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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [3,1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0349

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Der Pariser Salon.

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der Weltausstellung 1878 fand, dor, als er seinem
kuhngemalten und feinempfnndenen Parkeinblicke den
sentimentalen Namen „Die verlassene Alles" beilegte;
die beiden Pferde sind die schwachste Partie. Daß man
mit Radirnadel und Pinsel gleich vertraut sein könne,
bewies Uon mit seiner überaus ansprechenden „Ansicht
von Montigny an der Marne"; der Stich davon ist
für die Zeitschrift bestimmt.

Je zwei Landmädchen, nur aus verschiedenen
Gegenden, erwählten sich Jundt, Feyen-Perrin und
Bastien-Lepage zur Belebung ihrerLandschaftsbildew
Bouguereau machte sie zum Mittelpunkte des seinigen.
Jundt's Gemälde bedeckt den größten Theil der Rück-
wand eines Saales, und doch ist sein Gegenstand so
einfach, wie die Ausführung zart und schön; zwei lieb-
liche Elsässer Dorfmädchen zogen zum Beerensammeln in
die Waldeseinsamkeit, und die ältere flicht der Genossin
eben, während die Erdbeeren sich im frischen Bächlein
abkühlen, die ausgegangenen blonden Zöpse. Jm
Hintergrunde taucht der Blick tief in die waldige vom
Geräusche der Menge unentweihte Gegend, und die
anmuthige, bescheidene Haltung der Mädchen paßt sich
der Umgebnng hübsch an. Der „Philosophenweg in
Monaco" von demselben Maler ist mehr humoristischi
zwischen Waldsaum und Seeufer schlängelt sich der
schmale, zur Beschaulichkeit ladende Pfad, aber diesmal
nimmt eine behäbige, auf ihrem geduldigen Eselein zu
Markte reitende Dörflerin mit dem Strickzeuge in der
Hand seine ganze Breite ein. Welchem BesUcher der
jüngsten Pariser Ausstellung wäre nicht Feyen-Perrin's
„Msur-äs-insr" als Verkörperung der Poesie des
Mesres in schönster Erinnerung geblieben? Seine
„Strickerinnen am Strande" siud weniger duftig, aber
natürlicher, vhne darum dem Realismus zu verfallen,
welcher Bastien-Lepage, dem jugendlichen Meister der
„Oktoberzeit" viel gefährlicher sein dürfte. Jm vorigen
Salon wohnten wir mit Bastien-Lepage der „Heuernte"
bei, diesmal dem Einheimsen der Kartofseln, und
wiederum hat sich die Hauptgestalt als rüstige Arbeiterin
eingefunden; halb sitzend halb stehend schüttet sie gerade
die gesammelten Kartoffeln aus dem vollen Korbe in
den offen gehaltenen Sack, und diese schwierige Stellung
hat der Künstler dnrchaus Leni Leben abgelauscht, auch
das geistig beschränkte Gesicht der Bäuerin trägt den
Ausdruck angestrengter Aufmerksamkeit. Eine zweite
minder geluugene Arbeiterin liest dicht hinter der Ge-
nossin Kartoffeln in das Henkelkörbchen. Dis Land-
schaft ist einfach, im Ganzen reizlos, aber in der Aus-
führung vielverheißend für die Zukunft des jungen
Malers. Bei Bouguereau's „äsuuss LotismisnnsL"
tritt die anmuthige Seite seines Talentes mehr als
sonst in den Vordergrunv; eine ältere Schwester, selbst
erst halberschlossene Knospe, doch schon mit dem me-

lancholischen Blicke der Frühverwaisten, trägt die
jüngere, dicht an sie geschmiegte, zärtlich auf dem Arme.

Franc. Aug. Bonheur bleibt den Traditionen
seines Namens getreu; sowohl sein „Waldinterieur"
als auch sein „Ool äs Oabrs" berechtigen zu den
schönsten Erwartungen, obgleich das Fell der auf der
Hochalp weidenden Kühe mehr kühn als fein gemalt
ist. Dem Herbst entnahmen Bellöe, Beauverie und
Sauzay, lauter jüngere Kräfte, ihre Motive; bei
Beauverie's „Oktobermorgen" bricht die matte Sonne
fich mühsam durch tiefhängende Wolkenschleier Bahn;
Bellse wählte eine kahle „Waldlandschaft", Sauzay
einen einsamen von entlaubten Bäumen umgebenen
„Waldsee". Der Amerikaner Washington, bei dessen
beiden sonnigen Landschaften aus der Provinz Kon-
stantiue „Umgegend von Collo" und „Arabische Reiter
in der Ebene El-Outaya" die Pferdestudien allein
nicht Schritt hielten, ist der Schule und den An-
schauungen nach Franzose. Algerische Scenerie wählte
auch Henri Girardet, der Sohn und Schüler des be-
kannten, in Versaitles lebenden Kupferstechers, fiir sein
„Verwundetes Pferd" und seinen „Blinden in Biskra",
ebenso Eugen Girardet für seinen „Verspäteten
Reisenden".

Eine Landschaft des Genfers Baudit: „Am Ufer
des Teiches von Lacanau" erinuert an ein durchaus
ähnliches Gemälde des Belgiers van Luppen auf dem
diesjährigen Lütticher Salon. Berne-Bellecour's Lehren
befolgte Berthelon in seinem „Seineufer zu Epüne,
Abends nach dem Regeu" und „Vor dem Gewitter zu
Saint-Pierre-Louvier". „Bercy während der Ueber-
schwemmnng", eine figurenreiche Darstellung aus der
Prosa des Alltagslebens von dem Görzer Luigi Loir
zeugt von guter Beobachtungsgabe und fesselt stets
einen ganzen Kreis von naiven Bewunderern. Die
zierlichen Kabinetstücke, welche Diaz, Corot nnd Dau-
bigny mit besonderer Vorliebe schufen, werden selteu,
die Käufer ziehen größere Bilder vor. Zu der Elite
unter den kleineren Gemälden zählen in erster Linie
die beiden sonnigen Tropenlandschasten des Amerikaners
Bierstadt: „Das Thal vou Hetch-Hetchy in Kali-
fornien" und „Aus Süd-Oregon".

Mit dem Genre vereinte Marinen giebt es in
reicher Auswahl. Netze und Körbe neben sich, liegen
Billet's Frauen und Mädchen „Vor dem Fischfange"
in malerischen Gruppen auf dem Sande und erwarten
den günstigen Moment; das Meer im Hintergrunde
Wogt leise, und die leichte Brise huscht über die Düne
und lauscht dem behaglichen Geplauder, denn die
Zünglein feiern nicht, das sieht uian an der Haltung
der Einzelnen. Mntterglück und Sorge, banges Mit-
gefühl nnd freudige Theilnahme stellt Feyen's „Ge-
rettetes Kind" dar; die ältereu noch im Bade befind-
 
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