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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Die Künste am päpstlichen Hofe, [2]
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763

Die Künste am päpstltchen Hof.

764

Zahlreiche Aktenfascikel zur Papstgeschichte des
15. Jahrhunderts trageu das Zeichen des rothen
Kreuzes. Dasselbe hat eine ganz andere Bedeutung
als in unseren Tagen. Es bezeichnet die betreffenden
Convolute als Kreuzzugsakten, als Dokmnente aus
der Zeit des Papstes Calixt III. (1455—i458), welcher
bekanntlich mit Feuereifer ein neues kriegerisches Unter-
nehmen gegen die Osmanen betrieb. Er ist der ein-
zige nachweislich kunstfeindliche Papst des 15- Jahr-
hunderts, der entschiedenste Gegner seines Vorgängers
Nikolaus V. „Da seht nnr, wozu dieser Mensch die
Schätze der Kirchc Gottes vergeudet hat," rief er beim
Durchmustern der schönen Manuscripte, der Gold- nnd
Silberarbeiten aus, welche Nikolaus gesammelt hatte.
Müntz vergleicht Calixt III. mit Hadrian VI., dem
Nachfolger Leo's X. „Wenn die Beiden in Konstan-
tinopel statt in Rom regiert hätten, wer weiß ob sie
nicht Einer wie der Andere die Bilderstürmerei wieder
eingeführt haben würden!"

Auf dies kurze Zwischenspiel folgt dann die
glänzende Zeit Pius' II., des liebenswürdigen und ge-
lehrten Enea Silvio de' Piccolomini, des Erbauers
von Pienza (1458 — 1464). Er hatte schon lange vor
seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl den Ileber-
resten der antiken Skulptur in Rom ernste Beachtung
geschenkt; er ist ein Schüler des Biondo, den man den
Begründer der römischen Archäologie nennen kann.
Zugleich beweist cr ein offenes Auge für die großen
Wiedererneuerer der Kunst Jtaliens, vor Allen sür
Giotto, den er dem Apelles und Zeuxis an die Seite
stellt. Auch die Gothik, von der ein Filarete und
seine Zeitgenossen in den verächtlichsten Ausdrücken
sprachen, Wußte er, der Vielgereiste, mit gerechterem
Sinne zu würdigen; die neue Kirche in Pienza sollte
nach dem Vorbilde eines mittelalterlichen Baues er-
richtet werden, den er in Oesterreich gesehen hatte.
Und wenn er auch, wie schon Voigt in seiner bekannten
Monographie nachgewiesen, für die eitlen humanistischen
Rhetoren und Poeten, die seinen Thron nmdrängten,
oft die Taschen verschloß, so war er deshalb keines-
wegs ein Verächter der Wissenschaft. Der Eifer, mit
welchem er griechische und lateinische Manuscripte suchen
und kopiren ließ, beweist dies zur Genüge.

Vor Allem aber war er ein Freund und Pro-
tektor der bildenden Künste. Die ersten Meister Tos-
kana's schaarten sich um ihn, Rom wurde unter seinem
Pontifikat von Neuem der Versammlungsort für die
berühmtesten Architekten, Bildhauer, Maler, Gold-
schmiede, Kunststicker und Miniatoren aus ganz Jtalien.
Obwohl kein Verschwender, im Gegentheil sehr auf
gutes Haushalten bedacht, gab er doch mit offenen
Händen das Geld her, wenn es ein Kunstwerk von
Werth, eine schöne Goldschmiedearbeit oder einen flan-

drischen Teppich zu erwerben galt. Nur sollte der
Amateur und der Kunstenthusiast — so dachte er —
nie den Kirchenfürsten, den Statthalter Christi ver-
gessen machen. Auf die Gründung von Pienza, oder
vielmehr auf die Umwandlung seines Geburtsortes
Corsignano in diese nach ihm benannte neue Stadt
hat er übrigens doch inehr seinem eigenen Ruhmsinn
und dem Andenken seiner Familie zuliebe, als zur Ber-
herrlichung des päpstlichen Stuhles in kurzer Zeit die
Summe von 50—100,000 Dukaten verwendet.

Aus deni wichtigsten Abschnitt über die einzelnen.
von Pius II. beschäftigten Künstler sei hier nur der
von Müntz geführte Nachweis hervorgehoben, daß nicht
Bernardo di Lorenzo, sondern Bernardo Rossellino,
wie nnter diikolaus V., so auch unter Pius II. an
der Spitze der Bauten des Papstes stand und demnach
auch als der Architekt von Pienza zu betrachten ist.
Gleichzeitig bekleidete Rossellino nnd zwar bis zn seinem
Tode (23. Sept. 1464) das Amt eines oapo masstro
des Domes von Florenz.

Eine völlige Umgestaltung erfährt unser bisheriges
Wissen von der Kunst unter Paul II. (1464—1471).
Das neue Material war hier so massenhaft, daß Müntz
diesem einzigen Pontifikat seinen ganzen zweiten Band
widmen mußte. Durch seine Aufsätze in der daristts
und in der U-svus nrolisolo^igus von 1876—78
waren wir bereits auf die Ausbeute vorbereitet, welche
die Jnventare der Kunstsammlungen Pietro Barbo's
darbieten. Jnzwischen erschien das vollständige Ver-
zeichniß dieser damals im Palazzo S. Marco (heute
Venezia) aufgehäuften Schätze im ersten Bande der
Dooumsnti insäiti psr ssrvirs s.I1a storin äsi
Nu8si ä'Italia, Welche das italienische Unterrichts-
ministeriuni herausgiebt. Müntz, der zuerst aus das
werthvolle Jnventar anfmerksam gemacht hatte, niußte
dasselbe natürlich auch seinem Buche wieder vollständig
einverleiben, und, gestützt auf seine Darstellung, besitzen
wir nun nicht nur das richtige Bild von der Persön-
lichkeit des bisher arg mißkannten Papstes, sondern
wir gewinnen auch einen überraschenden Einblick in
den Gesammtzustand der Kunstsammlungen Jtaliens
vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 15. Jahr-
hunderts.

Paul II. war kein Humanist im vollen Sinne
des Wortes, wie Nikolaus V. Er war in erster Linie
Kunstfreund und Sammler. Auch der Architektur hat
er bedeutende Jmpulse gegeben und die Pläne Niko-
laus' V. fortgeführt. Aber im Vordergrunde seines
Kunstinteresses stand die plastische Kleinkunst. Müntz
nennt ihn den Wiederhersteller der Glyptik, der im
Alterthum so glänzend entwickelten Edelsteinschneide-
kunst, welche im Mittelalter völlig herabgekommen war.
Nicht minder begeistert war er für schöne Goldschmiede-
 
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