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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Waldemar Rösler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0107

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KU NSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 20. 9. Februar 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am rreitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten kalbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandhing keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalsfr.IIa.
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WALDEMAR RÖSLER

Vor ein paar Wochen erst kam die Nachricht von
Waldemar Röslers plötzlichem Tode zu uns. Und
nun heißt es Abschied nehmen von dem Frühver-
storbenen, nun bietet zum letzten Male die schöne
Gedächtnisausstellung, die Paul Cassirer dem Künst-
ler bereitete, Gelegenheit, sich das Schaffen des Malers
zu vergegenwärtigen, das niemals noch so ge-
schlossen und eindrucksvoll vor uns stand wie nun,
da er selbst nicht mehr unter den Lebenden ist. Wir
empfinden es jetzt erst, wie schnell die Erscheinungen
kamen und gingen, wenn wir das Bild wiedersehen,
mit dem vor erst zehn Jahren der damals Vierund-
zwanzigjährige seinen Platz in der Berliner Sezession
erwarb. Denn der mit zweiunddreißig Jahren im
Anfang des Krieges den Pinsel niederlegte, ward schon
einer Generation zugerechnet, die nicht mehr die
jüngste hieß. Die Wortführer einer neuen Bewegung
maßen nur mehr an einem Schlagwort. Es hieß, der
Impressionismus sei tot, und je"de künstlerische Äuße-
rung wurde nach dem Grad ihrer Ausdruckskraft
bewertet. Und Röslers Kunst war bald verdächtig,
einer überwundenen Epoche anzugehören.

Langsam hat sich die Erregung gelegt, die ob der
neuen Eindrücke in weiten Kreisen entstanden war.
Man lernte wieder, gut und böse zu sehen, wo bis-
her nur vom Stil die Rede war. Und die Zeit konnte
nicht mehr fern sein, die begriffen hätte, daß in der
Generation der Dreißigjährigen auch neben Heckel
noch Platz ist für Rösler. Es wäre dem Künstler
dann eine Genugtuung geworden, die ihm versagt
blieb, und es wäre ein Stachel von ihm genommen
worden, der ihn gewißlich schmerzte, und der auch
zuweilen eine Unruhe in sein Schaffen trug, die
seinem Werke nicht förderlich war. Und vielleicht
hätte ihm selbst die Rückschau, die nun uns anderen
blieb, die Sicherheit wiedergegeben, die ihm zeit-
weilig verloren ging.

Denn diese stattliche Ausstellung eines halben hun-
dert schöner Bilder, die das Beste von Röslers Schaffen
sammelt und noch einmal vereinigt zeigt, enthüllt
auch dem, der die Arbeit des Künstlers von Jahr zu
Jahr verfolgte, ein Werk von festem Charakter und
eigener Schönheit. Es ist nicht leicht, die Formel zu
finden, mit der sich diese Bilder beschreiben ließen,
und es spricht nicht gegen sie, daß es schwer ist,
ihrem Wesen mit Worten nachzugehen. Das Wort
sucht durch Erinnerung an Bekanntes die Vorstellung
zu stützen. Aber es stellen keine der geläufigen Be-
griffe, keine der üblichen Namen sich ein, wenn von
Röslers Bildern die Rede ist. Er war ein Eigener,
war es seit seinen ersten selbständigen Schritten, seit-

dem die flüchtigen Spuren, die die Königsberger
Akademie hinterlassen hatte, geschwunden waren. Es
nützt wenig, die Motive seiner Landschaften zu nennen,
von der kargen Natur seiner ostpreußischen Heimat
oder der Lichterfelder Vorstadt zu sprechen, wie es
angesichts seiner Bilder üblich ward, da er doch zu-
weilen eine Üppigkeit auch in diese Natur hinein zu
zaubern verstand, die den kahlen Boden verleugnet.
Auch das oft wiederholte Wort von der Vorliebe des
Künstlers für kühle Vorfrühlingstage, für halbbelaubte
Bäume erweist sich als haltlos, da es nur für ein oder
das andere Bild gelten kann, das sonderlich in der
Erinnerung haftete.

Soll etwas den Künstler charakterisieren, so ist es
die Materie seiner Farbe, die zähe und trocken ver-
arbeitete Schicht, mit der er die Leinwand deckt. Sie
verzichtet auf die Mittel koloristischer Kontraste und
bewegt sich in einer harmonischen Skala. Aber es
wäre falsch, Rösler nicht einen Maler zu nennen, weil
er kein Kolorist gewesen ist. Denn seine Bilder leben
durchaus in der Farbe, und die Schwarz-Weiß-Re-
produktion gibt nichts als ein verzerrtes Gerüst ihrer
Formen. Die frühesten Bilder, die Rösler zeigte, sind
beinahe rein auf ein zartes Grün gestellt. Jene Land-
schaft im Mai, die er im Jahre 1907 malte, und die
seinen Ruf begründete, war durchaus ein Wagnis mit
den großen Flächen eines fast nur durch den ver-
schiedenen Auftrag belebten Grün. In der Folge er-
weitert der Künstler seine Skala. Er geht von einem
gebrochenen Blau einerseits nach Grün, andererseits
in ein Violett, und mit der Fülle der Nuancen wächst
die plastische Anregungskraft seiner Bilder. Die lyrischen
Stimmungen der ersten Landschaften werden zuweilen
bis ins Dramatische und Pathetische gesteigert. Und es
zeichnet sich endlich eine dritte und letzte Phase in des
Künstlers Schaffen ab, die durch eine wärmere Tonlage
und einen flacheren Farbenauftrag charakterisiert wird.
Die starke Plastik wird wieder gemildert, auf die un-
mittelbar räumliche Anregungskraft Verzicht geleistet.
Es sind gewiß Einflüsse von außen bei diesem auf-
fälligen Wandlungsprozeß mit im Spiele. Aber der
Künstler bleibt immer innerhalb' der ihm eigen-
tümlichen Ausdrucksmittel. Er verschreibt sich nicht
einer neuen Lehre, und er verarbeitet nicht Cezanne,
indem er sich an dessen Formensprache hingibt,
sondern er sucht das Geistige eines neu in seinen
Gesichtskreis eintretenden Bildungsprozesses zu be-
greifen und seinem Ausdruckswillen nutzbar zu machen.

So sind Röslers letzte große Werke zu verstehen,
die wesentlich im Jahre 1914, seinem letzten Schaffens-
jahre, entstanden sind. Ein warmes Violett wird jetzt
gern der Grundton, um aus blauem Schatten zu rotem
Licht zu steigen. Die Fäche wird zum Gesetz des
 
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