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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0113

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98

Krönungsordines

fung von etwas Neuem hervorheben,"' lässt sich so auch konkret in der Veränderung
des Textes fassen.^
Tatsächlich zeigen sich bereits in den ältesten Textzeugnissen leichte Unterschiede
zwischen den einzelnen Handschriften, die trotz einer wohl weitgehend zeitgleichen
Entstehung als Weiterentwicklungen interpretiert werden müssen.^ Die Gebetstexte
selbst stammen allerdings in der Tat aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten. Man
wird sie daher weniger als unmittelbare Belege für die Vorstellungen der Ottonenzeit
werten können, kommt in ihnen doch, wie Carl Erdmann richtig bemerkt hat, »im we-
sentlichen das karolingische Königspriestertum und die westfränkische Bischofs-
macht« zum Ausdruck.^ Dennoch muss betont werden, dass gerade jene Texte einer
Übernahme würdig erachtet wurden, man sich also ganz bewusst für ein Anknüpfen
an ältere Traditionen und nicht zu einer vollkommenen Neuschöpfung entschloss. Das
Aufgreifen karolingischen Gedankenguts kann angesichts des komplexen Entste-
hungsprozesses des Pontificale Romano-Germanicum nicht als bloße sklavische Über-
nahme aufgefasst werden: Die dort niedergelegten Auffassungen über das Königtum
und die Bedeutung der Weihe entsprachen offensichtlich den Ansichten der Kompilato-
ren beziehungsweise ihres oder ihrer Auftraggeber/"
Die große Bedeutung des Textes scheint auch durch die konkrete Durchführung
des Rituals gegeben: Selbst wenn die hochmittelalterlichen Quellen in der Regel keine
Angaben über die tatsächliche Verwendung des Krönungsordo machen, so muss doch
bereits allein aufgrund der schnellen und weiten Verbreitung des Textes/' der man-
gelnden Alternativen^ und der Weiterbearbeitungen im 11. und 14. Jahrhundert davon
ausgegangen werden, dass er zumindest die Grundlage für die Ausgestaltung der ein-
zelnen Krönungsrituale im römisch-deutschen Reich bildete. Im Einzelfall mochte es
zu handschriftlich nicht dokumentierten Änderungen kommen, doch dürften diese
eben gerade auf der Basis des Mainzer Ordo geschehen sein.

4.1.2 Inhalt
Um Ablauf und Inhalt der Königskrönung besser verstehen zu können, bietet sich eine
Zerlegung des Ritualkomplexes in seine einzelnen Bestandteile an. Eine solche Sequen-

16 Vgl. unter Verweis auf dieselben Stellen wie Erdmann, aber mit anderer Bewertung Vogel/
Elze (Hg.), Le Pontifical romano-germanique du dixieme siecle, Bd. 3, S. 26, mit Anm. 45.
17 Siehe z. B. besonders für die Salbung unten, Anm. 33, 34 und 51-54.
18 Dies gilt für die Handschriften C, D, V und besonders R und T. Siehe zu diesen Vogel/Elze (Hg.),
Le Pontifical romano-germanique du dixieme siecle, Bd. 3, S. 65-68 sowie das Stemma, S. 56.
19 ERDMANN, Forschungen zur politischen Ideenwelt, S. 59.
20 Dies gilt es gegen die Skepsis von ebd., S. 59-61, zu betonen, der behauptet, »ein in der Welt Ot-
tos des Großen selbst aufgesetzter Text würde sicherlich recht anders ausgefallen sein« (S. 59).
Hier scheint fast ein wenig Traurigkeit darüber mitzuschwingen, dass es nicht zur Entstehung
eines solchen Textes gekommen ist.
21 Vgl. hierzu Vogel/Elze (Hg.), Le Pontifical romano-germanique du dixieme siecle, Bd. 3, S. 44-
51.
22 Vgl. ERDMANN, Forschungen zur politischen Ideenwelt, S. 61-63, zwar skeptisch, aber S. 61 doch
mit der richtigen und wichtigen Beobachtung: »Es ist nicht wohl denkbar, daß die Bischöfe für
die Königsweihe ihr Pontifikale beiseite gelegt und jeweils eine neue Ordnung aufgestellt ha-
ben.«
 
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