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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0089

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74

Früh- und Hochmittelalter

menhang mit der Krönung stets eine herausgehobene Stellung eingenommen zu haben,
wurde im Laufe des Spätmittelalters jedoch zunehmend von den Kurfürsten in den
Hintergrund gedrängt.''" Auf eher literarischer Ebene bewegten sich hingegen die in
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgezeichneten Ansprüche des Bischofs von
Lüttich, im Falle einer Sedisvakanz den Erzbischof von Köln als dessen Suffragan ver-
treten zu dürfen.''''' Zu dieser in England und Frankreich durchaus üblichen Praxis
sollte es in Deutschland nie kommen, das für 1002 belegte Mitwirken der Mainzer Suff-
ragane an der von ihrem Erzbischof vorgenommenen Weihe stellt in diesem Zusam-
menhang die weitestgehende Beteiligung dar.
Hierfür wird man vor allem die Position der Erzbischöfe von Mainz und Trier ver-
antwortlich zu machen haben, die von Beginn an mit dem Erzbischof von Köln um die
Vorrangstellung im Reich konkurrierten. Gerade in Mainz hat man stets die Auffas-
sung vertreten und aufrechterhalten, wichtigster Kurfürst, Königsmacher und Korona-
tor zu sein. Steingewordener Ausdruck dieses Anspruchs waren die Grabsteine Sieg-
frieds III. (t 1249) und Gerhards II. von Eppstein (t 1305) sowie Peters von Aspelt (t 1320).
In Abkehr von bisher üblichen Darstellungen zeigten sie den Erzbischof, wie dieser
zwei beziehungsweise sogar drei Königen eine Krone aufsetzt. Uber die »Memorial-
funktion« der Grabmäler und die mit ihnen betriebenen »Sepulkralpolitik« hat Verena
Kessel ausführlich gehandelt und dabei zu zeigen versucht, wie durch sie »mit allem
Nachdruck de[r] Mainzer Anspruch auf die Krönung respektive auf das Recht, als Erz-
kanzler der >zweite Mann< im Alten Reich zu sein« verfolgt wurde?""
Ausgehend von der Tatsache, dass zwar die auf den Grabsteinen dargestellten
böhmischen, nicht jedoch alle römisch-deutschen Könige tatsächlich von den jeweili-
gen Mainzer Erzbischöfen gekrönt wurden, hat Ernst-Dieter Hehl die These vorge-
bracht, dass nicht der »Anspruch auf das Krönungsrecht«, sondern die mit der Wahl
verbundene entscheidende Rolle bei der Königserhebung dokumentiert werden soll-
te?"^ Zu den bisher bekannten Belegen ist nun ein unlängst aufgefundenes und auf
1320/30 zu datierendes Relief zu ergänzen, das wohl einen heiliggesprochenen Mainzer
Erzbischof (Bonifatius oder Willigis) zeigt, der zwei knienden Königspaaren die Krone
aufsetzt. Wilfried Wilhelmy hat diese Darstellung in die von Kessel behandelten Grab-
mäler eingereiht und in recht kühner Argumentation mit der Berufung auf einen »Bo-
nifatiusprimat« in Verbindung gebracht?"^ In jedem Fall sind jedoch Hehls Überlegun-
gen zu berücksichtigen, so dass man in den steinernen Darstellung vielleicht tatsächlich
den Anspruch der Mainzer Erzbischöfe auf eine Vorrangstellung im Gesamtkomplex
der Königserhebung beziehungsweise des >Königmachens< sehen muss: Der Vorrang
bei der Wahl ließ sich eben nur unzureichend in Szene setzen, noch immer bildete die

198 Siehe unten, Kapitel 6.7.6.
199 Siehe auch die fiktive Schilderung der Krönung Wilhelms von Holland aus dem 14. Jahrhun-
dert, in der der König von Böhmen das Aufsetzen der Krone & cozzsezzsM Coiozzz'czzsz's arc/zz'epz'scopz
vornahm (siehe unten, Kapitel 5.1.4).
200 Vgl. allgemein KESSEL, Memorialfunktionen, hier besonders S. 35-39 sowie mit gewissen Modi-
fizierungen und auf die drei Krönungsgrabmäler fokussierend KESSEL, Sepulkralpolitik, das
Zitat hier S. 20f.
201 HEHL, Goldenes Mainz und Heiliger Stuhl, S. 855-857 Zitat S. 856.
202 WtLHELMY, Ein unbekanntes Krönungsrelief.
 
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