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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [3,2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0362

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721

Der Pariser Salo».

722

Dagnau-Bouveret's derb huiiioristische „Hochzeit beim
Photographen", Leleux' kviuische Krimiualscene „Wer
getrunken hat, läßt uicht davon", Loustaunau's „Ver-
nunstheirath", ein beim Schachspiele mit seiner jungen
Frau eingeschlnmnierter alter Offizier, dessen gicht-
kranker Fuß in der weichen Hülle diel zu groß aus-
siel, sind so recht dazu geeignete leichte Waare. Mor-
lon's „Neue Mode unter dein Direktoriuni", die schöne

Tallien in der griechischen Tunika aus durch-
sichtiger Gaze, Nanteuil's „Jn die Frau verwandelte
Katze" nach Lafontaine und Rougeron's „Ein Engel
im Himmel", das mit Tanz und Gesang gefeierte Be-
grabniß eines KindeS in Andalusien, gehören derselben
Kategorie an. Lejeune's „Der Müller, sein Sohn und
der Esel" ist ein fein ausgestattetes Genrebild.

Bedeutend höher stehen Firmin G irard's „Hoch-
zeit im 18. Jahrhunderte" und Adrien Moreau's
„Silberne Hochzcit"; Beide find in ihrer Art tüchtige
Arbeiten. Watteau'sche Gestalten wandeln hier in dem
von den fröhlich anfspielenden Musikanten geleiteten
Hochzeitszug dnrch den Wald, Braut und Bräutigam
im traulichen Gespräche, das sie der Gegcnwart ent-
rnckt hat; anders das einer anderen Lebenssphäre an-
gehörende Silberpaar. Die noch stattlichen Ehegenossen
schickcn sich dort inmittcn ihrer ehrfurchtsvoll zum Feste
vcrsamnielten Kinder und Enkel an, cin feierliches
Mcnuett zu tanzen.

llnter den Belgiern glänzte Frau Collart, eine
alte Getreue des Salons, durch zwei allerliebste kleine
Pendants; der „Abend" ist einc fricdvolle stimmungs-
reiche Landschaft mit Kühen unter Obstbäumen, wo
im Hintergrunde das Dach des Bauernhauses durch
die Zweige blickt; das hellgehaltene Gegenstnck „April"
zeigt Kirschbäume im schönsten Blüthenflore, eine be-
sondcre Stärke dcr bcgabten Künstlerin. Wauters'
Malweise imitirt Delprsc in seinen beiden umfang-
reichen Gcschichtsbildern; sein „Martin Luther auf dem
Rcichstage zu Worms", ein effektvvlles, von der Stadt
Löwen angekauftes Gemälde, sündigt für uns Deutsche
in der Hauptgestalt, da der Reformator keine Porträt-
ähnlichkeit besitzt; das zweite Bild behandelt mit Kraft
nnd Treue eine „Episode ans den Lütticher Religions-
konflikten im Nov. 1875". Jan van Beers gerieth
bei seiner übertriebenen Effekthascherei anf traurigc
Abwege. Nvch im vorigen Herbste stclltcn wir dem
jugendlichen Feuergeiste, dessen übcrsprudelndc Phantasie
sich in allerlei tollen Ausgeburten Bahn brach, das
gnnstigste Prognostikon und glaubten „Des Volkes
Dank" wie die „Parisina" würden nur dic Vorboten
genialer Leistungen sein; aber dieser „Seinen Frennden
im lctzten Momente die Befreiung des Vaterlandes
prophezeiende Dichter Jan van Moerlandt" macht
alle Vvraussetzungcn zu Schandcn. Es ist ein kolossalcs

Triptychon; anf dem Biittelbilde sitzt Ler abgemergelte,
grünlich blasse Sterbende biS znni Gürtel gänzlich cnt-
blößt anf seinem Lager und starrt mit begeisterteni
Seherblicke in die fcrne Unendlichkeit, die beiden Zeugen
lauschen tief ergriffen; zur Rechten und zur Linken
ergänzen zwei historische Porträts das feltsame Mittel-
bild, welches an Geschmacklosigkeit seines Gleichen sucht.
Von Beers' mclkendes „Milchmädchen" ist der Triumph
des Häßlichen nnd des auf die Spitze getriebenen Rea-
lismus. Wenn der noch nicht dreißigjährige, nbcraus
ehrgeizige Maler in dieser Richtung fortfährt, wird er
bald nur noch Spott statt der ersehnten Lorbeern erntcn,
zwischen Originalität und Verirrung liegt eine wcite
Kluft. De Jonghe, ein Schüler von Gallait nnd
Navez, taufte ein ziemlich nichtssagendes Saloninterieur:
„17n l)6rL6N8S äs Ollopin". Jules Goupil traf in
seiner „Gefälligen Freundin" und der „Ruhe", einer
Malerin vor der Staffelei, nicht den gewohnten Ton
der feinen Satire auf die Gesellschaft. Wvhlberechnete
Kvmik spiegelt die „Controverse über den Talmud"
von dem Holländer deHaan; zwei Amsterdamer Jnden
trieben einen Dritten mit allerlei Kreuzfrngen in die
Enge und weiden sich nun an seiner Verlegenheit.

Die Russen pflegen pikante oder anfregendc
Vorgänge aus den verschiedenen Landstrichen ihrcs
weiten Heimatlandes znm Motive zu erwählen.
Chlebowski, halb Schüler Geröme's, halb der Peters-
burger Akademie läßt uns einen Blick in das orien-
talische „Jntericur eines circassischen Sklavenhändlers
in Konstantinopel" thun, wo eine junge Sklavin im
vollen Schmucke ihrer unentweihten Anmuth lüsternen
Käufern gezeigt wird; Dmitricff sührt uns in ein
„Brennendes russisches Dorf", desfen Frauen inmittcn
der' Kinder nnd des geretteten Hausrathes verzweifelt
die Hände ringen, während die Männer die störrischen
Schafe mit Todesgcfahr ans dem Stalle hvlen. Der
Warschauer Chelmonski zieht die Ukraine vor und be-
strebt sich bei seinein „Pferdemarkte" seiner Malwcise
denselben Stempel des Ungevrdneten, Zügellosen, welcher
das ganze Treiben charakterisirt, aufzuprägen. Jni
Vordergrunde erschwert ein Trupp tvilder Steppenrosse
in allcn möglichen und unmöglichen Stellungen einem
zwischen ihnen am Boden kauernden Kosaken das
Ankoppeln in jeglicher Weisc, zur Rechten dient ein
rabenschwarzer Hengst der blcndenden Weiße der Ge-
nossen zur Folie; im Hintergrundc wvgen Juden und
Gutsbesitzer, Käufer und Anpreisende, Rosse und Reiter
durcheinander. Das „Viergespnnn" desselben Polen
ist niindcr rastlos und von sorgfältigcr Ausführung.
Sicmiradski, der Maler des Weit überschätzten Sen-
sationsbildes: „Die lebenden Fackeln des Nero" hat
einen „Schwertertanz", das von Gauklerinnen vor dcn
im Garten vereinten römischen Damen ausgesührte
 
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