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Die erste Pariser Aquarell-Ausstellung.
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bringen; oft sind seine Miniaturgestalten nur mit we-
nigen kühnen Strichen hingeworfen, aber sie keuchen
und schleppen, schimpfen und laden die Büchsen mit
der vollen Wuth des Communards, der sich in die
Enge getrieben sieht. Ein Herrn Maurocordato ge-
höriger französischer „Jnfanterist" besitzt alle Vorzüge
don Detaille's Darstellungsweise; ein „Husar", ein
„Dragoner" und ein „Trompeter", lauter typische Ge-
stalten, reihen sich an. Dorö, der Vielseitige, sandte
eine ganze Serie buntes Allerlei ein, große Porträts,
Märchenillustrationen, Genre, Fruchtstücke, Landschaften
und eine Ansicht von der „Londoner Brücke", wie
gewöhnlich Mittelgut neben genialem Aufblühen seiner
reichen Erfindungsgabe und seiner bewunderungswür-
digen Produktionskraft. Die Arbeiten Jsabey's gleichen
Skizzen an Kühnhsit, dabei pslegt er seine Kirchen-
interieurs und Jagdbilder mit zuviel kleinen Gestalten
zu bevvlkern, so daß die klare Uebersicht verloren geht.
Katzen, ein ganzes Kvrbchen voll! Wer anders als
Louis Lambert vermöchte das ganze Geschlecht mit
solcher Lebenswahrheit „beim Spiele" als „Familie"
und „auf dem Anstande" gegen den Hühnerhund dar-
zustellen. Katzen-Lambert ist ein Meister, dem es
Wenige gleichthun. Jn Belgien vertritt M"'° Ronner
diese Specialität. L ami zog das Bunte in Kostümen
und Gruppirung sür das Aguarell vor und inspirirte
sich bald an Moliöre, bald an Shakespeare, besuchte
Venedig und Genua, doch auch Schottland und ver-
schmähte das Studium der Niederländer nicht; sein
„mansAö" enthält vereinzelte Anklänge an Philipp
Wouwerman.
Louis Leloir's Aguarelle finden so lebhaften Bei-
fall, daß seine acht Blätter sämmtlich schon versagt
sind. Er weiß seinen Gestalten Leben einzuhauchen
und sie in den seltsamsten Stellungen natürlich zu
gruppiren. Bei seinem „prsmisr pas" liegt die ganze
Familie, Vater, Mutter und Bruder auf der Erde,
um das Nesthäkchen mit Wort und Geberde zum ersten
Schritte zu verlocken, während das Schwesterchen auf
dem Tische kauert und strahlend zusieht. Die „Tam-
bourinspielerin" ist, als Gegensatz dazu, eiue anmuthige
Reminiscenz an das Studium der Antike. Moritz
Leloir's „Erklärung" des Vaterlandsvertheidigers an
ein liebliches Mädchen in der Tracht des ersten Kaiser-
reiches auf der stillen Gartenbank der Tuilerien sagte
uns am meisten von den sünf hier vereinten Proben
seines Talentes zu. „Das Verbrechen" ward bei
Vibert zur kleinen Chinesin, welche ein Porzellan-
ungeheuer entwendete, mit dem Raube die Gartentreppe
hinabstolperte und inmitten seiner Trümmer von der
rächenden Hand der „Gerechtigkeit" erreicht wird.
Freilich ist dcr Scherz zum Fächerschmucke bestimmt
und köstlich ausgeführt. Der „Rabelais leseude Kar-
dinal" schüttelt sich vor Lachen, und die Chorknaben
prügeln sich auf dem mit hohem Grase überwucherten,
verlassenen Friedhofe, dem cln rspos", hinter
der alten Dorfkirche schamlos um die Reste des ge-
weihten Brodes. Vibert hat eine ausgesprochene hu-
moristische Ader, die ihm zuweilen sogar, wie bei der
„Apotheose des Herrn Thiers'", einen unvorher-
gesehenen Schabernack spielt. Jules Worms führt
sich hier nur als Südländer ein, denn seine vier
Aquarelle sind sämmtlich dem sonnigen Himmel Spa-
niens entnommen. Auch zwei Damen gehören der
Gesellschaft der Aquarellisten an und haben bei der
ersten Ausstellung nicht gefeiert. Die vielgereiste, an
Kunstsinn und Talent reiche Baronin Nathanael von
Rothschild lüßt uns einen Blick in ihr Skizzenbuch
werfen, sie führt uns in das „Haus des Castor und
Pollux" im alten Pompeji, in ein „Bauernhaus bei
Neapel", an die traumumwebten „Lagunen" sowie an
den „Brunnen von Torre Annunziata", und überall
findet sich dieselbe Leuchtkraft des Kolorits und die
frische Auffassung des Ganzen wieder; Hildebrandt und
Wilberg waren mehr als die Franzosen ihre Vorbilder.
