten vortrefflich gezeichnet.

Mit Bachelin stehen wir bereits auf dem Gebiete
des Genre, das wiederum stark vertreten ist. Auch
die Gemälde aus der biblischen Geschichte streifen dieses
Jahr hart an das Genre. Besonders das eine, welches
'iins die heilige Familie auf der Flucht nach Aegpptcn
zeigt nnd Preiswerk in Rvm znm Urheber hat.
Wir sehen Maria im Walde sitzen, mit dem Christ-
kind auf dem Schooße, Joseph steht an einen Baum
gelchnt nnd stützt sich auf seinen Wanderstab, er gleicht
mit seineni schneeweißen Haar und seinem langen
Barte eher einem alten Druiden als einer biblischen
Gestalt. Bedeutender als die Hauptfiguren sind die
Nebengruppen. Ein kleiner Engel, welcher der Mntter-
Gottes Blumen bringt, ein anderer, der den Esel
weiden läßt, nocb andere, die eifrig Blumen pflücken,
siud hübschc Motive, nur zu skizzenhaft behaudelt.

Viel strenger gehalten ist die heilige Familie auf der
Flncht von Benz, eine gut gemeinte, aber langweilige
Komposition. Benz schließt sich möglichst genau der
Ueberlieferung an, selbst in der Farbengebung; seine
Madonna trägt, wie übrigens auch diesenige Preis-
werk's, das stereotype rothe Untergewand und den
blauen Ueberwurf der Madonnen des Sassoferratv.
Das Bild ist nachempfunden, es fehlt ihm das persön-
lich frische Elemeut der Ouattrv- uud Cinguecentisteu.

Unter den Genrebildern muß in erster Linie der
„Carneval zu Venedig" von Becker genannt werden.
Die Scene geht in einem Jnterieur vor sich„ wie wir
solche aus dem Dogenpalast her kennen. Durch die
offene Thür ist soeben ein stattlicher Mann eingetreten,
am Arme eine üppigc Bloudine, eine echt venezianische
Schvnheit. Ein Theil der Anwesenden wird svfort
anf sie aufmerksam, Pierrot sieht die Dame lächelnd
an und schlägt tanzend das Tambonrin, ein anderer
nberreicht ihr Blnmen, cin dritter trinkt den Ein-
tretendcn den Willkommengrnß zu, Harlekin, die Arme
auf der Brust gekrcuzt, verneigt sich ehrerbietig. Und
wie das Paar tinks am Kainin in seiner Unterhaltung
dnrch die blendende Erscheinung unterbrochen wird,
so auch rechts am Tisch der Grieche, welcher soeben
ini Begriffe war mit seiner Schönen anzustoßen.
Man merkt es der Versammlung an, daß das Fest
durch die neuen Gäste in eine neue Phase getreten
ist, nur wenige Gestalten ini Hintergrunde scheinen
sich durch nichts in ihrem Zwiegespräch stören lassen
zn wollen. Das Bild ist geschickt komponirt und in
der Farbe wahrhaft glänzend, der Lichteffekt am Kamin
ist vorzüglich herausgebracht. Die Scene gab dem
Meister auch Gelegenheit, seine Virtuosität im Maleu
leuchtender Stoffe zu zeigen; es ist schade, daß seine
Zeichnnng uicht überall auf der gleichen Hvhe steht. —
Ebenfalls zu den guten Genrebildern gehört dasjenige
von Bartezago. Ein Knabe nnd ein Mädchen sind
beschäftigt, ein Bogelnest in ein Baner zu setzen, naives,
kindliches Glück über den Fund spricht aus den beiden
Kleinen. Sie sind einfache Kinder aus dem Volke,
nnd dem cntsprechend ist auch die Küche, in welcher
die Scene spielt, höchst einfach, das Geräth in der-
selben ist gut ausgeführt. Wenn dies Gemälde in der
Zeichnnng auch hic und da sündigt, so spricht es doch
an Lnrch die frische Naturauffassung und die stieu-
heit des Motivs, Eigenschaften, die wir an sv vielen
Genrebildern gerade dieses Jahres vermissen. So be-
wegt sich Aug. Müller auf längst abgetretenen Psaden,
nnd dazu kommt noch, daß seine Freier und Kutscher
alle in derselben nichtssagenden Weise lächeln und anf
ein nnd daSselbe Modell zurückgehen, so stellt Kuhu
wiederum seiue „Sonntagsandacht eines alten Berg-
bcwohners" aus, cin Bild, daS bereits in dieser Zeit-
 
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