Die „Pensses", „Rosen" nnd „Feldblumen" von
Madeleine Lemaire sind duftig und schvn, ihr vor
dem Globus studirendes Mädchen und die „Colombine"
würden durch einen Zusatz von wärmeren Tinten in
den Fleischtönen wesentlich gewinnen; wo Dors mildern
könnte, müßte sie mehr beleben.
Die Losists ä'g,gnursl1iste8 krunyuis darf mit
diesem ersten Versuche durchaus zufrieden sein; möge
diese Ausstellung das erste Glied einer langen Kette
von stets an Umfang und Kunstwerth wachsenden
Genossen bilden! Mit der Zeit werden sich dann auch
die hervorragenden englischen und belgischen, italie-
nischen und deutschen Aguarellisten als Gäste einfinden,
damit eine Arbeit von Meisterhand der anderen zur
Folie diene. —- Jn Brüssel fand gleichzeitig die Aus-
stellung der 8ooiötö k>st§s ä'ugUÄrsllistss statt; sis
durfte sich rühmen, eine der jüngsten Schöpfungen
Alma Tadema's „Is ikluiäo^sr", sowie Beiträge von
den Engländern Hoog, Toovey und Branchite, von
den Holländern Mesdag, Blommers und Neuhuys,
Moris, Ten Kate, Bosboom und Andern, von den
Jtalienern Paglioui, Blanchi, Fontane, Maccari und
Bartolini, und von den Deutschen Menzel und Scar-
bina zu umfassen. Diese Blüthezeit wird auch für die
Looistö ä'ugnurollistss trunyuis kommen; wir freuen
uns den bescheidenen Anfang gesehen zu haben und
möchten ihm gern die Theilnahme der deutschen Kunst-
kreise zuwenden. Es sind keine „luäspsnäunts" und
keine „Jnipressionisten", sondern tüchtige Künstler, fast
ohne Ausnahme „llors oonoours", ivenn es sich um
gewöhuliche Ehrenzcichen handelt, welche in dcr 8iue
Die erste Pariser Aquarell-Ausstellung.
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bringen; oft sind seine Miniaturgestalten nur mit we-
nigen kühnen Strichen hingeworfen, aber sie keuchen
und schleppen, schimpfen und laden die Büchsen mit
der vollen Wuth des Communards, der sich in die
Enge getrieben sieht. Ein Herrn Maurocordato ge-
höriger französischer „Jnfanterist" besitzt alle Vorzüge
don Detaille's Darstellungsweise; ein „Husar", ein
„Dragoner" und ein „Trompeter", lauter typische Ge-
stalten, reihen sich an. Dorö, der Vielseitige, sandte
eine ganze Serie buntes Allerlei ein, große Porträts,
Märchenillustrationen, Genre, Fruchtstücke, Landschaften
und eine Ansicht von der „Londoner Brücke", wie
gewöhnlich Mittelgut neben genialem Aufblühen seiner
reichen Erfindungsgabe und seiner bewunderungswür-
digen Produktionskraft. Die Arbeiten Jsabey's gleichen
Skizzen an Kühnhsit, dabei pslegt er seine Kirchen-
interieurs und Jagdbilder mit zuviel kleinen Gestalten
zu bevvlkern, so daß die klare Uebersicht verloren geht.
Katzen, ein ganzes Kvrbchen voll! Wer anders als
Louis Lambert vermöchte das ganze Geschlecht mit
solcher Lebenswahrheit „beim Spiele" als „Familie"
und „auf dem Anstande" gegen den Hühnerhund dar-
zustellen. Katzen-Lambert ist ein Meister, dem es
Wenige gleichthun. Jn Belgien vertritt M"'° Ronner
diese Specialität. L ami zog das Bunte in Kostümen
und Gruppirung sür das Aguarell vor und inspirirte
sich bald an Moliöre, bald an Shakespeare, besuchte
Venedig und Genua, doch auch Schottland und ver-
schmähte das Studium der Niederländer nicht; sein
„mansAö" enthält vereinzelte Anklänge an Philipp
Wouwerman.
Louis Leloir's Aguarelle finden so lebhaften Bei-
fall, daß seine acht Blätter sämmtlich schon versagt
sind. Er weiß seinen Gestalten Leben einzuhauchen
und sie in den seltsamsten Stellungen natürlich zu
gruppiren. Bei seinem „prsmisr pas" liegt die ganze
Familie, Vater, Mutter und Bruder auf der Erde,
um das Nesthäkchen mit Wort und Geberde zum ersten
Schritte zu verlocken, während das Schwesterchen auf
dem Tische kauert und strahlend zusieht. Die „Tam-
bourinspielerin" ist, als Gegensatz dazu, eiue anmuthige
Reminiscenz an das Studium der Antike. Moritz
Leloir's „Erklärung" des Vaterlandsvertheidigers an
ein liebliches Mädchen in der Tracht des ersten Kaiser-
reiches auf der stillen Gartenbank der Tuilerien sagte
uns am meisten von den sünf hier vereinten Proben
seines Talentes zu. „Das Verbrechen" ward bei
Vibert zur kleinen Chinesin, welche ein Porzellan-
ungeheuer entwendete, mit dem Raube die Gartentreppe
hinabstolperte und inmitten seiner Trümmer von der
rächenden Hand der „Gerechtigkeit" erreicht wird.
Freilich ist dcr Scherz zum Fächerschmucke bestimmt
und köstlich ausgeführt. Der „Rabelais leseude Kar-
dinal" schüttelt sich vor Lachen, und die Chorknaben
prügeln sich auf dem mit hohem Grase überwucherten,
verlassenen Friedhofe, dem cln rspos", hinter
der alten Dorfkirche schamlos um die Reste des ge-
weihten Brodes. Vibert hat eine ausgesprochene hu-
moristische Ader, die ihm zuweilen sogar, wie bei der
„Apotheose des Herrn Thiers'", einen unvorher-
gesehenen Schabernack spielt. Jules Worms führt
sich hier nur als Südländer ein, denn seine vier
Aquarelle sind sämmtlich dem sonnigen Himmel Spa-
niens entnommen. Auch zwei Damen gehören der
Gesellschaft der Aquarellisten an und haben bei der
ersten Ausstellung nicht gefeiert. Die vielgereiste, an
Kunstsinn und Talent reiche Baronin Nathanael von
Rothschild lüßt uns einen Blick in ihr Skizzenbuch
werfen, sie führt uns in das „Haus des Castor und
Pollux" im alten Pompeji, in ein „Bauernhaus bei
Neapel", an die traumumwebten „Lagunen" sowie an
den „Brunnen von Torre Annunziata", und überall
findet sich dieselbe Leuchtkraft des Kolorits und die
frische Auffassung des Ganzen wieder; Hildebrandt und
Wilberg waren mehr als die Franzosen ihre Vorbilder.
Die „Pensses", „Rosen" nnd „Feldblumen" von
Madeleine Lemaire sind duftig und schvn, ihr vor
dem Globus studirendes Mädchen und die „Colombine"
würden durch einen Zusatz von wärmeren Tinten in
den Fleischtönen wesentlich gewinnen; wo Dors mildern
könnte, müßte sie mehr beleben.
Die Losists ä'g,gnursl1iste8 krunyuis darf mit
diesem ersten Versuche durchaus zufrieden sein; möge
diese Ausstellung das erste Glied einer langen Kette
von stets an Umfang und Kunstwerth wachsenden
Genossen bilden! Mit der Zeit werden sich dann auch
die hervorragenden englischen und belgischen, italie-
nischen und deutschen Aguarellisten als Gäste einfinden,
damit eine Arbeit von Meisterhand der anderen zur
Folie diene. —- Jn Brüssel fand gleichzeitig die Aus-
stellung der 8ooiötö k>st§s ä'ugUÄrsllistss statt; sis
durfte sich rühmen, eine der jüngsten Schöpfungen
Alma Tadema's „Is ikluiäo^sr", sowie Beiträge von
den Engländern Hoog, Toovey und Branchite, von
den Holländern Mesdag, Blommers und Neuhuys,
Moris, Ten Kate, Bosboom und Andern, von den
Jtalienern Paglioui, Blanchi, Fontane, Maccari und
Bartolini, und von den Deutschen Menzel und Scar-
bina zu umfassen. Diese Blüthezeit wird auch für die
Looistö ä'ugnurollistss trunyuis kommen; wir freuen
uns den bescheidenen Anfang gesehen zu haben und
möchten ihm gern die Theilnahme der deutschen Kunst-
kreise zuwenden. Es sind keine „luäspsnäunts" und
keine „Jnipressionisten", sondern tüchtige Künstler, fast
ohne Ausnahme „llors oonoours", ivenn es sich um
gewöhuliche Ehrenzcichen handelt, welche in dcr 8iue